Medientage Mitteldeutschland 2022 Neue Freiheiten für ARD, ZDF und Deutschlandradio
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01. Juni 2022, 13:47 Uhr
"Wie sieht die Medienwelt im Jahr 2030 aus?" fragen die diesjährigen Medientage Mitteldeutschland ab heute in Leipzig. Zumindest für ARD und ZDF sieht die Lage ab Donnerstag vermutlich klarer aus: Dann wollen die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder bei ihrer turnusmäßigen Konferenz in Berlin endlich den Sack zumachen und die erste Stufe der Reform der öffentlich-rechtlichen Sender beschließen.
Denn die machen schon lange nicht mehr "nur" klassischen Rundfunk, der "linear" - also per Antenne, Kabel oder Satellit - mit festem Programmschema und festen Sendezeiten ankommt. Sie sind mit ihren Online-Angeboten und Mediatheken längst im digitalen Fahrwasser zeitunabhängig und crossmedial unterwegs. Allerdings mit gedrosseltem Tempo: Bislang müssen fast alle Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio im Netz "sendungsbezogen" sein, also irgendeinen Aufhänger im klassisch ausgestrahlten, linearen Programm habe. Dieser Sendungsbezug soll nun fallen und den öffentlich-rechtlichen Medien mehr Freiheiten im Internet geben. Die privaten Sender und Verlage sind darüber alles andere als erfreut. Aber die Medienpolitik scheint sich einig zu sein: "Die Sache ist so gut wie durch", sagt ein Insider.
Streitpunkt öffentlich-rechtliche Unterhaltung
Knirschen tut es allerdings noch bei der Unterhaltung. Bislang gehört sie - neben Information, Kultur, Bildung und Sport - zum Programmauftrag der Öffentlich-Rechtlichen. Vor allem die privaten Sender hätten gern gesehen, dass mit dem neuen Medienstaatsvertrag hier für ARD und ZDF deutliche Beschränkungen kommen. Jetzt ist geplant, die Unterhaltung zwar im Auftrag zu belassen, aber als besondere "öffentlich-rechtliche Unterhaltung" zu definieren. Welche Kriterien anzulegen sind und wie das Ganze konkret formuliert werden soll, ist aber noch offen. "Hier liegen mehrere Kompromissvorschläge auf dem Tisch", heißt es bei den zuständigen Staatskanzleien der Bundesländer: "Wir sind da nah dran".
Denn für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind in Deutschland die Bundesländer im Rahmen der so genannten "Kulturhoheit" zuständig. Entscheiden müssen nun die 16 Regierungschefinnen und -chefs. Seit gut sechs Jahren verhandeln sie über eine weitgehende Reform und haben für den zähen Prozess viel Spott geerntet. Jetzt drängt die Zeit, wenn die neuen Spielregeln schon bei der nächsten Festsetzung des Rundfunkbeitrags ab 2024 gelten sollen. Am Donnerstag bei der Ministerpräsidentenkonferenz soll die Entscheidung fallen. Neben mehr Freiheiten im Netz und der Frage "Wie hältst du’s mit der Unterhaltung" steht die "Flexibilisierung des Auftrags" ganz oben auf der Tagesordnung.
Das Fernsehen wird flexibel
Damit wollen die Länder ARD, ZDF und Deutschlandradio einen noch nie da gewesenen Spielraum geben. Bislang sind alle TV-Kanäle ausdrücklich im geltenden Rundfunkstaatsvertrag aufgeführt und damit von der Politik verpflichtend "beauftragt". Wenn der vorliegende Entwurf des Medienstaatsvertrags am Donnerstag von den Länderchefinnen und -chefs grünes Licht erhält, sind in dieser Form nur noch das Erste der ARD, das ZDF, die so genannten "Dritten" sowie die durch internationale Verträge geschaffenen Programme wie der deutsch-französische Kulturkanal arte festgeschrieben.
ARD und ZDF hätten dann selbst in der Hand, wie sie mit ihren weiteren Angeboten wie dem Kinderkanal (KiKA) oder Phoenix verfahren. Nicht mehr zwingend wären auch die digitalen TV-Kanäle wie ZDF neo oder ZDF info, tagesschau 24, One oder ARD alpha. Dabei ist im neuen Medienstaatsvertrag auch vorgesehen, dass die Anstalten selbst entscheiden, ob sie solche Programme zukünftig nur noch im Internet oder per App anbieten. Sie könnten diese auch ganz beenden und dafür andere Angebote schaffen. Die gleichen Spielräume sollen auch fürs Radio gelten.
Fernziel Beitragsstabilität
Was sich zunächst mal nach der ganz großen Freiheit anhört, hat aber auch seine Grenzen. Denn für die Medienpolitik steckt dahinter auch das Ziel, den Rundfunkbeitrag langfristig stabil zu halten. In einer Phase 2 der Reform soll es ab 2023 hauptsächliche um die Finanzierung gehen. Das bedeutet im Klartext: ARD, ZDF und Deutschlandradio werden durch die Flexibilisierung und die künftigen Spielregeln im Netz neue Möglichkeiten eröffnet. Mehr Geld gibt es aber nicht. Die Logik heißt vielmehr, wenn ein öffentlich-rechtliches Medium etwas Neues machen will und dafür Geld braucht, muss es etwas anderes lassen. Mittel- bis langfristig rechnet die Politik hier mit Einsparungen, weil klassisches Fernsehen und Radio sowie die rundfunktechnische Ausstrahlung des Programms teurer sind als die Verbreitung per Stream im Internet.
Ob diese Rechnung wirklich aufgeht, muss sich noch erweisen. Bis 2030 sollte die Antwort klar sein.