Statistiken Orchester Mitteldeutschlands in Zahlen und Grafiken
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21. September 2020, 06:00 Uhr
Die Wende hat auch einen Umbruch für Mitteldeutschlands Orchester bedeutet. MDR KLASSIK nimmt 30 Jahre Deutsche Einheit zum Anlass, um auf ihre Entwicklung in den letzten drei Jahrzehnten zu schauen. Etwa ein Drittel der Planstellen mussten die Orchester seitdem abbauen. Trotzdem gibt es hier nach wie vor eine hohe Orchesterdichte wie sonst nirgends in Deutschland.
Die Wende hat auch im Kulturbereich in Mitteldeutschland ihre Spuren hinterlassen. Vielerorts konnten Orchester nicht mehr finanziert werden. Fusionen und Auflösungen waren die Folge. Wie sehr die Orchester getroffen wurden zeigt ein Blick auf Zahlen der Deutschen Orchestervereinigung (DOV). Demnach ist die Anzahl der ausgeschriebenen Planstellen stark zurückgegangen. Gab es 1992 noch mehr als 2200 Stellen, so waren es 2018 nur noch knapp 1200 – ein Rückgang von mehr als einem Drittel.
Schließungspläne auch in der DDR
Auch in anderen Gegenden Deutschlands wurden Planstellen von Orchestern abgebaut. Trotzdem liegt Mitteldeutschland mit mehr als dreißig Prozent Rückgang über dem Bundesschnitt von etwa zwanzig Prozent. „Alle haben Probleme, die alten Abonnentenstämme sterben“, erklärt Frank Schneider, Musikwissenschaftler und früherer Intendant des Berliner Sinfonie-Orchesters, die Situation. Auch in der DDR habe es bereits Pläne gegeben, Orchester zu schließen, als sie in den 80er Jahren teilweise in leeren Sälen spielten, sagt er.
Beim Stellenabbau nach der Wende hat es vor allem Sachsen-Anhalt schwer getroffen. Von ursprünglich knapp 750 sind nur etwa 370 Stellen übrig. Damit hat das Land etwas mehr als die Hälfte der Planstellen in Orchestern verloren. Das liegt auch daran, dass einige Orchester geschlossen wurden – etwa das Orchester des Theaters Zeitz (2003), des Mitteldeutschen Landestheaters in Wittenberg (2002) und das Telemann-Kammerorchester Michaelstein in Blankenburg (2000). Auch Fusionen, wie die der beiden großen Orchester des Philharmonischen Staatsorchesters Halle und des Opernhauses Halle, ließen die Planstellen schrumpfen.
30 Prozent Rückgang bei Planstellen sächsischer Orchester
In Thüringen schlagen über die lange Zeit hin vor allem die Fusionen der Orchester von Gotha und Suhl und später von Gotha und Eisenach zu Buche. Einst hatten alle drei Klangkörper zusammen mehr als 200 Planstellen. Nach der ersten Fusion der Thüringen Philharmonie Suhl mit dem Landessinfonieorchester Thüringen Gotha stieg die Stadt Suhl Jahre später ganz aus der Finanzierung des Fusionsorchesters aus. 2017 fusionierte dann das Orchester mit dem von Eisenach zur Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach mit heute knapp 60 Planstellen. Insgesamt haben Thüringens Orchester etwa vierzig Prozent ihrer Planstellen eingebüßt.
Am wenigsten wurde der Rotstift bei Sachsens Orchestern angesetzt. Von fast 2000 auf mehr als 1200 ist die Anzahl der Planstellen zurückgegangen. Das sind etwa dreißig Prozent weniger als noch 1992. Das liegt sicher auch an der Bekanntheit und Bedeutung einiger Orchester im Freistaat, wie etwa dem Gewandhausorchester in Leipzig oder der Sächsischen Staatskapelle Dresden.
Größere Städte verlieren weniger
Orchester größerer Städte haben in den meisten Fällen weniger Planstellen streichen müssen als die in ländlicheren Regionen. Die Sächsische Staatskapelle und das Orchester der Staatsoperette in Dresden konnten sogar noch mehr Stellen in den letzten Jahren ausweisen. Die Jenaer Philharmonie und sie Staatskapelle Weimar haben die gleiche Stellenzahl wie 1992.
Trotz des Stellenschwunds insgesamt hat Mitteldeutschland auch immer noch eine reiche Orchesterlandschaft mit Blick auf die Zahl der Klangkörper. In Thüringen kommen jeweils vier Orchester auf eine Million Einwohner. Damit ist der Freistaat deutschlandweit Spitzenreiter. Sachsen kommt mit 3,9 Orchestern knapp dahinter, auf Platz drei folgt Sachsen-Anhalt mit 2,7 Orchestern pro eine Million Einwohner. Länder wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen haben gerademal ein Orchester für eine Million Einwohner.
Situation mittlerweile stabil
Die hohe Orchesterdichte kommt noch aus der Zeit der deutschen Kleinstaaterei im 18. Jahrhundert. „Jeder Hof hat sich ein eigenes Orchester geleistet“, erklärt Frank Schneider. In der DDR habe man dann nach dem Kriegsende zunächst keine Orchester geschlossen. Dort habe sich – anders als im damaligen Westen – die Frage nach der Wirtschaftlichkeit eines Orchesters nicht gestellt. „Man wollte die Arbeiter auch an die klassische Musik heranführen. Andere Alternativen auf kulturellem Gebiet gab es nicht.“
Nach dem starken Stellenabbau der Neunziger und 2000er Jahre hat sich die Situation mittlerweile etwas stabilisiert. Durch die neuen Stellen in Dresden hat Sachsen sogar insgesamt seit 2014 erstmals wieder mehr Planstellen ausschreiben können.
Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK | 21. September 2020 | 08:15 Uhr