Glaubwürdigkeit der Medien Corona führt zur medialen Zwei-Drittel-Gesellschaft
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12. März 2021, 10:04 Uhr
Der Ruf der etablierten Medien, speziell der öffentlich-rechtlichen Anstalten, ist besser als manche Kritiker behaupten. Das zeigen Umfragen zum Thema Medienvertrauen und zur Berichterstattung über das Corona-Virus. Dennoch gibt es Verbesserungsbedarf. Zum Beispiel, weil sich ein Drittel der Bevölkerung nicht regelmäßig über die Entwicklung der Pandemie informiert.
Als im Dezember Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) die Abstimmung über den Ersten Medienänderungsstaatsvertrag im Magdeburger Landtag verhinderte und damit die Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent stoppte, äußerten sich manche Journalisten verständnisvoll. "Die Entfremdung von den Öffentlich-Rechtlichen ist nicht nur in Sachsen-Anhalt spürbar", konstatierten zwei Spiegel-Redakteure in einem Interview mit dem ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow. In einem anderen Beitrag des Nachrichtenmagazins hieß es: "ARD und ZDF haben selbst viel dazu beigetragen, dass Kritik an ihnen auf breite Resonanz stößt (…) Der Unmut quillt seit Jahren aus allen Ecken der Gesellschaft."
Unmut seit Jahren?
Entfremdung? Unmut? Der Eindruck, dass die Redakteure sich hier eher auf ihr Bauchgefühl stützen als auf Zahlen, liegt nicht fern. Eine repräsentative Studie von infratest dimap aus dem Herbst 2020, in Auftrag gegeben vom WDR, ergibt jedenfalls ein anderes Bild.
Am besten schneidet bei dieser Untersuchung, mit der sich damals unter anderem die Deutschlandfunk-Kolumnistin Samira El Ouassil befasst hat, der öffentlich-rechtliche Hörfunk ab. 81 Prozent der Befragten halten ihn für glaubwürdig (plus 3 Prozentpunkte). Bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern liegt der Wert bei 79 Prozent (plus 5).
In Sachen Corona-Berichterstattung ergibt sich im Detail ein leicht anderes Bild: 82 Prozent der Befragten bewerten die Corona-Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen als gut oder sehr gut, beim Hörfunk sind es 74 Prozent. Generell halten mehr als zwei Drittel die Berichterstattung der Medien in Deutschland für glaubwürdig.
Tagesschau gewinnt 2020 zwei Millionen Zuschauer hinzu
Andere Zahlen lassen sich wenigstens als Indiz dafür interpretieren, dass das Vertrauen für die Öffentlich-Rechtlichen gewachsen ist. Die 20-Uhr-Ausgabe der tagesschau im Ersten der ARD gewann 2020 zum Beispiel im Vergleich zum Vorjahr fast zwei Millionen Zuschauer hinzu, die durchschnittliche Sehbeteiligung lag bei 11,778 Millionen Zuschauern. Als Folge des im Zuge der Pandemie gewachsenen Informationsbedürfnisses stiegen auf niedrigerem Level auch die Zuschauerzahlen bei den Hauptnachrichten von ZDF, RTL und Sat 1. Diese Zahlen entsprechen dem Mediennutzungstrend, der während der ersten und zu Beginn der zweiten Corona-Welle zu beobachten war.
Nicht zuletzt dürfte die Corona-Pandemie dazu beigetragen haben, dass sich im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Nutzer der ARD-Mediathek verdoppelt hat. Zwischen dem 1. Februar 2020 und dem 31. Januar 2021 verzeichnete die ARD rund 1,4 Milliarden Abrufe in der Mediathek. Zur verstärkten Nutzung hätten "die gesellschaftlich besonders relevanten Inhalte" beigetragen, sagt der für die Mediathek zuständige SWR. Das bezieht sich unter anderem auf das Angebot "Zu Hause lernen" und die Sendung "Planet Schule".
