Zum 75. Geburtstag Herausforderung in Halberstadt: "Rheingold" wird ein besonderer Erfolg
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11. März 2024, 13:58 Uhr
Vor 75 Jahren wurde das Theater in Halberstadt eingeweiht. Damit war es eines der ersten Theater, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder den Regelbetrieb aufnahmen. Zum Jubiläum hat sich das Haus ein besonderes Projekt vorgenommen: "Rheingold", den ersten Teil vom "Der Ring des Nibelungen" von Richard Wagner. Besetzt ist die Oper fast komplett aus dem hauseigenen Ensemble, das vor allem mit Ausdrucksstärke überzeugen kann.
Der Raum ist fast zu weiß. Er wirkt mehr wie eine moderne Galerie als ein Wohnhaus. Hinter einer milchigen Folie ist ein großes Wandbild zu erkennen. Auf der rechten Seite steht ein weißes Podest, auf dem ein Mann in einem roten Anzug steht. Er gestikuliert wild, tänzelt fast spöttisch, als er erzählt, wie die Riesen Freia wegbringen.
Es ist eine der besten Szenen und zeigt, was die Inszenierung von "Das Rheingold" in Halberstadt trotz kleiner Schwäche so besonders macht: Ausdrucksstärke und Spielfreude. Für das Harztheater ist die Produktion des ersten Teils von Wagners "Der Ring des Nibelungen" durchaus eine Herausforderung – auch wenn die weiteren drei Teile nicht vorgesehen sind. Immerhin standen im Harz wieder einige Stellen zur Debatte und auch die Bühne weist keine großen Dimensionen auf.
Doch zum 75. Jubiläum des Hauses in Halberstadt wollte die Theaterleitung etwas Großes auf die Bühne bringen. Und da passt Wagner natürlich wunderbar – immerhin führten Wagner-Aufführungen am Beginn des 20. Jahrhunderts erst zur Gründung des Hauses und die Wagner-Tradition wird bis heute gepflegt.
Zeitgenössische Göttergesellschaft in Halberstadt
Dramaturg und Hausregisseur Marco Misgaiski hat sich für seine erste Wagner-Inszenierung für einen zeitgenössischen und gleichzeitig fast zeitlosen Ansatz entschieden. Ausstatter Tom Grasshof hat die Figuren passend zu den edlen weißen Räumen in Anzüge und enge Abendkleider gesteckt – die Götter gehören eindeutig zu Oberschicht. Die Riesen hingegen tragen die Trachten fahrender Handwerker. Nur hin und wieder wird auf die mythische Grundlage mit Bärten und Flügelhelmen verwiesen.
Sie haben für Göttervater Wotan das neue Haus, das später Walhalla genannt werden soll, gebaut und verlangen nun ihren Lohn. Besonders Fasolt (Valentin Anikin) hat dafür seinen Blick auf die junge Freia (Jessey-Joy Spronck) geworfen, die als Party-Girl der High Society über die Bühne torkelt. Doch die Götter wollen Freia bekannterweise nicht hergeben, vor allem Hinrich Horn als Donner stürmt immer wieder zornig auf die Riesen zu und droht, sie zu verprügeln. Dann tritt Loge (Tobias Amadeus Schöner) in einem roten Anzug mit Spazierstock und Hut auf, schlendert durch die Situation und regt als Lösung an, den Nibelungenhort zu stehlen.
Musikalisch bemerkenswert
Für diese Geschichte hat Wagner ein großes und klanggewaltiges Orchester vorgesehen – das im Graben des Halberstädter Theaters kaum Platz finden würde. Daher wird am Harztheater eine reduzierte Fassung gespielt. Leider gerät dadurch das Wabern zu Beginn, mit dem Wagner den Naturzustand des Rheins auf geniale Weise darstellte, immer wieder ins Stocken, das Blech klingt unsicher.
