MDRfragt Rückenwind für Forderung nach mehr Polizeibefugnissen
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08. Januar 2025, 08:35 Uhr
Nach dem Anschlag in Magdeburg wird gefordert, der Polizei mehr Eingriffe zu gestatten, um Taten zu verhindern. Beim MDR-eigenen Meinungsbarometer findet das ein Großteil gut. Doch je jünger die Befragten sind, desto eher gibt es auch Skepsis.
- In Sachsen-Anhalt ist die Zustimmung zu mehr Polizeibefugnissen besonders groß.
- Befragte wollen vor allem einen strengeren Umgang mit Gefährdern und einen besseren Informationsfluss.
- Es gibt wenig Vertrauen in die Bundesebene, wenn es um innere Sicherheit geht — aber viel Klärungsbedarf.
Gut zweieinhalb Wochen nach dem tödlichen Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt zeigt ein aktuelles Stimmungsbild aus dem MDR-Sendegebiet viel Zuspruch für die Forderung, der Polizei mehr Befugnisse einzuräumen.
Im aktuellen MDRfragt-Meinungsbarometer gaben mehr als vier von fünf Befragten (gesamt: 83 Prozent) an, eine Ausweitung der Überwachungs- und Eingriffsrechte der Polizei zu befürworten. Nur etwas mehr als jede und jeder Zehnte (12 Prozent) sieht das kritisch.
Noch höherer Zuspruch in Sachsen-Anhalt
Dabei war der Anteil der Befürworterinnen und Befürworter in Sachsen-Anhalt (87 Prozent) noch ein bisschen größer als in den anderen beiden Bundesländern (Sachsen: 83 Prozent; Thüringen: 82 Prozent). Zudem zeigt sich: Je jünger die Befragten sind, desto eher sind sie dagegen, die Befugnisse für die Polizei zu erweitern.
In der Altersgruppe der Unter-30-Jährigen sprach sich noch fast jede und jeder Vierte (22 Prozent) eher dagegen aus, der Polizei mehr Eingriffs- und Überwachungsmöglichkeiten einzuräumen, um Straftaten zu verhindern. Zum Vergleich: Bei den Über-65-Jährigen war der Anteil derjenigen, die gegen mehr Polizeibefugnisse sind, weniger als halb so groß (8 Prozent).
Alle Ergebnisse, auch nach Bundesländern und Altersgruppen, finden Sie wie immer in unserer Übersicht zum Download — auch am Ende dieses Artikels.
Hinweis
Die Stimmungsbilder von MDRfragt sind auch dank der hohen Teilnehmendenzahl aussagekräftig.
Dieses Mal sind es fast 23.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Da alle MDRfragt-Mitglieder ihre Meinung einbringen können und sollen, werden keine Zufalls-Stichproben gezogen.
Die Ergebnisse sind damit nicht repräsentativ. Um mögliche Verzerrungen durch die Zusammensetzung der Befragten zu verringern, werden die Befragungsergebnisse nach bewährten wissenschaftlichen Methoden gewichtet. Zudem erlauben die Begründungen und Kommentare der Befragten, die Stimmungstendenzen einzuordnen. Mehr zur Methodik von MDRfragt am Ende des Artikels.
Wer gegen mehr Polizeibefugnisse ist, argumentiert zum Beispiel so wie Tobias (21) aus dem Landkreis Leipzig: "Ich befürchte, dass derartige Anschläge als Vorwand missbraucht werden könnten, um eine unverhältnismäßig starke Überwachung der Bevölkerung zu rechtfertigen."
Aus seiner Sicht liegt das Problem woanders: "Die Polizei darf schon jetzt sehr viel. Ihr mangelt es also nicht an rechtlichen Möglichkeiten, sondern an Personal, geeigneter Ausstattung und finanziellen Ressourcen."
Was Gegner von mehr Befugnissen sagen
Kristian (32) aus Leipzig glaubt: "Alle rufen nach mehr Polizei oder Abschiebung, nichts davon wird das Problem lösen. Es braucht Integration und Prävention."
Niklas (26) aus Halle argumentiert: "Stand jetzt gab es mehrere Stellen, an denen staatliche Stellen mit ihren bisherigen Möglichkeiten die Tat verhindern hätten können. Mehr Befugnisse hätten also vermutlich wenig verhindert."
Auch Frederik (23) aus Leipzig glaubt nicht, dass mehr Befugnisse der Polizei den Anschlag verhindert hätten: "Dass dieses Attentat nicht verhindert wurde, lag doch nicht daran, dass die Polizei nicht schnell genug schießen durfte, sondern daran, dass Warnungen und Radikalisierung nicht ernst genommen wurden."
