MDRfragt Mehr Bemühungen gegen Rechtsextremismus gewünscht
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19. August 2024, 13:51 Uhr
Werden zu viele Menschen zu leichtfertig als Rechtsextremisten und Nazis abgestempelt oder gibt es im Gegenteil zu viel Nachsicht mit extrem rechten Gruppierungen und Bestrebungen? Gut zwei Wochen vor der Landtagswahl in Sachsen und Thüringen ergeben die MDRfragt-Stimmungsbilder aus diesen beiden Freistaaten: Es sollte eher mehr gegen Rechtsextremismus getan werden.
- Wer findet, im Kampf gegen Rechtsextremismus passiert zu wenig, sieht verschiedene Akteure in der Pflicht.
- Nicht wenig sind hin- und hergerissen.
- Es gehe zu viel um rechts und zu wenig um rechtsextrem, finden einige, die meinen, die Maßnahmen seien überzogen.
Gibt es in Sachsen und Thüringen genügend Bemühungen gegen Rechtsextremismus? Im MDRfragt-Stimmungsbild geben die mehr als 17.000 Befragten darauf sehr unterschiedliche Antworten.
Am ehesten glauben die Befragten jedoch, es werde zu wenig getan: Konkret sind 44 Prozent der Befragten dieser Ansicht.
Knapp jede und jeder Vierte hält die aktuellen Anstrengungen für ausreichend, für fast jede und jeden Fünften wird schon zu viel unternommen. Und mehr als jede und jeder Zehnte positioniert sich in dieser Frage gar nicht.
Meinungen: Wer zu wenig tut und worin sich das äußert
Doch wer tut eigentlich zu wenig gegen Rechtsextremismus und woran machen die Befragten das fest? Das haben zahlreiche MDRfragt-Mitglieder mit persönlichen Kommentaren konkreter gemacht.
So findet Jana (47) aus dem Landkreis Zwickau, Sachsens Ministerpräsident sei in Sachen Rechtsextremismus zu nachlässig: "Aber das hat er gemeinsam mit seinen Vorgängern. Nichts wurde seit den 90ern unternommen!"
Sascha (27) aus Erfurt sieht zum Beispiel kommunale Spitzenvertreterinnen und Spitzenvertreter in der Pflicht, mehr gegen extrem Rechts zu tun: "Bürgermeister/Oberbürgermeister sollten klarer und öfter Stellung gegen Rechtsextremismus beziehen." Und für Johannes (28) aus Jena gilt: "Alle demokratischen Parteien tun zu wenig, sorgen für Politikverdrossenheit. Die Gesellschaft muss mehr aufstehen, demonstrieren, im Kleinen widersprechen, diskutieren."
Für Christian (63) aus dem Landkreis Meißen geht das Problem schon eher die gesamte Gesellschaft etwas an. "Es ist eigentlich unvorstellbar", schreibt er und zählt folgende Ereignisse auf: Wahlhelfer werden attackiert, ein CSD-Umzug in Bautzen wird gestört und es werden immer wieder rechte Parolen skandiert. Aus Christians Sicht geht es aber nicht nur um offensichtliche Umtriebe von rechtsextremen Gruppen und Neonazis: "Gefährlich aber auch die Unterwanderung der bürgerlichen Gesellschaft mit rechtem Denken. Ich sehe schwarz für Sachsen und unsere Zukunftsindustrien."
Stefan (40) aus dem Vogtlandkreis meint: "Irgendwie haben wir in den letzten 34 Jahren den Gemeinschaftssinn in Teilen aufgegeben und uns dem Egoismus gewidmet." Aus seiner Sicht ergeben sich aus egoistischen Denkmustern viele Schwierigkeiten, etwa der Gedanke: "Alle sollen so leben, wie ich das will, sonst fühle ich mich fremd." Für Stefan ergibt sich daraus: "Das feuert den Rechtsextremismus an."
Annett (47) aus dem Landkreis Sömmerda ist nur ein Beispiel für zahlreiche MDRfragt-Mitglieder, die finden, es müsse mehr Jugend- und Bildungsarbeit gemacht werden, um rechtsextremes Gedankengut zu bekämpfen. Konkret schreibt sie: "mehr Aufklärung bei Jugendlichen, kritisches Denken fördern".
Und Steve (34) gehört zu jenen, die finden: der Rechtsstaat ist gefragt: "Polizei und Justiz muss hart, klar und schnell gegen Nazis vorgehen. Es ist unfassbar, was in diesem Freistaat möglich ist und einfach nur peinlich und erbärmlich, wie man Rechtsextreme gewähren lässt."
Wer Maßnahmen gegen Rechtsextremismus ausreichend findet
"Es sollte vor allem konsequenter gehandelt werden", findet Erik (35) aus Dresden. Er gehört zu jenem knappen Viertel der Befragten, die meinen, die aktuellen Bemühungen im Kampf gegen Rechtsextremismus reichten aus.
Für Andreas (48) aus dem Landkreis Leipzig gilt: "Das beste Mittel gegen Rechts ist eine gutgemachte Politik, die die Sorgen der Menschen ernst nimmt, sachlich und fundiert an Lösungen arbeitet. Leider sind Demokratieförderprogramme und hohle Phrasen schneller aus dem Hut gezaubert, als wenn man die Kärrnerarbeit macht."
Manche Befragte, wie Kathrin (49) aus dem Landkreis Zwickau, sind hin- und hergerissen: "Es ist schwierig, hierauf pauschal eine Antwort zu wissen. Gefühlt wird meiner Meinung nach zu wenig getan, aber vielleicht erreicht man dann das Gegenteil, wenn zu viel in die gleiche Kerbe 'gehauen' wird."
Wird zu viel gegen Rechtsextremismus getan?
Und was sagen jene, die finden, es gibt jetzt schon zu viel Bemühungen gegen Rechtsextremismus? Sascha (43) aus dem Landkreis Zwickau meint: "Ich wünsche mir von Akteurinnen und Akteuren, dass viel mehr gegen Linksextremismus getan wird." Aus seiner Sicht seien Rechtsextremisten "zu nichts in der Lage, die anderen unterhöhlen Demokratie und den Zusammenhalt in der Gesellschaft".
Aus Sicht von Christian (46) aus Weimar gilt: "Eine gesunde Demokratie sollte so einen ‚Rechtsrutsch wegstecken‘ können. Es werden nun bald 30 Prozent der Wähler verunglimpft, aber es wird nicht geschaut, wo die etablierten Parteien Fehler gemacht haben." Sabine (44) aus Saalfeld-Rudolstadt meint, mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus könne man schnell das Gegenteil von dem erreichen, was man wolle: "Je mehr man die Leute drangsaliert, desto bockiger werden sie."
Und immer wieder findet sich der Vorwurf, wie ihn auch Christian (47) aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen formuliert: "Was heutzutage als rechts oder gar rechtsextrem eingestuft wird, war in den neunziger Jahren meist lediglich eine konservative Meinung."
Über diese Befragung
Die "Frage der Woche - zur Landtagswahl" vom 12. bis 15. August 2024 stand unter der Überschrift: "Wie umgehen mit Rechtsextremismus?".
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen. Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ.
Bei dieser Befragung haben sich 17.257 Menschen aus Sachsen und Thüringen online mit ihrer Meinung eingebracht.
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland. MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.
Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie am Ende des Artikels.