Ehemaliger Musiker aus dem Theater Zeitz „Zeitz fehlt das Orchester“

„Hier vorn war der Besuchereingang. Sieht eigentlich gar nicht groß aus“, sagt Thomas Illgen und schaut auf eine grüne, leere Rasenfläche, noch nicht einmal halb so groß wie ein Fußballfeld. Hier war einmal sein Arbeitsplatz, das Theater Zeitz. Seit 1987 spielte Thomas Illgen dort Bratsche und Violine im Theaterorchester.

„Diese Freude des Publikums, ihre Künstler zu sehen und zu feiern – das sind Momente, an die ich mich gern erinnere“, erzählt Thomas Illgen. Im Orchester hätte er sich aufgehoben gefühlt. Dementsprechend schmerzhaft war es für ihn und seine Kollegen, als das Theater geschlossen wurde. Das war 2003. Der Burgenlandkreis hatte seine Gelder für das Theater gestrichen, die Stadt Zeitz ihre Mittel gekürzt. Damit konnte das Ensemble nicht mehr gehalten werden und wurde entlassen.

Für großes Unverständnis sorgte damals das neue Theater, was zur selben Zeit noch gebaut wurde. Der Neubau kam die Stadt teuer zu stehen: Ein Anwohner hatte damals gegen die Baumaßnahmen erfolgreich geklagt und die Stadt musste ihm eine Million Euro zahlen. Während im neuen Theater Capitol heute Gastspielbetrieb stattfindet, wurde das alte Theater wenige Jahre nach seiner Schließung abgerissen.

Mit dem Ende von Theater und Orchester steht Zeitz nicht allein da. Wie drastisch die Entwicklung ist, zeigt ein Blick auf die ausgeschriebenen Planstellen der Orchester. Von der Zeit nach der Wende bis heute wurden sie stark abgebaut – bedingt auch durch Auflösungen und Fusionen vieler Orchester. Während es laut Deutscher Orchestervereinigung (DVO) 1992 in Mitteldeutschland noch mehr als 3400 Stellen gab, sind es 2018 nur noch etwa 2200.

Besonders stark hat es die Orchester in Sachsen-Anhalt getroffen. Von fast 750 Planstellen sind 2018 nur noch knapp 370 übrig. Damit haben die Orchester mehr als die Hälfte der Stellen eingebüßt. Insgesamt haben die Orchester in Deutschland etwa 20 Prozent ihrer Planstellen verloren.

Mitteldeutschland hat aber immer noch eine reiche Orchesterlandschaft mit Blick auf die Zahl der Klangkörper. In Thüringen kommen vier Orchester auf eine Million Einwohner. Damit ist der Freistaat deutschlandweit Spitzenreiter. Länder wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen haben gerademal jeweils ein Orchester für eine Million Einwohner.

Trotzdem fehle Zeitz ein Theater mit eigenem Ensemble, sagt Thomas Illgen. Er kann die Schließung auch heute noch nicht nachvollziehen. „Wenn sich eine Region wie Zeitz weiterentwickeln und Arbeitsplätze erschließen will, braucht es die Kultur für die Bildung und musische Entwicklung“, sagt er. Ein Orchester könnte zudem auch junge Menschen an klassische Musik heranführen.

Kinder und Jugendlich für Musik begeistern – das ist der neue Job von Thomas Illgen. Nach seiner Entlassung aus dem Orchester gründete er eine Musikschule in der Innenstadt. Dort unterrichtet er nicht nur Geige. Auch eine Gitarre, ein Schlagzeug und ein E-Piano stehen im Musikzimmer. Sogar Babys gehören schon zu seinen Gästen in der Musikschule. Den Eltern zeigt er, wie sie sich mit ihren Kindern auf spielerische und musikalische Weise beschäftigen können. Daneben spielt er gelegentlich noch in anderen Orchestern als Aushilfe.

Nach seiner Entlassung aus dem Orchester in Zeitz, hatte man ihm zunächst auf dem Arbeitsamt geraten, die Musik ganz ruhen zu lassen. Er solle sich zum Bäcker oder Fensterbauer umschulen lassen, so der Vorschlag. „Das ist nicht meine Berufung“, sagt Thomas Illgen und lacht. „Ich bin Musiker aus Berufung.“