Interview mit Prof. Dr. Klaus Meier "Journalismus muss informieren."
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11. März 2021, 14:55 Uhr
Der Kommunikationswissenschaftler Klaus Meier, Professor an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, spricht im MDR MEDIEN360G-Interview über den Unterschied zwischen Krisenkommunikation und Journalismus.
Markus Hoffmann: Hallo und herzlich willkommen bei MEDIEN360G, heute im Interview mit Prof. Klaus Meier von der Universität Eichstätt-Ingolstadt. Er ist Kommunikationswissenschaftler und Journalismus-Forscher. Herr Professor, vielleicht können Sie ganz kurz mal einordnen: Was machen Sie eigentlich da genau?
Prof. Dr. Klaus Meier: In unseren Forschungsprojekten geht es letztlich sehr häufig um die Leistung des Journalismus in der Demokratie, die Aufgaben des Journalismus in der Demokratie. Und wir stellen eben fest, wo gelingt Kommunikation im Journalismus, wo sind vielleicht auch wunde Punkte, schwierige Aspekte. Wir beschäftigen uns insbesondere auch mit Innovationen im Journalismus. Inwiefern Innovationen auch zur Qualität des Journalismus beitragen können.
Markus Hoffmann: Zu Beginn der Corona-Krise war auch von Ihrer Seite, aber auch von vielen anderen Seiten doch sehr viel Kritik geäußert worden an den Medien, an den Journalisten, wie sie mit der Situation umgegangen sind. Können Sie das vielleicht einmal kurz zusammenfassen, wie sich das Ganze entwickelt hat? Also auf der einen Seite, vielleicht nochmal auch zu Ihrem Text, den sie mit Professor Wyss zusammengeschrieben haben, und wie sich das dann in den letzten zehn Monaten weiterentwickelt hat, aus Ihrer Sicht.
Prof. Dr. Klaus Meier: Also zunächst, als diese Corona-Krise begonnen hat, im Februar, März (2020), muss man sagen, dass wir alle in einem Schockzustand waren. Und auch der Journalismus war zunächst überfordert und man hat im Prinzip die politischen Botschaften, die Botschaften der Virologen weitergeleitet, ohne weiter nachzufragen oder kritisch zu recherchieren. Die Situation hat sich dann den Sommer über schon deutlich verändert. Aber wenn wir jetzt beurteilen wollen, wie Journalismus momentan berichtet oder auch im letzten halben Jahr berichtet hat, dann müssen wir uns erst einmal ja auch vor Augen führen, welche Aufgaben hat Journalismus überhaupt in der Demokratie? Was soll er denn leisten? Das kann man festmachen an drei groben Punkten, nämlich zunächst mal die Information.
Journalismus muss also wirklich auch informieren, was Regierungen entscheiden, muss darüber aufklären, was wissenschaftliche Forschung für Erkenntnisse hat, muss auch dieses Virus zum Beispiel erklären. Diese Aufgabe ist durchgehend eigentlich sehr gut gelungen im deutschen Journalismus.
Die zweite Aufgabe wäre aber dann, dass man eben auch kritisch und distanziert berichtet, dass man vor allem auch recherchiert, dass man Fehler recherchiert. Die passieren auch in der Politik bei politischen Entscheidungen. Und da gab es im Sommer über schon eine vielfältige Diskussion und jetzt heute bis in den Winter hinein auch in den Hintergründen, in den Analysen vielschichtige Darstellung(en). Was aber doch immer wieder auffällt ist, dass gerade jetzt, in den letzten Wochen des Lockdown, in der Nachrichtenberichterstattung auch in den Sondersendungen schon eine sehr einseitige Position wieder nach oben gespült wird, nämlich von Politikern und Wissenschaftlern, die schnelle Lösungen durch Lockdowns versprechen.