Manche, wie Britta (44) aus dem Landkreis Sömmerda, haben in dieser Frage noch keine abschließende Meinung. Sie wägt ab: "Ich weiß es wirklich nicht, denn der aktuelle Fall passt einfach nicht ins Raster beziehungsweise gab es ja diverse Alarmzeichen. Wenn da das Puzzle nicht vervollständigt wird, hat das meines Erachtens eher mit anderen Themen als Vorratsdatenspeicherung et cetera zu tun."
Zudem schreibt sie, als Psychologin finde sie, einige Komponenten kämen in der Debatte derzeit viel zu kurz: "Es ruft bisher niemand nach besserem und schnellerem Zugang zu Psychotherapie und Diagnostik. Es handelt sich ja gegebenenfalls um eine Tat, die im Wahn begangen wurde und weniger um einen klassischen Anschlag."
Auch Thomas (45) aus dem Erzgebirgskreis ist hin- und hergerissen: "Prinzipiell bin ich eigentlich gegen stärkere staatliche Überwachung, da ich mich noch an die Zustände zu DDR-Zeiten zurückerinnern kann und diese definitiv nie wieder erleben will", nennt er seine Position. Und ergänzt: "Allerdings geht es derzeit in erster Linie darum, Anschläge zu verhindern und Menschenleben zu retten. Zumindest für eine begrenzte Zeit würde ich es deswegen akzeptieren, wenn die Befugnisse der Polizei erweitert würden."
Was für mehr Befugnisse spricht
Für Julia (24) aus dem Landkreis Görlitz gibt es hingegen schon Hinweise darauf, dass die Polizei mehr Befugnisse und Überwachungsmöglichkeiten gebrauchen könnte: "Hinweise zu möglichen Anschlägen stammen fast nur aus dem Ausland. Deutschland scheint einfach zu wenig zu tun und zu strenge Gesetze zu haben, um so etwas aufdecken zu können."
Von Martin (33) aus dem Salzlandkreis kommt ein immer wieder auftauchendes Argument: "Ich wohne auf dem Land und habe nichts zu verbergen. Wenn die Polizei mehr Befugnisse braucht, dann kann sie diese meinetwegen gerne haben. Wir sind doch eh schon gläsern."
Andere sind differenzierter und würden die zusätzlichen Spielräume für die Polizeiarbeit gern klar definieren. Matthias (45) aus Leipzig meint: "Die Polizei braucht unbedingt mehr Befugnisse. Zum Beispiel Gesichtserkennung an und um sensible Orte wie Bahnhöfe und stark frequentierte Orte. Oder dort, wo die bekannte Klientel sich aufhält."
Einige MDRfragt-Mitglieder, darunter auch Kathy (44) aus Leipzig wünschen sich grundsätzlich mehr Respekt und Rückendeckung für die Polizei: "Die Polizei – egal ob auf Landesebene oder Bundesebene – hat einen harten Job. Ich finde, dass es manchmal kein einfacher Weg ist für Polizisten zu entscheiden, was sie dürfen und was nicht."
Schärfere Gesetze, mehr Absperrungen — was soll jetzt passieren?
Kurz vor Weihnachten war ein 50-Jähriger mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast. Dabei wurden fünf Frauen und ein Kind getötet und knapp 300 Menschen verletzt. Der Mann aus Saudi-Arabien sitzt in Untersuchungshaft.
Direkt nach der Tat gab es neben Trauer und Fassungslosigkeit auch politische Diskussionen darum, wie der Anschlag passieren konnte — und was passieren muss, um solche Taten zu verhindern.
Aus Sicht der MDRfragt-Gemeinschaft gäbe es vor allem zwei Bereiche, in denen sie diskutierte Maßnahmen sinnvoll finden: Mit Blick auf sogenannte Gefährder, also Personen, denen die Polizei schwere (politisch motivierte) Straftaten zutraut — und mit Blick auf den Informationsfluss zwischen den Sicherheitsbehörden.
Wie diese Grafik zeigt: Als sinnvollste Maßnahme sieht die MDRfragt-Gemeinschaft an, dass die Polizei sogenannte Gefährder strenger überwacht (78 Prozent). Auch der Informationsaustausch zwischen den Polizeibehörden von Bund und Ländern (76 Prozent) sowie mit ausländischen Sicherheitsbehörden (71 Prozent) findet ein Großteil sinnvoll. Rund zwei Drittel der Befragten sind dafür, Gefährder ohne deutschen Pass auszuweisen, bevor sie schwere Straftaten begehen können (65 Prozent).
