Wahlhelfende zählen Briefwahl-Stimmzettel.
Auch in Sachsen und Thüringen greifen Wahlberechtigte gern auf die Briefwahl zurück. Unkritisch, findet ein Großteil bei MDRfragt. Bildrechte: IMAGO / Funke Foto Services

MDRfragt Mehrheit sieht bei Briefwahl eher Vor- als Nachteile

12. August 2024, 18:00 Uhr

Wenn am 1. September gewählt wird, haben viele Wahlberechtigte in Sachsen und Thüringen ihre Stimme schon abgegeben. Die Briefwahl macht es möglich. Doch ist das jetzt eigentlich ein Problem? Eher nein, sagt das MDRfragt-Meinungsbild zum Thema.

MDR-Redakteurin Franziska Höhnl
MDR-Redakteurin Franziska Höhnl Bildrechte: MDR / David Sievers

Knapp drei Wochen vor der Landtagswahl wollte das MDRfragt-Team von den Befragten aus Sachsen und Thüringen wissen, wie sie darauf schauen, dass immer mehr Wahlberechtigte per Brief statt im Wahllokal wählen.

Rund drei Viertel (74 Prozent) der Befragten sehen diese Entwicklung unkritisch. Knapp ein Viertel (22 Prozent) findet den steigenden Anteil von Briefwählenden eher problematisch.

Immer mehr Briefwahl - Bewertung des Trends
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Was Befragte an Briefwahl schwierig finden

Frida (24) aus Jena fasst ihre Vorbehalte gegen die Briefwahl so zusammen: "Es kann nicht sichergestellt werden, ob die Briefwahl geheim und frei ist, deshalb sollte sie nur im äußersten Notfall eine Möglichkeit sein."

Auch Henri (26) aus Leipzig meint: "Die Anonymität der Wahlkabine ist im Wohnzimmer nicht gewährleistet."

Noch weiter geht Manuela (63), die meint: "Das Risiko, dass die Entscheidung durch andere beeinflusst wird, oder andere das Stimmrecht wahrnehmen, ist gegeben." Und der gleichaltrige Hartmut aus dem thüringischen Saale-Orla-Kreis meint, Wählen sei Staatsbürgerpflicht. Daraus folgt für ihn mit Blick auf die Briefwahl: "Bei abwesend okay, ansonsten nur Faulheit."

Andrea (47) aus Erfurt hat ganz praktisch Sorge, dass auf dem Weg zur Auszählung etwas schiefgeht. Sie sieht die "Gefahr, dass nicht alle Briefe ankommen".

Es gibt auch MDRfragt-Mitglieder, die irritiert sind, weil bei früheren Wahlen die Auszählung in den sogenannten Briefwahllokalen dazu führte, dass die AfD Stimmenanteile verlor und andere Parteien zulegten.

Das Team vom MDR-AKTUELL-Format "Klartext" ist unter anderem dieser Frage nachgegangen. Das Ergebnis: Briefwahl ist nicht bei allen Wahlberechtigten gleichermaßen beliebt. Besonders unbeliebt sei sie bei AfD-Wählerinnen und AfD-Wählern. Mehr dazu gibt's im Clip:

Klartext Briefwahlboom 9:16 1 min
Bildrechte: MDR/Auert
1 min

Immer mehr Menschen wählen per Brief – außer eine ganz bestimmte Wählergruppe.

Mo 05.08.2024 12:21Uhr 00:50 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wahlen/video-klartext-briefwahl100.html

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Gleichzeitig gibt es durchaus auch Verfassungsrechtlerinnen und Verfassungsrechtler, die die Briefwahl per se nicht problematisch finden, ihre wachsende Beliebtheit aber schon. Andere Expertinnen und Experten verweisen darauf, dass die Briefwahl den Zugang erleichtern und die Wahlbeteiligung erhöhen könne; und nur wenige Fälle von Wahlbetrug bekannt seien.

Wahlkabine im Wahllokal 2 min
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2 min

MDR THÜRINGEN JOURNAL Mo 12.08.2024 19:00Uhr 01:57 min

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Warum die meisten eher Vorteile sehen

Für Christian (57) aus dem Landkreis Mittelsachsen ist die Briefwahl die einzige Möglichkeit, die ihm garantiert, bei jeder Wahl seine Stimme abgeben zu können: "Ohne Briefwahl könnte ich als Notdienstler an dem Wochenende meine Stimme nie abgeben. Man muss die Briefwahl respektieren und dauerhaft zulassen."

Katharina (24) aus Nordsachsen schätzt an der Briefwahl, dass man rund um den 1. September unterwegs sein kann: "Ich habe es auch in diesem Jahr genutzt, da ich zum Tag der Wahl noch in Urlaub bin. Zudem werden lange Warteschlangen an den Wahllokalen vermieden."

Auch Jennifer (30) aus Gera findet es gut, dass sie nicht in der Schlange stehen muss, um von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen - und weist auf einen weiteren Vorteil hin: "Ich nutze die Möglichkeit regelmäßig, um in Ruhe zu Hause mit entsprechender paralleler Internetrecherche Kandidaten der Landesliste abzugleichen und das Wahlprogramm nochmal zu studieren."

Und ganz allgemein bemerkt Dorit (28) aus Jena dazu: "Ich finde Briefwahl wichtig, denn es senkt die Hürde an der Wahl teilzunehmen." Das sei wichtig, meint sie, weist aber auch auf das Problem hin, dass niemand kontrollieren könne, ob beim Briefwählen das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt.

Und Marco (29) aus dem Landkreis Meißen findet sogar, Briefwahl sollte Standard werden: "Warum sollte man noch in das Wahllokal? Es sollte eher die Regel werden, per Brief, oder noch besser online, seine Stimme abzugeben."

Stimme ändern unmöglich

Wer schon Wochen vorher per Brief wählt, kann seine Stimme nicht mehr auf kurzfristige Ereignisse, Aussagen und Entwicklungen anpassen. Doch das Problem sehen viele Befragte im MDRfragt-Stimmungsbild nicht: "Wahlentscheidungen sollten nicht nach Tageslaune getroffen werden, daher sehe ich kein Problem darin, seine Stimme ein paar Tage oder Wochen vorher abzugeben", meint etwa Jens (47) aus Mittelsachsen.

Und Olaf (52) aus dem Eichsfeld schreibt: "In den meisten Fällen ist man vorher sowieso schon sicher, wen man wählen will. Ob ich da meine Entscheidung per Briefwahl oder im Wahllokal kundtue, spielt da eher eine untergeordnete Rolle."

Doch es gibt auch Gegenstimmen, wie die von Jakob (35) aus Erfurt, der seine Skepsis gegenüber der Briefwahl vor dem Wahltag so begründet: "Ich finde es nicht okay, weil sich bis zum Wahltag viel ändern kann."

Über diese Befragung Die "Frage der Woche - zur Landtagswahl" vom 6. bis 8. August 2024 stand unter der Überschrift: "Briefwahl statt Wahllokal: praktisch oder problematisch".

Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen. Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ.

Bei dieser Befragung haben sich 16.056 Menschen aus Sachsen und Thüringen online mit ihrer Meinung eingebracht.

Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland. MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.

Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie am Ende des Artikels.

MDR fragt 1 min
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Di 02.07.2024 15:29Uhr 00:57 min

https://www.mdr.de/nachrichten/mitmachen/mdrfragt/video-MDRfragt-long-sie-quer-100.html

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