Die dritte und letzte wichtige Aufgabe in dem Zusammenhang ist, dass Journalismus ja auch konstruktive Lösungen bieten sollte, dass er also Mut machen sollte und nicht überzogen dramatisieren, also unangemessen Panik und Angst schüren sollte. Das war am Anfang der Berichterstattung im März besonders dramatisch mit den Bildern aus Bergamo. Sie erinnern sich vielleicht noch (an) die Särge, die Bilder aus Intensivstationen, man hat ja teilweise wirklich Hiobsbotschaften gehabt, Bedrohungsszenarien apokalyptischer Art, muss man schon fast sagen, vor allem in den Sondersendungen. Das ist dann im Sommer deutlich zurückgegangen. Aber wir merken jetzt im Winter, dass das wieder nach oben kommt, diese Bilder wieder viel Dramatik zeigen. Und was wir jetzt auch merken, ist nach wie vor ein nicht distanzierter, nicht neutraler, sondern eher alarmistischer Umgang mit Zahlen. Wir nennen das in der Forschung schon seit langem den sogenannten "Immermehrismus". Also wenn es dramatischer wird, dann berichtet der Journalismus, es (wird) immer schlimmer. Die Zahlen gehen nach oben. Selbst wenn die Zahlen mal nur ein bisschen nach oben gehen oder stagnieren, wird sozusagen das Alarmistischere einbezogen. Wenn es nach unten geht, wird es bei weitem nicht so dramatisch dargestellt. Heute zum Beispiel sind im Vergleich zum Tag in der Vorwoche die positiven PCR-Tests, die gemeldet (wurden), um 20 Prozent zurückgegangen. Und da heißt es in einer Tagesschau-Nachricht doch allen Ernstes, dass das ein leichter Rückgang ist. Mehrfach taucht dort das Wort "leichter Rückgang” auf. Wenn es 20 Prozent mehr wären, wäre das mit Sicherheit eine starke Zunahme oder ein exponentielles Wachstum gewesen. Das wäre so eine Kurzanalyse von der Berichterstattung in den vergangenen Monaten.
Markus Hoffmann: Wir sind in einer Krise und da gibt es natürlich die sogenannte Krisenkommunikation, eine eigene Form in der Kommunikationswissenschaft. Jetzt haben wir da ein Virus. Na klar, sagen wir, Viren haben wir immer schon mal gehabt, das ist alles nicht das Problem. Aber ich denke auch für die Wissenschaft ist alles, was da passiert, neu und sehr schwer einzuschätzen. Wie funktioniert an dieser Stelle Krisenkommunikation und beißt sich das Ganze mit den Aufgaben des Journalismus?
Prof. Dr. Klaus Meier: Krisenkommunikation ist zunächst mal ein Begriff, der aus der Public Relations, also aus der Öffentlichkeitsarbeit, kommt. Es geht darum, wie Unternehmen, aber auch politische Regierungen und Parteien oder auch Behörden mit Krisen kommunikativ umgehen sollen. Zum Beispiel um Gerüchte oder Halbwahrheiten zu vermeiden oder aufzuklären. Es soll Betroffenheit signalisiert werden, es soll entschlossenes Handeln signalisiert werden. Es soll auch Verantwortung kommuniziert werden. Ziel ist es, dass ein Imageschaden für diese Institution verhindert wird oder dass eben auch Vertrauen in die Institution aufgebaut wird. Ich meine jetzt mit Institution die Bundesregierung, die Landesregierung oder auch zum Beispiel das RKI oder auch die Wissenschaft an sich. Jetzt müssen wir aber unterscheiden, dass wir bei Corona eine gesellschaftliche Krise haben, die sehr vielfältig und komplex ist. Wir haben ja nicht nur das Virus, durch das wir bedroht sind, sondern wir haben eben auch politische Entscheidungen und Maßnahmen, die sehr hart in die Grundrechte der Menschen eingreifen. Da ist also jetzt nicht eine Logik dahinter, die sagt, hier ist ein Virus, deshalb muss man dies und jenes tun. Das heißt, was genau zu tun ist in der Gesellschaft, müssten wir doch auch in der Demokratie öffentlich diskutieren. Alle Alternativen abwägen, Vor- und Nachteile diskutieren und erst dann zu einer politischen Entscheidung kommen, über die Parlamente, über die Regierungsarbeit. Und dann kann die Regierung diese Entscheidung in sich konsistent auch kommunizieren, dass das Vertrauen in diese Entscheidung dann auch am Ende gestärkt wird.
Markus Hoffmann: Jetzt haben Sie gerade einen interessanten Begriff genannt, Sie sagten die Konsistenz der Information. Was ja auch ein Kernpunkt ist in der Krisenkommunikation. Was ist daran so wichtig? Und was würde passieren, wenn diese Konsistenz aufgeweicht (wird) oder verloren geht?