Die Forderung, Veranstaltungen im Freien noch besser abzusperren und zu sichern (32 Prozent), überzeugt im MDRfragt-Stimmungsbild am wenigsten. Auch die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts (33 Prozent) und das Zurückdrängen von Hass und Hetze im Netz (40 Prozent) hält jeweils nur eine Minderheit für sinnvoll.
In der MDRfragt-Gemeinschaft machen sich viele Gedanken darüber, ob und welche Konsequenzen jetzt die richtigen wären. Dabei haben sich auch viele Menschen aus der Stadt zu Wort gemeldet, in der der Anschlag passiert ist.
Stimmen aus Magdeburg
Anja (41) aus Magdeburg meint: "Jeder, der geflüchtet ist, hat mit Sicherheit Schreckliches erlebt. Mir ging es nach dem Anschlag schon psychisch nicht gut, wie soll es denn Leuten gehen, die Krieg und eine Flucht erlebt haben. Da müsste man ran, dort müsste man investieren um diesen Menschen auch auf psychischer Ebene zu helfen, um solche Anschläge zu verhindern."
Ich finde, eine Antwort auf diesen Anschlag ist eine offene und vielfältige Gesellschaft. Keine, die aus Angst noch mehr Mauern baut.
Auch Inga kommt aus Magdeburg, sie wünscht sich: "Ich möchte in einem Europa leben, dass weiterhin keine/kaum Grenzkontrollen kennt, das human und vor allem menschlich mit Menschen umgeht, die aus ihren Ländern fliehen und bei uns Schutz sucht. Zumal wir diese Menschen aufgrund der demografischen Entwicklung gerade im Osten Deutschlands brauchen. Ich finde, eine Antwort auf diesen Anschlag ist eine offene und vielfältige Gesellschaft. Keine, die aus Angst noch mehr Mauern baut."
Andere, wie Stefanie (44), die auch in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt lebt, wünscht sich jetzt erst einmal praktische Unterstützung vor Ort: "Es braucht Anlaufstellen für Traumata. Wir als Stadt sind traumatisiert. Wir brauchen Hilfe. Wohin kann ich traumatisierte Anwohner schicken? Wer behandelt sie und wo? Wie intensiv?"
Ihren Unmut über mehr physische Sperren bei öffentlichen Veranstaltungen bringt etwa Kristin (40) aus Magdeburg zum Ausdruck und wünscht sich stattdessen mehr Härte gegen Personen, die die Polizei als gefährlich einstuft: "Ich möchte nicht, dass eine Veranstaltung zu einem Hochsicherheitsgefängnis wird. Lieber sollen gefährliche Personen ausgemacht und entweder eingesperrt oder abgeschoben werden."
Viele nachdenkliche Kommentare
Nicht nur Louise (40) aus Dresden zeigt sich eher ratlos: "Die Frage ist, was man denn da machen soll. Klar, wenn es Migranten sind, kann man die Leute gegebenenfalls abschieben. Aber wenn es diese Möglichkeit nicht gibt, soll man dann potenzielle Täter über Jahre präventiv einsperren? 24 Stunden am Tag überwachen? Mir fehlt da echt die Idee, wie genau man da Sicherheit bekommen will."
Für Lukas (23) aus Halle gilt: "Sicher muss der Anschlag von Magdeburg noch weitreichender aufgearbeitet werden. In den vergangenen Wochen wurde ja aber schon deutlich, dass die Kommunikation zwischen verschiedenen Behörden und Ämtern nicht ausreichend gut war, um diese Gefahr zu bannen." Lukas argumentiert, dass dieser Eindruck das Vertrauen in die Arbeit der Sicherheitsbehörden schmälert.
Ein 34-jähriger MDRfragt-Teilnehmer aus dem Saalekreis findet: "Es gibt zu viele Behörden und keine Koordinierung. Die erste Frage: Wer ist zuständig – und bevor das klar ist, ist es dann oft zu spät. Straffe einheitliche Organisation und dann läuft die Sache."
Juristische und gesetzliche Konsequenzen sollten folgen! Solche Attentäter wie in Magdeburg sollten schon im Vorfeld, bei Ausstoßung der ersten Drohung, in Gewahrsam genommen werden dürfen.
