Ewig jung oder senil und vergreist? Vielseitige Altersbilder in den Medien gefragt
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29. September 2023, 00:00 Uhr
Vorstellungen über Menschen in einem bestimmten Alter, über das Altwerden und auch über das Altsein, besitzen wir bereits in jungen Jahren. Geprägt werden diese Bilder durch gesellschaftliche Klischees, Beobachtungen, persönliche Erfahrungen und nicht zuletzt durch die Medien. Altersbilder in den Medien schematisierten dabei jedoch oftmals das idealisierte "ewig junge Alter” oder aber das Bild von Gebrechlichkeit. Braucht es neue Geschichten und Bilder rund um das Thema Altsein?
Stereotyp "alt" – medial geprägt
"Ich bin Günther Anton Krabbenhöft, bin 78 Jahre jung. Und was ich mache? Das lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Ich lebe!" Der Granfluencer signalisiert damit, wie er zum Thema Alter oder Älterwerden steht. Wer Günther A. Krabbenhöft auf Social Media folgt, erlebt den gut angezogenen und äußerst quirligen (Un-)Ruheständler, wie er die nächste Schaukel im Park, genauso wie die Clubs in Berlin und, tanzender Weise, gerne auch diverse öffentliche Plätze unsicher macht. Kurzum: Die Stil-Ikone Krabbenhöft will so gar nichts vom Ruhestand wissen: "Für Freude, Leidenschaft und Energie – also da gibt es keine Altersgrenze", macht der Granfluencer deshalb auch schon einmal unmissverständlich klar.
Granfluencer ist eine Wortkombination aus "Grandparents" (Großeltern) und Influencer.
Nachrichtensendungen, Magazine und Programme ohne prägnante Darstellungen von Alter und Grenzen – das wäre Lösung, um dem Einwand entgegenzuwirken, dass Medien häufig eintönig gestaltete Bilder vom Alter zeigen würden. Denn oft geben diese den zahlreichen Facetten vom Älterwerden oder auch vom Altsein nur wenig Raum. Und "wenn man immer wieder mit diesen medialen Botschaften konfrontiert wird – das kann eben genau dazu führen, dass ich mich auch überflüssig fühle gesellschaftlich, dass ich mich abgehängt fühle", erklärt Eva-Marie Kessler, die als Professorin für psychologische Alternsforschung mit ihrem Team, erforscht hat, in welchen Zusammenhängen ältere Menschen in Medien vorkommen.
Die Älteren – Von wem ist die Rede?
Nicht zuletzt entsteht oft der Eindruck, dass etwa Hintergrundbilder in Nachrichtensendungen, vor allem Auszüge mit besonders betagten und schwachen Menschen zeigen würden, während man in Serien ewige Jugend zelebriert. Eva-Marie Kessler spricht hier von einer Polarisierung: "Auf der einen Seite wird demografischer Wandel, also das gesellschaftliche Altern als Krisenszenario dargestellt. Und auf der anderen Seite, wenn es um die Darstellung von einzelnen älteren Charakteren geht, zum Beispiel jetzt in Fernsehserien oder in Spielfilmen, dann sind es oft im Gegensatz dazu, aber Personen, die besonders aktiv und fit, technikaffin, sportlich, berufstätig sind. Und das ist ja so eine gewisse Widersprüchlichkeit auch im Altersbild in den Medien."
Vielleicht ist es ja an der Zeit, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass es keine Zweiteilung gibt – in die Jungen und die Alten, sondern dass es eigentlich nur gibt: dieses Wir, wenn wir älter werden.
Medien an sich zeigten somit insgesamt nur wenige Seiten vom Älterwerden. Seit der Corona-Pandemie hat sich noch zusätzlich der Eindruck von schwachen, hilfsbedürftigen Menschen verfestigt. Der Begriff "Alter" ist negativ besetzt und dient insbesondere als Sammelbegriff für die Lebensphase Alter. In Verbindung mit bestimmten Begriffen wie Beschwerden, Krebs und Pflegeheim prägen Medien dabei zusätzlich ein Negativbild. Eine differenzierte Sprache für die verschiedenen Altersgruppen zu finden, empfindet Eva-Marie Kessler als wichtig: "In dem wir von Erwachsene im hohen und sehr hohen Lebensalter sprechen zum Beispiel und nicht von 'den Älteren'. Vielleicht auch konkreter sagen, wen meinen wir denn, wenn wir über die Älteren sprechen." In Hinblick auf die Medien meint sie: "Was man auch weiß: Bei Älteren kommen auch gut Formate an, die für alle Altersgruppen interessant sind." Die Alternsforscherin spricht sich deshalb dafür aus, "dass alte Menschen mehr eine Stimme bekommen im öffentlichen Diskurs". Und sie stellt fest: "Vielleicht ist es ja an der Zeit, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass es keine Zweiteilung gibt – in die Jungen und die Alten, sondern dass es eigentlich nur gibt: dieses Wir, wenn wir älter werden."