Prof. Dr. Klaus Meier: Konsistenz ist wichtig bei der Institution, die kommuniziert. Also zum Beispiel bei der Bundesregierung über den Pressesprecher, über die Bundeskanzlerin, oder auch das RKI oder andere Behörden, die müssen konsistent kommunizieren. Aber Konsistenz ist eben dann nicht gefordert in der Berichterstattung des Journalismus. Das sorgt dann in der Demokratie eigentlich nicht für Vertrauen, sondern eher für Misstrauen: Was erfahren wir denn jetzt gerade nicht? Gibt es auch andere Möglichkeiten, gibt es auch andere Positionen, die man haben kann? Wenn das verschwiegen wird, dann sorgt das eben nicht für ein vertrauensvolles Miteinander in der Demokratie. Und das unterscheidet eben auch den autoritären oder sogar den totalitären Staat von der demokratischen Gesellschaft.
Markus Hoffmann: Das heißt für die Journalisten (ist dies) ein sehr schwerer Abwägungsprozess. Was sie berichten, wie sie berichten, gerade wenn es um eine Situation geht, die tatsächlich lebensbedrohlich für die Gesamtbevölkerung ist. Da gibt es den Begriff False Balancing, also dass es eventuell unausgewogen ist, was diese Meinungen angeht. Können Sie das mal einordnen? Was ist das? Und was hat das momentan mit der Krise zu tun?
Prof. Dr. Klaus Meier: Das "Balancing", man könnte auf Deutsch sagen: ausgewogene Berichterstattung, kommt aus dem Politikjournalismus. Politische Positionen sollen ausgewogen dargestellt werden. Wenn man dieses "Balancing" auf den Wissenschaftsjournalismus überträgt, dann wird es dann zum Problem, wenn es wirklich eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse gibt. Ein klassisches Beispiel ist der Klimawandel, die Klimakatastrophe, die wir haben. Wir forschen seit Jahrzehnten dazu. Es gibt Tausende von Publikationen, die nahezu alle vollständig belegen, dass der Klimawandel menschengemacht ist und dass er unsere Erde langfristig massiv bedroht. Es gibt ein paar einzelne Wissenschaftler, die das anders sehen. Und wenn Sie jetzt ein "Balancing" machen würden und diese einzelnen Wissenschaftler in einer Nachricht zu 50 Prozent zu Wort kommen ließen, dann wäre das ein False Balancing, also eine falsche Ausgewogenheit. Die Frage, ob man das jetzt auf die Corona-Krise übertragen kann, ist eine sehr spannende Frage. Ich denke, man kann sich wieder dadurch leiten lassen, wo wissenschaftliche Erkenntnis eindeutig ist. Also dass es dieses Virus gibt, dass es eine gefährliche Bedrohung ist, das steht ja eindeutig fest. Das heißt, die sogenannten Corona-Leugner, die ganzen Extrempositionen sollte man deshalb auch nicht oder wenn, dann nur ganz am Rande zu Wort kommen lassen. Sonst hätte man diese falsche Ausgewogenheit. Aber wo es eben noch keine wissenschaftliche Erkenntnis gibt oder wo Wissenschaft auch auf dem Weg ist – die Wissenschaft veröffentlicht jetzt auch vielfältige Studien, die sich zum Teil widersprechen, die sich verbessern. Wissenschaft ist immer auch ein Verbesserungsprozess auf der Suche nach der bestmöglichen Erklärung der Situation – da kann es eigentlich kein False Balancing geben. Da ist eigentlich die Anforderungen an Journalismus, dass man verschiedene Positionen auch zu Wort kommen lässt, dass man vor allem auch verschiedene Wissenschaften zu Wort kommen lässt. Also nicht nur Labor-Virologen, nicht nur Epidemiologen, nicht nur Physiker, sondern eben auch Sozialwissenschaftler, Psychologen, Ökonomen. Dass man diesen gesellschaftlichen Diskurs führt, wie man mit dieser Herausforderung umgehen kann.
Markus Hoffmann: Haben die Medien da einen guten Job gemacht innerhalb der letzten zwölf Monate?
