Rezension Uraufführung der Oper "Gespenster" in Meiningen
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Oper in einem Akt von Torstein Aagaard-Nilsen, frei nach Henrik Ibsen, Libretto Malin Kjelsrud
26. Februar 2024, 15:55 Uhr
Mit einigen Jahren Corona-Verspätung brachte die längst geplante und dann immer wieder verschobene Uraufführung der Oper "Gespenster" nach Henrik Ibsen den ehemaligen Intendanten Ansgar Haag und den ehemaligen Generalmusikdirektor Philippe Bach zurück ans Staatstheater Meiningen. Die beiden hatten den norwegischen Komponisten Torstein Aagard-Nilsen nach zwei erfolgreichen Orchesterwerken für die Meininger Hofkapelle mit einer neuen Oper betraut, die sehr frei mit Henrik Ibsens Schauspiel "Gespenster" umgeht.
Henrik Ibsens Schauspiel "Gespenster" wurde im Jahr 1886 in Meiningen zum ersten Mal öffentlich in Deutschland gespielt und führte zu einem veritablen Skandal. Schließlich ging es um Familiengeheimnisse, vererbte Geschlechtskrankheiten, Inzest und Sterbehilfe.
Libretto, Bühnenbild, Kostüme
Die Librettistin Malin Kjelsrud hat die Grundkonstellation erhalten, erzählt die Geschichte aber als Rückblick der alten Helene Alving, die ihrem jüngeren Ich in Schlüsselszenen ihres Lebens begegnet.
Der Bühnenbildner Dieter Richter hat den mondänen Wohnbereich einer skandinavischen Villa mit Fjordblick entworfen, die Felsen erinnern an Caspar David Friedrichs "Gescheiterte Hoffnung". Hier agiert die angeblich feine Gesellschaft, wobei Kostümbildnerin Kerstin Jacobssen die Zeitschichten durch unterschiedliche Designs augenfällig von einander abgrenzt.
Handlung, Musik
Die lieblose Ehe zwischen Helene und Erik führt zu einer toxischen Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Sohn Osvald, aber auch der Vater leidet. Die Zwänge bürgerlicher Konventionen sorgen aber für fortgesetztes Unglück, weil sich keiner der Beteiligten daraus befreien kann oder will.
Dazu schrieb Aagaard-Nilsen eine atmosphärische Musik, die Anleihen bei großen Vorbildern wie Richard Strauss, Wagner, Debussy oder archaischen Chorälen macht, aber auch einen deutlichen skandinavischen Einschlag hat, der sich in der Weite der musikalischen Entwicklung zeigt. Vor allem aber kann Aagaard-Nilsen für Singstimmen schreiben, was sich auch an der hohen Textverständlichkeit des gesamten Abends zeigt.
Ensemble, Dirigent, Orchester
Das Ensemble des Meininger Staatstheaters wird angeführt von Marianne Schechtel als verwitwete Helene, an ihrer Seite die junge Helene von Sara-Maria Saalmann.
Berührend ist Monika Reinhard, die als Regine ihrer Verzweiflung mit glasklaren Koloraturen Ausdruck verleiht. Alex Kim ist ein frustrierter Vater mit sicherer Höhe und Mykhailo Kushlyk gibt stimmlich überzeugend den taumelnden Sohn Osvald.
Beim Dirigenten Philippe Bach sind sie alle in sicheren Händen, er fächert mit der Meininger Hofkapelle die Farben der Partitur transparent auf, ohne die Sänger zu bedrängen. Nach der Pause gewinnt die Komposition an dramatischer Wucht, so dass der Jubel des Meininger Uraufführungspublikums für dieses Psychodrama ungeteilt war.
Besetzung
Helene Alving: Marianne Schechtel
Die junge Helene: Sara-Maria Saalmann
Gabriel Manders: Shin Taniguchi
Erik Alving: Alex Kim
Osvald Alving: Mykhailo Kushlyk
Regine Engstrand: Monika Reinhard
Johanne: Emma McNairy
Jacob Engstrand: Mikko Järviluoto
Osvald als Kind: Kinderstatisterie
Es spielt die: Meininger Hofkapelle
Chor des Staatstheaters Meiningen
Musikalische Leitung: Philippe Bach
Regie: Ansgar Haag
Bühne: Dieter Richter
Kostüme: Kerstin Jacobssen
Chor: Roman David Rothenaicher
Dramaturgie: Julia Terwald
Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 24. Februar 2024 | 09:10 Uhr