Relativ aktuell sind die Mediennutzungszahlen der Vermarktungsfirma Burda Community Network und die Marktforscher von Burda Media Market Insights. Die beiden Firmen des Burda-Konzerns ermittelten Mitte November den "Einfluss" der Corona-Pandemie auf das "Medien- und Freizeitverhalten". Eine erste Erhebung dieser Art fand bereits im März statt.
Zeitungen und Öffentlich-Rechtliche liegen beim Vertrauen vorn
Laut der aktuellen Umfrage greifen 66 Prozent der Befragten auf öffentlich-rechtliche Sender zurück, wenn sie auf der Suche nach "vertrauensvolle Infos" sind. Allerdings lag der Wert im März noch bei 73 Prozent. Zeitungen und Nachrichtenmagazine verbesserten dagegen ihren Wert im Vergleich zur ersten Erhebung - 59 statt 55 Prozent der Befragten greifen für "vertrauensvolle Infos" nun aus Medien dieses Genres zurück. Insgesamt fühlen sich 66 Prozent der Befragten "von den Medien gut und umfassend über das Corona-Virus informiert".
Die Aussagekraft der Umfrage wird zwar dadurch eingeschränkt, dass lediglich Leser und User von Burda-Angeboten (Focus, Bunte, Freundin) befragt wurden. Es lässt sich hier aber durchaus eine ähnliche Tendenz ausmachen wie in der vom WDR in Auftrag gegebenen Umfrage.
COSMO-Studie: Nur 70 Prozent wissen über Aerosole Bescheid
Trotz solcher Zahlen sollten sich die Verantwortlichen in den Medienhäusern nicht allzu heftig auf die Schultern klopfen. Laut COSMO-Corona-Monitor, ein Gemeinschaftsprojekt, an dem unter anderem die Universität Erfurt, das Robert Koch Institut (RKI) und das auf Wissenschaftsjournalismus spezialisierte Science Media Center beteiligt sind, hält etwas weniger als die Hälfte die Situation derzeit für "medial aufgeblasen". Diese Werte hätten sich seit Oktober kaum verändert, sagen die Studienmacher.
Die Wissenschaftler wollen mit ihrem "Monitor" einen Einblick in die "psychologische Lage" der Bevölkerung gewinnen. Ihre Ergebnisse basieren auf wöchentlichen bis zweiwöchentlichen Online-Datenerhebungen - wobei bei den jeweils beteiligten 1.000 Personen eine "repräsentative Verteilung" angestrebt ist.
Gravierender noch als die Einschätzungen zur vermeintlichen "Aufgeblasenheit" der Pandemie in den Medien: Bei einem maßgeblichen Teilbereich der Corona-Berichterstattung herrscht in der Bevölkerung ein tendenziell lebensbedrohliches Informationsdefizit vor. In der Zusammenfassung der aktuellen COSMO-Erhebung heißt es, nur knapp 70 Prozent der Befragten wüssten über die Übertragung des Virus' durch Aerosole Bescheid.
Kommen an diesem wichtigen Punkt nicht voran.
Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheitskommunikation an der Uni Erfurt und Leiterin des COSMO-Projekts, weist in einem Interview mit der Zeitung Die Welt darauf hin, dass der Anteil der Uninformierten in Sachen Aerosole stagniere: "An diesem wichtigen Punkt kommen wir nicht voran." Betsch sagt weiter: "Ein Drittel unserer Befragten informiert sich nämlich nicht regelmäßig und aktiv. Das vergessen wir, die wir täglich knietief im Thema stecken, häufig."
Vergleicht man die zitierten Untersuchungen zum Medienvertrauen und Mediennutzungsverhalten mit den COSMO-Ergebnissen, ließe sich plakativ-pessimistisch zusammenfassen: Zwei Drittel der Bürger fühlen sich über die Pandemie gut informiert. Ein Drittel ist nicht gut informiert.