Das legt sich, als die Streicher einsetzen und allmählich entwickelt Johannes Rieger, Chefdirigent im Harz, einen eigenen Zugang zu Wagners Oper. Abgesehen von den Zwischenspielen, bei denen der Vorhang geschlossen bleibt, bleibt das Orchester eher leise, begleitet die Szene fast wie gute Filmmusik, über die das Ensemble wunderbar hinweg singen kann.
Ensemble aus dem Harz
Bis auf einzelne kleinere Partien konnte sich das Harztheater für die Besetzung auf das eigene Ensemble verlassen, das sich durch bemerkenswerte Textverständlichkeit auszeichnet. Fast jede Silbe ist über dem zurückgenommenen Orchester zu verstehen, sodass es fast wie ein Schauspiel wirkt. Vielleicht ist das ganz im Sinne Wagners, der eben keine Opern sondern Musikdramen komponierte.
Die drei Rheintöchter entwickeln eine wunderbare, gemeinsame Dynamik: Bettina Pierags als Flosshilde hat ein dunkleres Timbre und klingt reifer als Benedicte Hilbert als Woglinde, was sich wunderbar ergänzt. Die Leistung von Juha Koskela als Wotan ist leider etwas durchwachsen. Der Star des Abends war sicherlich Tobias Amadeus Schöner als Loge, den er leichtfüßig wie einen Schalk spielt. Das äußert sich auch wunderbar in seiner Stimme, die mal hell und näselnd ist und in den ernsten Momenten voll und rund. Ähnlich vielseitig zeigt sich auch Samuel Berlad als Alberich: Seine Stimme ist in den Dialogen klar und konzentriert, doch in den arienhaften Monologen setzt er gekonnt Vibrato ein.
Die Kapitalismus-Kritik in "Rheingold"
Wunderbar spielt Berlad die Wandlung von Alberich: Zu Beginn nähert er sich den drei Rheintöchter, die in knappen Show-Outfits mit Fächern spielen, schüchtern und unsicher. Später bewegt er sich selbstsicher durch Nibelheim in einem Nadelstreifen-Anzug, weist seinen Bruder Mime zurecht und schlägt auf ihn ein. Inzwischen wirkt Alberich wie diese jungen Männer, die mit teuren Uhren protzen und Anlage-Tipps geben. Damit verbunden ist oft auch die Vorstellung, dass Geld und Reichtum macht über andere Menschen gibt. Verdeutlicht wird das durch das Rheingold selbst, das in Halberstadt von einer Gruppe Frauen in goldglänzenden Ganzkörperanzügen verkörpert wird. Später, nachdem sich Alberich ihrer bemächtigt hat, tragen sie darüber schwarze Reizwäsche – was leider etwas albern wirkt.
Immer wieder gibt es kleine Irritationen in der Produktion – musikalisch wie szenisch. Gleichzeitig beweist Regisseur Misgaiski einen Blick für Details, beispielsweise wenn sich Mime und Loge zunicken, weil Loge sein Versprechen der Rache für Mime eingelöst hat. So überzeugt der Abend in Halberstadt vor allem mit schauspielerischer Leistung, Ausdrucksstärke und einem wunderbaren Zusammenspiel.
Weitere Informationen
"Das Rheingold" von Richard Wagner
Musikalische Leitung: Johannes Rieger
Inszenierung: Marco Misgaiski
Ausstattung: Tom Grasshof
Mit: Juha Koskela, Samuel Berlad, Tobias Amadeus Schöner, Regina Pätzer u.a.
Dauer: 150 Minuten, keine Pause
Termine:
23. März 2024, 19:30 Uhr in Quedlinburg
5. April 2024, 19:30 Uhr in Bad Elster
21. April 2024, 18 Uhr in Halberstadt
10. Mai 2024, 19:30 Uhr in Halberstadt
20. Mai 2024, 18 Uhr in Quedlinburg
24. Mai 2024, 19:30 Uhr in Halberstadt
Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 11. März 2024 | 07:10 Uhr