MDRfragt Energiekrise: Jeder Zweite rückt enger mit Familie und Freunden zusammen
Hauptinhalt
17. Januar 2023, 05:00 Uhr
Viele Menschen stehen durch die Preissteigerungen vor finanziellen Problemen. Die aktuelle Befragung von MDRfragt zeigt: Die Entwicklung hat auch Auswirkungen auf unser Zusammenleben. Während die Unterstützung im engsten privaten Umfeld bei knapp der Hälfte an Bedeutung gewonnen hat, engagiert sich rund ein Viertel gesellschaftlich aktuell weniger als zuvor. Rund 25.000 Menschen aus Mitteldeutschland haben an der nicht repräsentativen, aber gewichteten Befragung teilgenommen.
- Die Hilfe im Familien- und Freundeskreis ist angesichts der Preissteigerungen für knapp jeden zweiten Befragungsteilnehmenden wichtiger geworden.
- Bei rund einem Viertel hat aber das gesellschaftliche Engagement abgenommen.
- Als staatliche Hilfsmaßnahmen wünscht sich die MDRfragt-Gemeinschaft vor allem das Wegwerfverbot für noch essbare Lebensmittel und die Förderung des sozialen Wohnungsbaus.
Für 46 Prozent der MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer ist die Hilfe und Unterstützung im eigenen Familien- und Freundeskreis aufgrund der hohen Preise wichtiger geworden. Für fast ebenso viele – 44 Prozent – ist ihre Bedeutung gleich geblieben. Lediglich vier Prozent bewerten sie als unwichtiger.
Wie sie andere unterstützen bzw. selbst Unterstützung erhalten, berichten einige MDRfragt-Mitglieder in den Kommentaren:
Ich habe früher viel gespendet. Jetzt sind wir Rentner und geben lieber unseren Kindern und Enkeln das Geld. Sie gehen arbeiten und haben immer weniger in der Tasche.
Unsere Dezember-Zahlung haben wir an unseren Sohn weitergeleitet. Er hat drei Kinder und braucht das Geld nötiger als wir.
Ich werde vermutlich immer irgendwie zu Essen haben, da ich viele Freunde habe. Aber es wird eng. Das kostet mich viel Kraft und Energie.
Gesellschaftliches Engagement hat bei einem Viertel abgenommen
Während viele im engsten privaten Kreis die gegenseitige Unterstützung wichtiger empfinden, verhält es sich mit dem gesellschaftlichen Engagement etwas anders: Zwar gibt hier etwas mehr als die Hälfte der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer an, dass ihr gesellschaftliches Engagement 2022 im Vergleich zu den Vorjahren gleich geblieben ist. Bei knapp einem Viertel ist es jedoch weniger geworden. Nur sechs Prozent haben angegeben, dass sie sich nun mehr gesellschaftlich engagieren.
Spendenbereitschaft ist bei einem Drittel gesunken
Auch was die Hilfe und Spenden für den guten Zweck angehen, hat ein gutes Drittel angegeben, dass sie angesichts hoher Preise für sie unwichtiger geworden sind. Für fast ebenso viele ist die Bedeutung der Spendenbereitschaft gleich geblieben. 13 Prozent haben angegeben, dass Hilfe und Spenden für den guten Zweck für sie an Bedeutung gewonnen haben.
Bei 6 von 10 hat sich der Lebensstandard verschlechtert
Bei 61 Prozent der MDRfragt-Teilnehmenden hat die derzeitige Preisentwicklung zu einer Verschlechterung ihres Lebensstandards geführt. Bei mehr als einem Drittel ist dies nicht der Fall.
Wie sehr sie die Preissteigerungen belasten, schreiben die MDRfragt-Teilnehmenden in den Kommentaren:
Ich habe Angst, meine drei Kinder nicht mehr ernähren zu können – als normale Familie mit zwei Vollzeit arbeitenden Eltern.
Wir sind beide Anfang 60 und seit kurzem Rentner wegen Schwerbehinderung bzw. Erwerbsminderungsrente. Wir können nicht zusätzlich arbeiten. Wir sind auf Medikamente angewiesen, was auch einiges an Geld kostet. Sollte alles noch teurer werden, ist bald die Frage, ob wir unser Haus halten können. Dieser Gedanke ist für uns unerträglich.
Einige MDRfragt-Mitglieder bekommen die Preissteigerungen weniger stark zu spüren bzw. versuchen, sich auf andere Aspekte zu konzentrieren:
Zwei Jobs erlauben unserer vierköpfigen Familie zum aktuellen Zeitpunkt nach wie vor einen aus unserer Sicht zufriedenstellenden Lebensstil. Das heißt natürlich, in unserer Garage stehen zwei Ford statt zwei Audi, in den Urlaub fahren wir nach Dänemark statt nach Hawaii. Es ist halt alles auch immer eine Frage, was man daraus macht und wie hoch eben auch die eigenen Ansprüche sind.
Eine Verschlechterung des Lebensstandards wäre nicht das größte Problem, bedenklicher machen mich die Konflikte und Krisen auf dieser Welt. Die Sicherheit, in Frieden leben zu können, bedeutet allein schon eine hohe Lebensqualität.
Sorge vor weiterer Verschlechterung des Lebensstandards
Auch der Blick in die Zukunft bereitet vielen Befragungsteilnehmenden Sorgen. Knapp zwei Drittel haben aktuell Sorge, dass weitere Preisentwicklungen zu einer Verschlechterung ihres jetzigen Lebensstandards führen könnten. Rund ein Drittel teilt diese Sorge jedoch nicht.
Entlastungspakete helfen bislang nur wenigen
Bei der überwiegenden Mehrheit der MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer – 85 Prozent – haben die bisherigen staatlichen Entlastungspakete nicht zu einer spürbaren finanziellen Entlastung geführt. Lediglich bei 12 Prozent war dies der Fall.
Bei denjenigen, die angegeben haben, eine finanzielle Entlastung zu verspüren, hat vor allem die einmalige Zahlung der Energiepreispauschale geholfen: 71 Prozent empfanden sie als hilfreich. Für 60 Prozent brachte die Gas- und Strompreisbremse eine spürbare finanzielle Entlastung.
Wunsch nach Wegwerfverbot für Lebensmittel und der Förderung des sozialen Wohnungsbaus
Um die finanzielle Not zu lindern, befürworten die Befragungsteilnehmenden verschiedene staatliche Maßnahmen. Vor allem sprechen sie sich für ein Wegwerfverbot von noch essbaren Waren und die Förderung des sozialen Wohnungsbaus aus. Rund sechs von zehn fordern auch die weitere Deckelung der Energiepreise, die Mitfinanzierung der Tafeln sowie kostenloses Schulessen für finanzschwache Familien.
Über diese Befragung
Die Befragung vom 06.01.- 09.01.2022 stand unter der Überschrift:
Habeck-Vorstoß: Kohle-Aus 2030 - nach NRW nun auch im Osten?
Diese enthielt auch Fragen zum Thema "Not in der Nähe".
Insgesamt sind bei MDRfragt 63.221 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 09.01.2022, 13 Uhr).
24.898 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 250 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 3.261 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 10.667 Teilnehmende
65+: 10.720 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 13.076 (53 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 6.096 (24 Prozent)
Thüringen: 5.726 (23 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 10.076 (40 Prozent)
Männlich: 14.765 (59 Prozent)
Divers: 57 (0,02 Prozent)
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.
Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 17. Januar 2023 | 16:00 Uhr