Zu jenen, die sich einen härteren Umgang und mehr Polizeibefugnisse im Umgang mit sogenannten Gefährdern wünschen, gehört Lukas (24) aus dem Wartburgkreis: "Wenn jemand als Gefährder gelistet ist, sollte dieser auch eindringlich überprüft werden dürfen." Noch weiter geht Sandy (40) aus Leipzig: "Juristische und gesetzliche Konsequenzen sollten folgen! Solche Attentäter wie in Magdeburg sollten schon im Vorfeld, bei Ausstoßung der ersten Drohung, in Gewahrsam genommen werden dürfen."
Immer wieder kommt das Argument, es fehlt an Geld und Ressourcen, vor allem bei den Ländern. Auch Florian (34) aus dem Landkreis Börde teilt diese Meinung und schreibt: "Wenn die Länder entsprechend finanziell ausgestattet wären, um die Sicherheitsbehörden adäquat zu unterhalten und der Bund den Weg für eine konsequente Ausweisung auffälliger Personen freimachen würde, wäre wohl ein erster Schritt, der Lage wieder Herr zu werden. Das Land weiß sicherlich, wie es geht, aber ohne ausreichende Befugnisse und Ressourcen ist es nur bedingt handlungsfähig."
Und nicht wenige sehen es wie Thomas (45) aus dem Kyffhäuserkreis, der argumentiert, der Anschlag sei ein weiteres Indiz dafür, dass Deutschland eine striktere Asyl- und Migrationspolitik fahren sollte: "Der Anschlag in Magdeburg ist nur das neueste Glied einer langen Kette von Angriffen und Anschlägen durch Zugereiste in Deutschland. Es muss ehrlich und kritisch thematisiert werden, wie es beim Thema Migration in Deutschland auf lange Sicht weitergehen soll."
Landesinnenministerin stellt sich Diskussion
Zur Frage, ob der Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt hätte verhindert werden können, ging es am Mittwoch bei einen Themenabend im MDR Fernsehen. Sowohl in einer Reportage als auch in der Talksendung "FAKT IST!" unter dem Motto "Nach dem Anschlag" ging es um offene Fragen und notwendige Konsequenzen. Bei dem Bürgertalk konnte das Publikum mitdiskutieren, unter anderem mit der zuständigen Landesinnenministerin Tamara Zieschang (CDU).
Stimmungsbild zeigt: Mehr Vertrauen in Landesregierung als in Bund
Laut MDRfragt-Stimmungsbild trauen die Befragten den Ländern in Sachen innere Sicherheit deutlich mehr zu als der Bundesebene. So gab jede und jeder Dritte an, eher Vertrauen in die Landesregierung zu haben, wenn es um die innere Sicherheit geht. Am höchsten ist der Anteil in Sachsen (34 Prozent), gefolgt von Sachsen-Anhalt (27 Prozent) und Thüringen (25 Prozent).
Der Bundespolitik vertrauen hingegen in Sachen innere Sicherheit weniger als einer von fünf Befragten (17 Prozent). Der Großteil (81 Prozent) ist skeptisch.
So meint etwa Jannik (22) aus dem sachsen-anhaltischen Landkreis Mansfeld-Südharz: "Ich persönlich kann schlecht einschätzen, was die Landesregierung so für die Sicherheit macht. Was ich allerdings merke, ist, dass der Bund weiß, es gibt diese vielen Gefährder in dem Land – und es wird so gut wie nichts gemacht. Es heißt dann immer nur, der Täter war bekannt und man wusste von der Bedrohung."
Andere äußern ein grundsätzliches Unbehagen und Misstrauen, so wie Heidi (40) aus Magdeburg: "Wenn jemand etwas Schreckliches machen will, dann wird er Wege finden. Das war mir schon lange bewusst. Nur habe ich bisher auf das deutsche Schutz- und Sicherheitssystem vertraut. Dass aus anderen schrecklichen Vorfällen gelernt wurde. Aber anscheinend ist das nicht der Fall."
Und Alexandra (26) aus Erfurt begründet ihr geringes Vertrauen in die Lösungen der Bundesebene für mehr innere Sicherheit so: "Es herrscht eine große Unzufriedenheit und Wut in der Gesellschaft, die sich nach und nach auf Unschuldige auswirkt durch solche Taten. Die Politik erscheint unfähig, mit den gesellschaftlichen Herausforderungen umgehen zu können beziehungsweise Hilfe für psychisch Kranke einzurichten – und das macht mir Angst."
Dagegen stellt sich für Richard (37) aus Leipzig die Frage nach mehr innerer Sicherheit nicht. Er teilt seine sehr grundsätzliche Überlegung so mit: "Das Leben in einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft bringt Risiken mit sich, die ich gegenüber dem immer engeren Netz von Überwachung und Angst bevorzuge. Ich möchte gar nicht, dass mehr für die Sicherheit getan wird."