Prof. Dr. Klaus Meier: Also, es ist schon besser geworden gegenüber dem Frühjahr, das muss man sagen, wie gesagt, in der Hintergrundberichterstattung, in den Analysen. Es gibt auch viele Gastbeiträge, zum Beispiel in überregionalen Zeitungen, da findet sich schon eine Vielfalt von Wissenschaften und von wissenschaftlichen Positionen. Was in gewisser Weise immer wieder bedrückend ist, ist diese Nachrichtenlogik, die eben wirklich immer so tut, als ob es wirklich eindeutige Fakten zu allem und jedem gäbe. Man will halt Eindeutigkeit herstellen. Die Eindeutigkeit gibt es eben bei der Erkenntnis zu diesem Virus an sich, aber die Eindeutigkeit gibt es eben zum Beispiel nicht bei Wirkungsfragen von einem Lockdown. Wie wirkt Lockdown? Gibt es Nebenwirkungen, die wir vermeiden wollen? Da gibt es auch inzwischen einige Studien, aber die widersprechen sich auch, die zeigen eine Vielfalt auf. Und dann wird es halt schwierig, wenn Wissenschaftler praktisch in eine Position gedrängt werden und da auch eine politische Meinung zu äußern, ob wir jetzt mehr oder weniger Lockdown brauchen.
Markus Hoffmann: Das ist ein wissenschaftliches Thema, was uns seit einem Jahr beschäftigt und viele Journalisten haben sich vielleicht vorher gar nicht so sehr mit Wissenschaft auseinandergesetzt. Wie komplex ist es für einen Journalisten, der zum Beispiel aus dem politischen Segment gekommen ist, die Informationslage zu durchsteigen, um darüber berichten zu können und auch gut berichten zu können?
Prof. Dr. Klaus Meier: Wir merken natürlich, wie wichtig Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten in Redaktionen sind. Sie sind ja nicht nur Berichterstatter, sondern auch Ratgeber für Kollegen aus der Politik geworden, geben immer wieder Hilfestellungen für gute Quellen, die man anzapfen kann, erklären eben auch wissenschaftliche Zusammenhänge. Vielleicht nehmen wir aus der Krise jetzt auch mit, dass wir durchaus mehr Journalistinnen und Journalisten mit wissenschaftlichem Sachverstand benötigen. Aber ergänzend kann man schon sagen, dass die gute alte Recherche-Tugend natürlich für alle Journalistinnen und Journalisten wichtig ist und auch ein Recherche-Handwerk, überhaupt erstmal den Ansatz zu haben: Ich frage nach, ich bin misstrauisch, egal wer kommuniziert, ob das jetzt ein Herr Drosten oder eine Frau Merkel ist, die ja hoch glaubwürdig sind. Aber auch da muss Journalismus erst mal misstrauisch sein, nachfragen, die Gegenseiten hören, recherchieren. Also Recherche ist der Punkt, der zum Handwerkswissen jedes Journalisten dazugehört, egal, ob der Wissenschaftsjournalist ist oder Politik- oder Lokaljournalist.
Markus Hoffmann: Ich würde kurz die aktuell laufende COSMO-Studie (zur Studie) mit Beteiligung der Uni Erfurt anführen. Da wurde im letzten Jahr immer wieder bei den Menschen geschaut: Wie kommen denn die Maßnahmen an? Wie läuft das Ganze mit Corona? Sind die Leute überzeugt von der Informationspolitik? Glauben sie an das Virus oder glauben sie nicht an das Virus? Und da ist immer so eine Zahl von Menschen, ich sage mal so um die 20 Prozent, die vielleicht nicht so ganz überzeugt sind davon. Wie kommt so etwas zustande und wie sollten Journalisten mit so etwas umgehen?
