MDRfragt zum Krieg in der Ukraine Überwiegende Mehrheit befürwortet bessere Ausstattung der Bundeswehr
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08. März 2022, 05:00 Uhr
Die Bundeswehr sollte besser ausgestattet werden – und zwar finanziell und personell. Das finden zwei Drittel der MDRfragt-Mitglieder, wie die aktuelle Befragung mit knapp 33.000 Teilnehmenden aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zeigt. Zudem ist die Sorge im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine im Vergleich zu den vorherigen Befragungen noch einmal deutlich gewachsen.
Der Krieg in der Ukraine führt in Deutschland zu Diskussionen, unter anderem über den Zustand der Bundeswehr. Bundeskanzler Olaf Scholz hat nun angekündigt, dass die Bundeswehr 100 Milliarden Euro als Sondervermögen für Investitionen und Rüstungsvorhaben erhalten soll. Dieses Vorhaben findet die Mehrheit (61 Prozent) der Befragungsteilnehmenden richtig. Rund ein Drittel (35 Prozent) findet es dagegen falsch.
In den Kommentaren erklären die Teilnehmenden, warum sie den Sonderetat für die Bundeswehr befürworten:
Ich finde 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr fast noch zu wenig, in Anbetracht des schlechten Zustandes des Materials.
Es ist lange Jahre bekannt, dass die Bundeswehr begrenzt einsatzbereit ist. Mit Milliarden kann man den technischen Zustand der BW verbessern; aber wir brauchen auch Armisten, die physisch gestählt, psychisch stabil und in der Lage sind, dann modernste Waffen zu beherrschen.
Das angekündigte Sondervermögen stößt jedoch nicht bei jedem auf Verständnis:
Wie soll dies finanziert werden? Die Reaktion der Bundesregierung ist völlig überzogen, gleichwohl muss sichergestellt sein, dass die Bundeswehr einsatzfähig bleibt.
Das finde ich persönlich einen Schnellschuss der Bundesregierung. Was soll dieses Geld jetzt schnell bringen? Es müsste auch erstmal wieder eine richtige Infrastruktur aufgebaut werden, das wird aber sicher nicht gewollt sein, da alles immer internationaler werden soll (auf EU-Ebene).
Mehr als zwei Drittel befürworten neue Dienst- und Wehrpflicht
Auch auf personeller Ebene wünschen sich die MDRfragt-Mitglieder Verbesserungen bei der Bundeswehr. Die Wehrpflicht ist in Deutschland zwar seit mehr als zehn Jahren ausgesetzt, derzeit wird aber über eine neue "Dienstpflicht" diskutiert: Dabei geht es um ein verpflichtendes Jahr für junge Männer und Frauen - wahlweise als Wehrpflicht bei der Bundeswehr oder als verpflichtender Dienst beispielsweise im sozialen Bereich, bei Hilfsorganisationen oder Vereinen. Dieses Modell befürworten mehr als zwei Drittel der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben (69 Prozent). Die aktuelle weltpolitische Lage spielt dabei nur für einen kleinen Teil eine Rolle (15 Prozent) – der Großteil befürwortet ein verpflichtendes Dienstjahr ganz unabhängig davon (54 Prozent). 28 Prozent lehnen die Idee jedoch gänzlich ab.
In den Kommentaren beschreiben die Teilnehmenden, was sie sich von einer Dienstpflicht erhoffen – nicht nur im militärischen, sondern auch im sozialen Bereich:
Ich sehe in einer Dienstpflicht für junge Menschen nach der Schule zum einen die Möglichkeit, sich beruflich zu orientieren. Zum anderen könnte so wieder mehr Heterogenität innerhalb der Bundeswehr geschaffen werden, wenn nicht nur Menschen mit einer hohen Affinität für Militärisches freiwillig zur Bundeswehr gehen, sondern auch 'normale' Menschen.
Eine Dienstpflicht für alle jungen Menschen wäre gerecht und ein Zeichen, dass sie zu ihrem Heimatland stehen und sich dort einsetzen lassen, wo sie etwas bewirken können und gebraucht werden.
Es gibt aber auch Teilnehmende, die eine Dienst- bzw. Wehrpflicht kritisch sehen:
Ich lehne eine Wehrpflicht allgemein ab. Die Dienstpflicht übt einen Zwang auf junge Menschen aus, der meines Erachtens nach nicht sinnvoll ist. Ein entsprechend attraktives Angebot nach der Schulzeit für die einjährige Arbeit im sozialen/ medizinischen/ ökologischen Bereich halte ich dagegen für denkbar.
Ein Wehr- oder Dienstpflicht entspannt die Situation nur minimal, da es das Grundproblem der fehlenden Fachkräfte nicht ausgleicht. Menschen, die einen Dienst dort absolvieren und keine Ausbildung erhalten haben, können nur unzureichend eingesetzt werden. Das Problem fehlender Leute mit fachlichen Qualifikationen wird somit ausgeblendet.