"Das was uns geprägt hat, das wird bleiben."
Auch Silke Burmester sieht klischeehafte Bilder und die Altersdarstellung in der Fernsehlandschaft sowie deren stereotype Einordnung kritisch. Die Journalistin sagt von sich selbst, dass sie einer Generation angehöre, die von Popkultur geprägt wurde: "Wir sind mit David Bowie sozialisiert, wir werden nicht anfangen, mit 60 Schlager zu hören", zitiert sie eine Freundin von sich.
Wenn die Gesellschaft den Scheinwerfer nicht mehr auf uns richtet, dann tun wir es eben selbst!
Die wiederkehrenden Erzählstrukturen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern würden sie selbst nicht ansprechen, erzählt sie: "Das ist ja ein Gesellschaftsbild, auch ein Frauenbild, von dem wir das Gefühl haben, das ist so in den 90er Jahren hängen geblieben: also sehr stark Mann-orientiert, sehr stark Ehe-orientiert – die Frau ist immer in der kümmernden Rolle. Wenn sie Erfolg hat, ist sie immer verbissen und einsam. Erfolgreiche Frauen sind im Fernsehen meistens einsam und isoliert. Das ist ja vollkommener Blödsinn", bewertet Silke Burmester und meint: "Denn es gibt ja diese Geschichten, die Menschen sind ja alle da, die leben ja und sind existent und haben ihre interessanten Geschichten – und es wird so wenig erzählt."
Ein jedes Leben ist geprägt von einer Vielzahl von Eindrücken und Erfahrungen, die einen Menschen und dessen Art zu leben ausmachen. All das begleitet und formt ihn, macht ihn mitunter sogar aus. Vor allem aber endet dies nicht etwa ab einem gewissen Alter oder mit dessen Pensionierung. "Wir brauchen ein neues Altersbild", ist Silke Burmester daher überzeugt. "Das was uns geprägt hat […] – das wird bleiben", dessen ist sich die 57-Jährige gewiss. Als Gründerin von "Palais F*luxx, dem Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre" geht sie zugleich auch beispielgebend voran, in dem sie auf dieser Plattform neue und vor allem vielseitige Bilder von Frauen ab 47 abbildet und erklärt: "Wenn die Gesellschaft den Scheinwerfer nicht mehr auf uns richtet, dann tun wir es eben selbst!"
Blickt man speziell bei diesem Punkt, das Frauenbild ab etwa 47 Jahren betreffend, auf die Fernsehlandschaft, sucht man diese Vielseitigkeit oft vergebens. "Es gibt viel zu tun", äußert beispielsweise auch Schauspielerin Gesine Cukrowski, Jahrgang 1966, auf palais-fluxx.de und beschreibt: "Es fehlen die Geschichten, die Frauen so erzählen, wie sie heute sind. Es gibt eine ganz eigene Film- und Fernsehrealität in Deutschland, die mit unseren gelebten Realitäten nicht so viel zu tun hat. Echte Geschichten von Frauen über 50 werden grundlos fürs Fernsehen auf die Frau Mitte 30 umgeschrieben. Das beraubt die älteren Frauen unserer Gesellschaft nicht nur ihrer Geschichten, es hat auch den Nebeneffekt, dass den gezeigten Frauenfiguren teilweise grotesk anmutende, weil viel zu umfangreiche Biografien angeheftet werden. Die wenigen Frauenfiguren 47+, die wir dann zu sehen kriegen, sind oft weit entfernt von unserer Lebensrealität und bedienen Stereotype, in denen wir uns einfach nicht wiederfinden."
Es scheint an der Zeit für neue Bilder und für neue Geschichten, die Medien vom Alter und Altwerden erzählen – auch um diesbezüglich das gesellschaftlich festgefahrene Bild neu zu definieren. Ausrangiert oder abgestempelt sollte sich keiner fühlen müssen – in einer Welt, die heute in vielen Lebensbereichen und im Miteinander auf Toleranz und Gleichberechtigung setzt.