Prof. Dr. Klaus Meier: Also, wie kommt so etwas zustande, kann man eigentlich ganz gut erklären. Wie Journalisten damit umgehen sollen, ist eine schwierigere Frage. Wie kommt so etwas zustande: Es gibt viele Studien in der Medienwirkungsforschung, auch in der Kognitionspsychologie, die belegen, dass Menschen, die eine feste Meinung zu etwas haben, nur schwer mit Informationen zu erreichen sind, die diese Meinung nicht treffen. Man nennt das zum Beispiel Confirmation Bias. Nur Informationen, die zur eigenen Einstellung passen, werden ausgewählt, werden interpretiert. Werden überhaupt erst einmal wahrgenommen, kann man schon sagen. Man versucht als Mensch, sozusagen eine innere Spannung zu vermeiden. Ich glaube, das betrifft uns alle, Sie und mich genauso. Wenn man schon eine ganz feste Meinung hat, dann wird das zum Problem, weil man dann nicht mehr offen ist für anderen Positionen. Und jetzt kommt eben mit Social Media noch ein Phänomen in den letzten Jahren hinzu. Menschen, die eine extremere Meinung haben, finden dort plötzlich Menschen, die die gleiche Meinung wie sie selbst haben. Ohne Social Media hätte man vielleicht gedacht: "Naja, bin ich vielleicht der einzige, halte ich vielleicht mal die Klappe. Ich sehe das vielleicht ein bisschen komisch. Es gibt viele, die das nicht so sehen oder ich kenne gar keinen, der das so sieht wie ich." Inzwischen merkt man über Social Media, da gibt es ja noch ein paar hundert andere. Und das puscht sich dann hoch. Da gibt dann eben diese Blasen, in denen man sich bewegt. Und die sind dann, um jetzt zum zweiten Punkt zu kommen, vom Journalismus nur noch ganz, ganz schwer zu erreichen. Umso wichtiger ist es, dass man Menschen erreicht, die dazwischen stehen, die noch keine feste Meinung haben, die in dieser Grauzone sind. Und da ist dann auch eine vielfältige Berichterstattung wichtig, dass man die auch abholt. Die halt hin- und hergerissen sind und sagen, es könnte so oder anders sein. Wenn aber der Journalismus eine eindeutige Position hat: "Es ist genauso und das musst du jetzt glauben!", werden die natürlich eher abgeschreckt. Das heißt, Vielfalt könnte dazu beitragen, eben genau diese Menschen in der Grauzone zu erreichen, dass sie nicht abdriften ins Extreme.
Markus Hoffmann: Abschließend würde ich ganz gern nochmal die Brücke schlagen zu den Herausforderungen, die die Krisenkommunikation mitbringt. Zur Konsistenz der Nachricht, damit sie verstanden wird. Sie haben auch gerade gesagt, dass es ganz gut ist, wenn man ein breites Feld hat und nicht einfach von oben aufdiktiert, was passieren soll. Jetzt kommt aber dazu, dass die deutschen Behörden durch die föderalen Strukturen in Deutschland, für den gleichen Virus verschiedene Vorgehensweisen empfehlen. Wie spielt das zusammen mit dem, was Journalismus abbilden soll, wenn das "föderale Hickhack" im Hintergrund noch passiert?
Prof. Dr. Klaus Meier: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich versuche es mal zu drehen: Wir haben doch auch einen Vorteil durch unser föderales System. Sie sprechen jetzt vom "föderalen Hickhack" und beschreiben damit die negativen Seiten. Man könnte auch sagen, es ist ein gemeinschaftliches Ringen um die richtige Lösung. Und wenn in einer Region die Zahlen niedrig sind, dann kann man doch etwas anderes ausprobieren als in einer Region, wo die Zahlen hoch sind. Oder man kann vielleicht sogar in zwei Regionen unterschiedliche Dinge ausprobieren und schauen, wie es wirkt. Wir wissen ja noch viel zu wenig. Ich denke, es liegt auch ein Vorteil im föderalen System, dass wir nicht bundesweit immer alles über einen Kamm scheren, sondern dass wir durchaus unterschiedliche Möglichkeiten haben, diesem Virus zu begegnen. Wir haben ja auch unterschiedliche Erfolge in Großstädten. Über Tübingen ist viel gesprochen worden, ich glaube auch über Rostock (ist) viel gesprochen worden. Es gibt unterschiedliche Modelle und Methoden, dieses Virus auch vor Ort zu bekämpfen, das hilft uns doch in Summe dann letztlich besser zu werden in unseren Maßnahmen. Sie sehen, man kann das immer so und so diskutieren. Ich möchte nur einfach warnen vor dieser Faszination eines autoritären, in sich konsistenten, gemeinsamen, großen Staates, der praktisch die Mutter ist, die für die Kinder sorgt und wenn wir nur folgsam sind, dann passt schon alles, dann wird alles wieder gut. Das ist nicht die Idee der Demokratie und ich denke, Demokratie hat auch in dieser Krise wahnsinnig viele Vorteile, die wir nur nutzen müssen.