Sorge der MDRfragt-Mitglieder deutlich gewachsen
Fast allen MDRfragt-Mitgliedern (93 Prozent), die sich an der Befragung beteiligt haben, bereitet die Entwicklung im Ukraine-Krieg Sorgen. Der Anteil derer, die sich Sorgen machen, ist damit seit Beginn unserer Befragungen zu diesem Thema mit jeder Erhebung angestiegen.
In den Kommentaren beschreiben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Sorgen und Ängste:
Ich bin wütend, traurig, entsetzt, hilflos... und ich frage mich, warum diesen machtbesessenen, menschenverachtenden Bastard keiner stoppt. Ideen hab ich dafür keine, wenn Worte und Sanktionen nicht mehr helfen, müssen es vielleicht Taten sein.
Mich bewegt das menschliche Leid, das Putin mit dem Militärschlag anrichtet. Vor allem wenn ich die Bilder von den Zerstörungen sehe, Menschen die fluchtartig das Land verlassen, die vielen Kinder, die von heute auf morgen ihre Kindheit verloren haben. Es ist beängstigend nicht zu wissen, was als nächstes kommt.
Sowohl das Schicksal der in das Feindfeuer geschickten russischen Soldaten als auch das Leid der ukrainischen Bevölkerung im Angesicht des unbarmherzigen Kriegswillens Russlands sind schwer in Worte zu fassen. Ich finde es erstaunlich, wie schnell und stark die Weltgemeinschaft darauf reagieren kann. Das macht auf der einen Seite sehr froh und auf der anderen verärgert die Tatsache, dass es so einer dramatischen Situation bedurfte, um die gefühlt eingestaubten Regierungserklärungen endlich in Taten umzusetzen.
Mehr als drei Viertel sorgen sich vor militärischem Eingriff weiterer Staaten
Vor allem die Möglichkeit, dass andere Staaten oder Bündnisse in der Krisenregion militärisch eingreifen könnten, bereitet einem Großteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer große oder sehr große Sorgen (79 Prozent).
Auch dass Russland unter der Führung von Putin weitere Länder in Europa angreifen könnte, stimmt zwei Drittel sorgenvoll (66 Prozent). Nahezu ähnlich viele machen sich große oder sehr große Sorgen hinsichtlich des Einsatzes von Atomwaffen (67 Prozent).
Ihre Gedanken zur atomaren Bedrohung teilen die MDRfragt-Mitglieder in den Kommentaren mit:
Angsteinflößend ist der Gedanke, dass irgend ein I... den Knopf drückt und Europa und die Welt vor einem Atomkrieg stehen.
Der Beschuß von AKWs macht mir Sorgen. Momentan mehr als der berühmte rote Knopf.
Der Einsatz von Atomwaffen ist unwahrscheinlich, da er das Ende der Erdbevölkerung nach sich ziehen würde.
Knapp die Hälfte findet Reaktionen der deutschen Bundesregierung angemessen
Wir wollten von den Befragten wissen, wie sie die Reaktionen der Bundesregierung auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine finden. Etwa die Hälfte (49 Prozent) finden sie angemessen, für 28 Prozent gehen sie jedoch zu weit. 16 Prozent fordern dagegen ein noch stärkeres Engagement der Bundesregierung.
Waffenlieferungen an die Ukraine: MDRfragt-Gemeinschaft geteilter Meinung
Die Entscheidung der deutschen Bundesregierung, Waffen an die Ukraine zu liefern, findet die Hälfte (49 Prozent) zwar richtig. Fast genauso viele (47 Prozent) jedoch finden diese Entscheidung falsch.
Geteilte Meinung zum EU-Beitritt der Ukraine
Die Ukraine hat die EU-Mitgliedschaft beantragt, das EU-Parlament befürwortet einen möglichen Beitritt des Landes. Die MDRfragt-Gemeinschaft ist bei diesem Thema geteilter Meinung: Die Anteile der Befürworter und Gegner sind gleich groß (46 Prozent).
Über diese Befragung
Die Befragung vom 04.03.- 07.03.2022 stand unter der Überschrift:
Waffenlieferungen, Wehrpflicht, Aufrüstung - Wie soll Deutschland auf den Krieg in der Ukraine reagieren?
Insgesamt sind bei MDRfragt 59.757 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 07.03.2022, 9.30 Uhr).
32.969 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 543 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 5.428 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 13.713 Teilnehmende
65+: 13.285 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 17.189 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 7.992 (24 Prozent)
Thüringen: 7.788 (24 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 14.792 (45 Prozent)
Männlich: 18.110 (55 Prozent)
Divers: 67 (0,2 Prozent)
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.
Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 07. März 2022 | 16:00 Uhr