Logo der Zeitung Katapult sowie Stand mit Katapult-Zeitungsexemplaren. 12 min
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Lokaljournalismus, der schwierige Sachverhalte verständlich runterbricht und die Menschen mitnimmt. Das sei der Anspruch von Katapult MV, erklärt Redakteurin Anna Hansen.

Mi 03.11.2021 12:58Uhr 12:18 min

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Katapult MV ist gestartet Eine neue Zeitung für MeckPomm

10. November 2021, 14:54 Uhr

Die Zeitungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern gleicht der in Mitteldeutschland. Einige wenige Blätter haben de facto regionale Monopole. Trotzdem fällt es ihnen angesichts bröckelnder Einnahmen immer schwerer, lokal am Ball zu bleiben. Katapult MV will jetzt von Greifswald aus für besseren Lokaljournalismus sorgen. Kann das durch Crowdfunding finanzierte Projekt Vorbild für andere Regionen sein?

Anna Hansen freut sich auf die Schule. Dabei ist die Redakteurin von Katapult MV aus Greifswald längst der Schulzeit entwachsen. Hier geht es aber um ein ehemaliges Schulgebäude, in dem schon bald die Redaktion des Katapult Magazins und von Katapult MV unter einem Dach zusammenziehen werden. "Wir sind wirklich sehr daran interessiert, dass wir auch mehr Leserkontakt haben. Und das wird im neuen Katapult-Gebäude dann auch möglich sein", sagt Anna Hansen im Gespräch mit MDR MEDIEN360G. Denn der Kontakt zu den Leserinnen und Lesern soll ein wichtiges Merkmal sein, mit dem sich Katapult MV als neue Regional- und Lokalzeitung für Mecklenburg-Vorpommern von den lang etablierten Blättern unterscheidet.

Erste Ausgaben kamen gut an

Bislang sind die "Ostseezeitung" aus Rostock, die "Schweriner Volkszeitung" und der Neubrandenburger "Nordkurier" die Platzhirsche im nordöstlichsten Bundesland. Doch wenn es nach Katapult MV geht, rauscht es bald mächtig im Blätterwald. "Wir wollen den ‚Nordkurier‘ und die ‚Ostsee-Zeitung‘ ablösen", heißt es fast schon ein bisschen übermütig in der Katapult-MV-Abowerbung. Eine Nullnummer und eine erste Ausgabe sind bereits veröffentlicht. Die Resonanz war überwältigend, sagt Anna Hansen: "Die Leute freuen sich, mal wieder was in der Hand zu haben. Viele konsumieren ihre Nachrichten über E-Paper oder einfach in irgendwelchen Nachrichten-Apps. Wir wollen aber gerade auch die Menschen erreichen, die keine Computer haben und haben durchweg nur positive Rückmeldungen bekommen".

Hinter der Katapult-MV-Idee steht neben Anna Hansen und dem Redaktionsteam vor allem Benjamin Fredrich, den sie hier alle nur Benni nennen. Fredrich hat 2015 in Greifswald die Zeitschrift Katapult gegründet, die zu den großen Erfolgen der jüngsten Zeit am deutschen Zeitschriftenmarkt gehört. Eigentlich ist Katapult so etwas wie eine wissenschaftliche Fachzeitschrift und erscheint vier Mal im Jahr. Doch Katapult ist und will mehr. Schließlich nennt es sich selbst "Magazin für Eis, Kartografie und Sozialwissenschaft", wobei das Eis ironisch gemeint und durchgestrichen ist. Der Rest stimmt.

Karten und Infografiken

Katapult widmet sich einem breiten und durchaus anspruchsvollem Themenspektrum. Der Clou: Die oft komplexen Sachverhalte und Zusammenhänge werden dabei fast ausschließlich mit Infografiken und Karten aufbereitet. Das Ziel der Macherinnen und Macher: Sie wollen sozialwissenschaftliche Erkenntnisse auf kreative Weise einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Und das funktioniert. Aktuell meldet Katapult eine geprüfte Auflage von über 80.000 Exemplaren pro Ausgabe. Davon werden gut 95 Prozent per Abonnement vertrieben. Im Vergleich zu 2020 konnte Katapult die Zahl der Abos damit mehr als verdoppeln. Und das in Zeiten, wo bei gedruckten Blättern die Auflagenkurven im Allgemeinen eher steil nach unten zeigen.

