"Inseln – Gesang von ferner Nähe" Satz II - "Zornige Sehnsucht" Teil 2
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26. Januar 2024, 15:57 Uhr
Schon im ersten Abschnitt der Hölderlin-Vertonung war zu beobachten, dass Michael Langemann die Verse gemäß ihres Gehaltes mit jeweils neuem musikalischem Material einer anderen Stimmgruppe zuweist – „exponiert“ mit solistischen Stimmen. Auch im zweiten Teil, den wir hier in unserer dritten Folge veröffentlichen, ist dies zu beobachten. Das emotionale und musikalische Motiv der „zornigen Sehnsucht“ setzt sich so durch alle Stimmen fort.
Mich tröstete das blinkende Kelchglas nie,
Mich nie der Blick der lächelnden Tändlerin,
Soll ewig Trauern mich umwolken?
Ewig mich töten die zornige Sehnsucht?
Aus: Friedrich Hölderlin "Zornige Sehnsucht"
Ich duld' es nimmer! ewig und ewig so
Die Knabenschritte, wie ein Gekerkerter
Die kurzen vorgemeßnen Schritte
Täglich zu wandeln, ich duld es nimmer!
Ist's Menschenlos – ist's meines? ich trag es nicht,
Mich reizt der Lorber, – Ruhe beglückt mich nicht
Gefahren zeugen Männerkräfte
Leiden erheben die Brust des Jünglings.
Was bin ich dir, was bin ich, mein Vaterland?
Ein siecher Säugling, welchen mit tränendem
Mit hoffnungslosem Blick die Mutter
In den geduldigen Armen schaukelt.
Mich tröstete das blinkende Kelchglas nie,
Mich nie der Blick der lächelnden Tändlerin,
Soll ewig Trauern mich umwolken?
Ewig mich töten die zornige Sehnsucht?
Was soll des Freundes traulicher Handschlag mir,
Was mir des Frühlings freundlicher Morgengruß
Was mir der Eiche Schatten? was der
Blühenden Rebe, der Linde Düfte?
Beim grauen Mana! nimmer genieß ich dein
Du Kelch der Freuden, blinktest du noch so schön
Bis mir ein Männerwerk gelinget
Bis ich ihn hasche, den ersten Lorbeer.
Der Schwur ist groß. Er zeuget im Auge mir
Die Trän' und wohl mir wenn ihn Vollendung krönt
Dann jauchz auch ich du Krais der Frohen,
Dann o Natur, ist dein Lächeln Wonne.
Erläuternder Text von Philipp Ahmann
Die Emotion der „zornigen Sehnsucht“ setzt sich fort. Vier Stimmgruppen – Sopran, Alt, Tenor, Bass – präsentieren eine im Aufbau verwandte Melodie, die nach wie vor gefangen zu sein scheint. Wie im Kreis drehen sich die wenigen Töne, ohne Möglichkeit auszubrechen. Lediglich beim letzten Vortrag des Soprans entsteht der Eindruck, dass sich die Melodie ein Stück weit verändert und eine Struktur bekommt, die dieses ewige Kreisen durchbrechen könnte…
Das melodische Material der einzelnen Stimmen geht in ein Summen über, das schließlich in einen weiträumigen, geschichteten Akkord mündet. Dieser markiert gleichzeitig den Beginn von Satz III.
Über dieses Thema berichtet das MDR FERNSEHEN: MDR um 11 | 18.9.2020 | 11:00 Uhr