MDRfragt Drei Viertel fordern mehr Beachtung ostdeutscher Interessen in Bundespolitik

19. Januar 2022, 05:00 Uhr

Die Belange der Menschen in Ostdeutschland werden in der Bundespolitik zu wenig beachtet: Das findet die deutliche Mehrheit der MDRfragt-Teilnehmer. Durch die neue Bundesregierung fühlen sich die meisten als Ostdeutsche nicht gut vertreten. Einen Ostbeauftragten braucht es ihrer Meinung nach auch noch heute, 31 Jahre nach der Wiedervereinigung. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen MDRfragt-Befragung, an der sich mehr als 32.500 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beteiligt haben.

Die Herausforderungen des Lebens in den neuen Ländern, die speziellen Interessen der Ostdeutschen, kurz: Das, was die Menschen hier ausmacht und umtreibt, wird von der Bundespolitik nicht ausreichend beachtet. Das finden fast drei Viertel der mehr als 32.500 MDRfragt-Mitglieder, die sich an der aktuellen Befragung beteiligt haben.

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Fast zwei Drittel fühlen sich als Ostdeutscher mit der neuen Bundesregierung nicht gut vertreten

Derzeit gibt es in der neuen Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz zwei Ministerinnen, die eine ostdeutsche Biographie haben.

Als Bewohnerinnen und Bewohner eines ostdeutschen Bundeslandes fühlen sich knapp zwei Drittel nicht gut vertreten. 29 Prozent finden das dagegen schon.

Mehrheit findet einen Ostbeauftragten immer noch wichtig

Umso wichtiger ist es für mehr als die Hälfte (57 %), dass es auch 31 Jahre nach der Wiedervereinigung noch einen Ostbeauftragten der Bundesregierung gibt. Für 38 Prozent wird dieses Amt dagegen nicht mehr gebraucht.

Viele MDRfragt-Mitglieder haben uns in ihren Kommentaren geschrieben, weshalb sie den Ostbeauftragten nach wie vor für notwendig halten:

Die Frage nach einem Ostbeauftragten beantwortet sich von selbst, wenn man mit offenen Augen durch das Niedriglohnland "Osten" fährt, wo die Industrie in der Lausitz z.B. derzeit wieder einmal großflächig geschleift werden soll.

Enrico G., 48 Jahre, Landkreis Bautzen

Weil der Osten im politischen Leben leider immer noch unterrepräsentiert ist.

Mandy L., 45 Jahre, Vogtlandkreis

Vielleicht als Moderator, um unversöhnlich wirkende Meinungen und Vorstellungen gemeinsam zu formulieren und ein Verständnis dafür zu entwickeln.

John E., 51 Jahre, Halle

Andere haben uns dagegen geschrieben, warum es in ihren Augen heute keinen Ostbeauftragten mehr braucht:

Irgendwann ist auch eine Wiedervereinigung einmal beendet. Wir sollten gemeinsam an den aktuellen Problemen und deren Lösung arbeiten.

Daniel L., 45 Jahre, Landkreis Zwickau

Es braucht keine Ostbeauftragten, sondern einen Beauftragten, der sich um vernachlässigte Regionen im Allgemeinen kümmern soll, unabhängig vom Bundesland.

Thomas M., 43 Jahre, Landkreis Gotha

Dieser überflüssige Posten hat in meinen Augen noch nichts gebracht, weder bei der Angleichung der Bezahlung noch sonst irgendwo. Kostet nur Steuergeld!

Matthias R., 51 Jahre, Salzlandkreis

An den neuen Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), haben einige MDRfragt-Mitglieder ihre konkreten Erwartungen formuliert:

Dass er sich auch wirklich um die Sache kümmert und nicht nur eine Show draus macht. Bislang wurden leider immer nur Leute auf solche Stellen gesetzt, die absolut keine Ahnung davon haben, was normale Menschen machen und welche Probleme wir haben.

Martin W., 49 Jahre, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge

Die Wirtschaft muss im Osten viel mehr gestärkt werden, damit unsere gut ausgebildeten Kinder hier bleiben und nicht in die alten Bundesländer auswandern und dort Familie gründen. Die Entwicklung ist perspektivisch eine Katastrophe für den Osten.

Kerstin D., 55 Jahre, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt 

Er muss die Belange und Befindlichkeiten der Ostdeutschen im direkten Gespräche mit den Menschen erkunden. Foren, Bürgersprechstunden und Kontakte mit den gewählten Bürgervertretern sind mögliche Aktivitäten.

Harald L., 71 Jahre, Dresden

Mehr als die Hälfte findet nicht, dass die Deutschen zu einer Nation zusammengewachsen sind

61 Prozent der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer finden nicht, dass die Deutschen seit der Deutschen Einheit zu einer Nation zusammengewachsen sind. 36 Prozent finden das dagegen schon.

Und so sind es für die Mehrheit (59 %) auch die Unterschiede zwischen Ost und West, die heute noch überwiegen. Rund ein Drittel (30 %) finden dagegen, die Gemeinsamkeiten überwiegen.

Mehrheit findet, Ostherkunft hat vor allem auf Karrierechancen und Vermögen negative Auswirkungen

Wir haben die Befragten gebeten, an die Kinder zu denken, die nach der Wende in Ostdeutschland geboren wurden und aufgewachsen sind. Die Tatsache, dass sie aus dem Osten kommen, hat nach Einschätzung der Mehrheit auf einige Aspekte negative Auswirkungen:

  • So glauben 62 Prozent, dass die Ostherkunft negative Auswirkungen auf Vermögen und Eigentum hat.

  • Nahezu gleich viele (61 %) sehen ebenfalls negative Auswirkungen auf Verdienstmöglichkeiten und Karrierechancen.

  • Auf den Bildungsweg dagegen hat die Ostherkunft für mehr als die Hälfte heute keine Auswirkungen mehr.

Über diese Befragung Die Befragung vom 11.01.- 14.01.2022 stand unter der Überschrift:

Impfplicht und Proteste - schreitet die Gesellschaftsspaltung durch Corona voran?

Insgesamt sind bei MDRfragt 49.867 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 14.01.2022, 10 Uhr).

32.559 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen, darunter 3.945 aus dem Gesundheitsbereich.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 651 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 6.243 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 12.665 Teilnehmende
65+: 13.000 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 17.137 (53 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 7.686 (24 Prozent)
Thüringen: 7.736 (24 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 15.461 (48 Prozent)
Männlich: 17.033 (52 Prozent)
Divers: 65 (0,2 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 19. Januar 2022 | 16:00 Uhr