Dasselbe Konzept - viele Grafiken, Karten und weiteres Veranschaulichungsmaterial - soll jetzt auch Katapult MV zur etwas anderen Regionalzeitung für Mecklenburg-Vorpommern machen. In den Artikeln geht es darum, was an der Waschbären-Plage im Norden wirklich dran ist ("Waschbären-Jagdstrecke 2021) - illustriert mit Karten, wie viele der niedlichen Einwanderer wo erlegt wurden. Anna Hansen beschäftigt sich in ihrem Beitrag "Bettenschlacht an der Küste" um die Konflikte von Anwohnerinnen und Anwohnern mit dem boomenden Tourismus. Katapult MV beleuchtet auch heute schon lokale Themen wie den Warnstreik der Universitätsmedizin an der Universität Greifswald genauso wie über die Entdeckung alter Gräber bei Bauarbeiten in Stralsund oder die Island Games auf Rügen.

Stelle für Rostock ausgeschrieben

Noch ist Katapult MV in der Startphase. Bis Jahresende sollen monatliche Ausgaben der gedruckten Zeitung erscheinen, der Rest wird online publiziert. Nach der Zentrale in Greifswald soll jetzt eine Redaktion in Rostock aufgebaut werden. Eine entsprechende Stelle ist gerade ausgeschrieben, sei "durchfinanziert" und soll "zügig besetzt werden", wie Anna Hansen sagt. Das Geld kommt durch eine Art Crowdfunding zusammen. Unterstützer können dabei Abonnements in unterschiedlichen Preisklassen abschließen. Der Normalpreis beträgt 5 Euro im Monat, für weniger solvente Menschen gibt es ein Soli-Abo für 3 Euro. Wer mehr geben kann und will, wird "Intendant" oder "Superintendantin", wie das bei Katapult MV mit einem Augenzwinkern Richtung öffentlich-rechtlichen Rundfunk heißt. Intendantinnen und Intendanten sind mit 15 Euro monatlich dabei, für das Praefix "Super-" werden stolze 100 Euro fällig. Das erste Ziel, 19.000 Euro einzuwerben, war schon bald nach Start der Kampagne erreicht. Nun läuft Phase zwei, an deren Ende insgesamt 57.000 Euro zur Verfügung stehen sollen. Der aktuelle Stand der Kampagne kann unter katapult-mv.de mitverfolgt werden. Zum Zeitpunkt des Schreibens sind 34.922 Euro erreicht.

Damit so ein Crowdfunding-Projekt funktioniert, ist ein individueller Ansatz wichtig, wie ihn Katapult MV durch seine besondere Optik und die visuelle Herangehensweise hat. Eine volle Stelle in der Katapult-MV-Redaktion wird derzeit mit 3.150 Euro brutto vergütet. Diese Summe liegt einige hundert Euro unter den bundesweiten tariflichen Einstiegsgehältern für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen, die aber vielerorts ohnehin nicht mehr gezahlt werden.

Der Zeitungsexperte Horst Röper begrüßt das Projekt, ist allerdings skeptisch, was die Erfolgsaussichten angeht. "Wir haben seit den 1970er Jahren keine Zeitungsneugründungen gesehen, die bis heute überlebt haben." Eine Zeitschrift wie das Katapult-Magazin funktioniere nach anderen Regeln, so Röper: "An eine neue, gedruckte Tageszeitung würde ich leider nicht glauben, adäquat ist heute wenn dann eine digitale Ausgabe." Die gibt es bei Katapult MV bereits. "Wenn die Macherinnen und Macher es hier schaffen, wirklich auf die lokale Ebene zu kommen, wäre das ein große Bereicherung für die Medienvielfalt in Mecklenburg-Vorpommern", so Röper.

Von der Großstadt in die Kleinstadt

In der jetzt angelaufenen zweiten Stufe "Katapult Großstadt" sollen neben Rostock auch eigene Redaktionen in Neubrandenburg und in der Landeshauptstadt Schwerin aufgebaut werden. Zukunftsmusik ist derzeit noch die dritte Phase "Katapult Kleinstadt". Hier ist in 20 kleineren Orten von Anklam bis Uckermünde und von Bergen auf Rügen bis Wismar jeweils ein "Katapult", also eine feste Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter vor Ort geplant.

"Je mehr Abos es werden, desto mehr Kraft haben wir, desto mehr Standorte können wir eröffnen, denn desto mehr starke Leute stellen wir ein, die am Ende aufrichtigen Lokaljournalismus betreiben und die Standards des Deutschen Presserats einhalten", verspricht Katapult-Gründer Benjamin Fredrichs. Sein ganz unbescheidenes Motto lautet schließlich: "Der Lokaljournalismus ist am Ende. Katapult MV steht erst am Anfang!"