Ensemble und Opernchor der Landesbühnen Sachsen
Bildrechte: Robert Jentzsch

Landesbühnen Sachsen Kampf der Geschlechter

Doppelopernabend zu zwei literarischen Klassikern der vorletzten Jahrhundertwende

31. Januar 2024, 15:02 Uhr

Zwei Klassiker der Moderne um 1900, August Strindbergs Einakter über eine Sommernacht voll sexuellem Begehren, "Fräulein Julie", und Guillaume Apollinaires "drama surrealiste" "Les Mamelles de Tirésias" ("Die Brüste des Tiresias") sind Ausgangspunkt eines Doppelopernabends der Landesbühne Sachsen. Der belgische Komponist Philippe Boesmans hat aus Strindbergs Einakter eine 2005 uraufgeführte Oper gemacht, Francis Poulenc bereits 1947 aus Apollinaires Drama eine kurze zweiaktige "opéra bouffe".

Beiden Opern gemeinsam sind der Kampf der Geschlechter und damit verbundene Zuschreibungen von Männlichkeit und Weiblichkeit. In einer Sommernacht fordert bei Strindberg das reiche Fräulein Julie den Dienstboten Jean heraus, doch aus der Verführung erwächst Hass und Julie wird in den Selbstmord getrieben.

Doppelopernabend bei den Landesbühnen Sachsen: Philippe Boesmans: Julie und Francis Poulenc: Lea Mamelles de Tirésias (Die Brüste des Teiresias). Regie: Carmen Kruse, Dirigent: Ekkehard Klemm
Gabriel Alexander Wernick und Ylva Gruen als Fräulein Julie Bildrechte: Robert Jentzsch

Bei Apollinaire will die brave Ehefrau Thérèse nicht mehr Frau sein, sondern ein gesellschaftlich einflussreicher Mann; als Tiresias entfernt Thérèse ihre Brüste; die größere Rolle nimmt jedoch Le Mari, ihr deshalb gekränkter Ehemann ein. Er wird nicht nur zur Frau, sondern kann auch Kinder gebären: 50.000 Kind sind es am Ende des kurzweiligen surreal-dadaistischen Dramas.

Verbindung zweier Vorlagen

Regisseurin Carmen C. Kruse verknüpft die beiden sehr unterschiedlichen Vorlagen, indem sie Julie zu Beginn von Poulencs Oper weiterhin auf der Bühne lässt. Thérèse, die sich als Mann behaupten will, führt – wie Carmen  C. Kruse damit zeigen will – die Rolle des am Leben verzweifelnden Fräuleins Julie weiter.

Doppelopernabend bei den Landesbühnen Sachsen: Philippe Boesmans: Julie und Francis Poulenc: Lea Mamelles de Tirésias (Die Brüste des Teiresias). Regie: Carmen Kruse, Dirigent: Ekkehard Klemm
Doppelopernabend bei den Landesbühnen Sachsen: Regie: Carmen Kruse, Dirigent: Ekkehard Klemm Bildrechte: Robert Jentzsch

Eine Verbindung zwischen beiden Teilen stellt aber vor allem die gleiche abstrakte Bühne von Ralph Zeger dar, die sich bei Poulencs mit vielen Figuren und "Kindern" in surrealen Kostümen  füllt, alle sind effektvoll von Pedro de Paula choreographiert.

Kompositorischer Zugriff

Beide Opern überzeugen in ihrem kompositorischen Zugriff. Boesmans malt nicht nur die schwedische Sommernacht voll sexuellem Begehren aus, sondern seine Musik macht immer wieder deutlich, wie gerade in ganz intimen Situationen zweier Liebender immer auch Stimmen Dritter dabei sind: Mal als Vorwurf, mal als Erinnerung oder schlechtes Gewissen. Neben dem Diener Jean (Dániel Foki) und Fräulein Julie (Ylva Gruen) ist es etwa Jeans Verlobte, die Köchin Kristin (Menna Canzel Davies)

Dániel Foki und Ylva Gruen
Diener Jean (Dániel Foki) und Fräulein Julie (Ylva Gruen) Bildrechte: Robert Jentzsch

Emotionen ernst genommen

Lustvoll komponiert, ohne die Figuren kabarettistisch zu verhöhnen, ist Poulencs Oper geradezu eine Offenbachiade des 20. Jahrhunderts. Nicht alle Thesen Apollinaires in den "Brüsten des Tiresias" lassen sich logisch auflösen, vieles bleibt ziemlich dadaistisch schräg, dennoch werden die Emotionen der Figuren ernst genommen, auch die des sich schließlich duellierenden Buffo-Paars Presto (Michael König) und Lacouf (Kay Frenzel). Überzeugend Florian Neubauer als Kinder-gebärender Mann und die selbstbewusste Mann-Sein-Wollende Thérèse (Anna Maria Schmidt).

Florian Neubauer und Anna Maria Schmidt (vorn), Opernchor der Landesbühnen Sachsen (hinten)
Überzeugend: Florian Neubauer und Anna Maria Schmidt in Radebeul Bildrechte: Robert Jentzsch

Mit Leidenschaft weiß die Elbland Philharmonie Sachsen unter Ekkehard Klemm die beiden Kompositionen umzusetzen. Respekt für das Wagnis, mit zwei Opern des 20. Und 21. Jahrhunderts nicht in einer Studiobühne zu experimentieren, sondern sie ins Repertoire in das "große" Haus zu übernehmen!

Besetzung

Musikalische Leitung Ekkehard Klemm
Inszenierung Carmen C. Kruse
Bühne / Kostüm Ralph Zeger
Dramaturgie Ruth Heynen
Choreografie Joao Pedro de Paula
Dirigatassistenz Xincao Zhang
 
Fräulein Julie, Tochter des Grafen Ylva Gruen, Stephanie Atanasov
Jean, Diener Paul Gukhoe Song, Dániel Foki
Kristin, Köchin Anna Maria Schmidt, Menna Cazel
 
Theaterdirektor / Gendarme Gabriel Alexander Wernick
Ihr Ehemann Dániel Foki, Florian Neubauer
Herr Lacouf Kay Frenzel
Herr Presto / Bärtiger Mann Michael König
Zeitungsverkäufer Ylva Gruen, Stephanie Atanasov
Reporter aus Paris Andreas Petzoldt
Sohn Shinyoung Kim, Paul Sutton
eine Frau Antje Kahn
Chor der Landesbühnen Sachsen
Komparserie Michelle Körner
Komparserie Marcel Böhm

Weitere Aufführungen: 4. Februar
01., 10., 15. und 24. März
im Haupthaus der Landesbühne Sachsen
in Radebeul

Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 30. Januar 2024 | 08:40 Uhr

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