Geringes Vertrauen, aber viel Redebedarf
Obwohl die Befragten größtenteils angeben, der Bundespolitik wenig in Sachen innere Sicherheit zuzutrauen, wünscht sich ein großer Teil im MDRfragt-Stimmungsbild, dass die Aufarbeitung des Anschlagsgeschehens und notwendige Konsequenzen in den kommenden Wochen im Fokus der Bundespolitik stehen.
Konkret wünschen sich fast zwei Drittel der Befragten, dass die politische Aufarbeitung ein zentrales Thema der kommenden Monate ist und bleibt. Knapp ein Drittel findet das nicht.
So mancher wünscht sich, dass konkret die Aufarbeitung im Vordergrund steht. Einer davon ist Hagen (42) aus dem Wartburgkreis. Sein Wunsch: "Dass eine neutrale, sachbezogene Aufarbeitung stattfindet, ohne schnelle, scheinbare einfach Antworten zu liefern, die einzelne Parteien für ihren Wahlkampf missbrauchen."
Eileen (27) aus dem Landkreis Harz meint, es müsse sich nach dem Anschlag etwas ändern, resümiert aber gleichzeitig: "Eigentlich ist die Reaktion genauso wie nach jedem Anschlag: Es wird tiefe Betroffenheit geäußert, viel geredet und letztendlich nichts gemacht. Und dann folgt der nächste Anschlag." So ähnlich geht es Grit (39) aus Dresden: "Es wäre für mich wichtig, dass auch tatsächlich mal eine Aufarbeitung erfolgt und es nicht wieder auf den nächsten Anschlag verschoben wird."
Für Eva (32) aus dem Landkreis Stendal wäre es wichtig, wenn der Anschlag selbst und auch die Trauer über die Ereignisse präsent bleiben: "Ich bedaure, dass viele Menschen einfach so zur Tagesordnung übergangen sind, während in den Krankenhäusern und Traumaambulanzen die Arbeit noch längst nicht getan ist. Es braucht eine sachliche Aufarbeitung der Geschehnisse und Versäumnisse, um die Traumata verarbeiten zu können. Was es nicht braucht, sind Instrumentalisierungen und Verknüpfung von Themen, die nur bedingt miteinander zu tun haben."
Warum die Bundespolitik den Fokus auf andere Themen setzen sollte
Für einige, wie Sascha (44) aus dem Landkreis Sömmerda, wäre die innere Sicherheit schon der richtige Schwerpunkt, um den sich die Bundespolitik drehen sollte — jedoch nicht mit dem Fokus auf die Konsequenzen aus dem Magdeburger Anschlag. Sein Vorschlag: "Es gilt, Ressourcen zum Kampf gegen organisierte Kriminalität zu nutzen. Einzeltäter sind ohnehin nur schwer zu stoppen, egal wie hoch der Aufwand ist. Was soll das Ergebnis dieser bundespolitischen Debatte sein? Ein psychisch Kranker, der sich radikalisiert."
Zu denjenigen, die finden, andere Themen sollten für die Bundespolitik in den kommenden Monaten eher im Fokus stehen, gehört Dorit (28) aus Jena: "Es ist wichtig, dass man den Anschlag aufarbeitet, um daraus zu lernen, aber das ist der Job der Spezialisten. Aber für die Politik gibt es im Moment wirklich wichtigere Themen, über die mehr diskutiert werden sollte."
Dorit zählt Lösungen für die russische Invasion in der Ukraine und den Krieg in Gaza sowie Ideen für den Klimaschutz und den wirtschaftlichen Aufschwung auf. Ihr Plädoyer: "Perspektivlosigkeit fördert Extremismus. Es gibt genug zu tun. Nur unwissendes Spekulieren, wie man einen Anschlag verhindern kann, bringt das Land nicht weiter."
Und Kristin (28) aus Leipzig meint: "Bundespolitik hat sich mit Bundesthemen zu beschäftigen, die Weihnachtsmarktsicherung hat jede Kommune auf dem Tisch." Dringende Themen aus ihrer Sicht: "Klima, Umwelt, Rente, Digitales und Landwirtschaft".
Über diese Befragung
Die Befragung: "Zwischen Trauer und Aufarbeitung: Wie soll es nach dem Anschlag in Magdeburg weitergehen?" lief vom 2. bis 6. Januar 2025. Insgesamt haben 22.621 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mitgemacht.
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden.
Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen. Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ.
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland. MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | FAKT IST! aus Magdeburg | 08. Januar 2025 | 20:15 Uhr