Porträt Dennis Russell Davies – ein Amerikaner in Leipzig
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04. April 2024, 16:44 Uhr
Dennis Russell Davies, der seit über 50 Jahren am Dirigentenpult steht, hat in seiner langen Laufbahn die unterschiedlichsten Orchester mit Musik aller Epochen dirigiert und ist in der Musikwelt bestens vernetzt. Seit September 2020 ist er der Chefdirigent des MDR-Sinfonieorchesters.
Pianist, Vater, Dirigent, Anwalt der musikalischen Moderne – Dennis Russell Davies vereint viele Berufe und Berufungen in sich. Seit September 2020 ist er Chefdirigent des MDR-Sinfonieorchesters.
Kindheit und Jugend: Von Ohio in die Welt
Davies stammt aus Ohio im mittleren Westen der USA. Hier ist er 1944 geboren und aufgewachsen. Seine Eltern förderten schon früh das musikalische Talent ihrer drei Kinder. Dennis, der Älteste, ging später nach New York und studierte an der berühmten Juilliard School Klavier und Orchesterdirigieren. Dort entdeckte er seine Liebe zur zeitgenössischen Musik, arbeitete u.a. erstmals mit Hans Werner Henze zusammen.
Dennis Russell Davies blickt auf eine Laufbahn von über 50 Jahren zurück, in der er die renommiertesten Orchester Nordamerikas und Europas dirigierte, darunter das Philadelphia Orchestra, das Boston Symphony Orchestra, das New York Philharmonic Orchestra, das Concertgebouworkest Amsterdam, das Orchestra Filarmonica della Scala Milano, das Gewandhausorchester Leipzig und die Berliner Philharmoniker.
Davies, der Anwalt der zeitgenössischen Komponisten
Während Davies immer das klassische sinfonische Repertoire pflegte, ist sein Herzensanliegen die Neue Musik. Früh erarbeitete er sich einen Ruf als Kenner und Versteher der zeitgenössischen Komponisten.
Ich möchte den Komponisten zu seinem Besten darstellen. Ich bin der Anwalt der Komponisten. Der Komponist schreibt eine Partitur. Er hat was in der Seele und im Herzen. Und dann ist es da auf einem Papier. Ich versuche zu verstehen, was der Komponist in seiner Zeit gemeint hat und dann versuche ich das zu übersetzen in unsere Zeit.
Unermüdlich setzte Davies von Anfang an die Musik von Pärt, Glass, Cage, Copland, Henze, Yi, Kantscheli und vielen mehr auf seine Konzertprogramme, dirigierte Ur- und Erstaufführungen. Viele der Komponisten wurden ihm enge Freunde. Gleichzeitig öffnete er sich neuen Publikumsschichten auch durch Kooperationen mit Menschen aus anderen Musikrichtungen wie Keith Jarrett oder Till Brönner.
Davies, der Bruckner-Spezialist und Kammermusiker
Zwischen 2002 und 2017 war Dennis Russell Davies Opernchef und Chefdirigent des Bruckner Orchesters Linz. Mit diesem Ensemble spielte er sämtliche Bruckner-Sinfonien in allen Fassungen ein und machte sich einen Namen als Spezialist für das Werk des Österreichers. In Davies‘ umfangreicher Diskographie finden sich außerdem u.a. die Aufnahmen aller Sinfonien von Haydn, Glass und Honegger.
Der Nachhall von Bruckner ist heute unter den Minimalisten zu finden.
Seit seiner Zeit beim Bruckner Orchester lebt Davies mit seiner Frau, der Pianistin Maki Namekawa, und der gemeinsamen Tochter in Linz. Als Klavierduo tritt er seit 2003 mit seiner Frau auf, gemeinsam haben sie zahlreiche CDs eingespielt und geben weltweit Konzerte. Davies spielt im Duo den Bass. Er sei ein fantastischer Begleiter, findet seine Frau.
Man hört in seinem Klavierspiel schon den Orchesterklang. Diese Tiefe, diese Perspektive hat er wahnsinnig. Das gefällt mir so sehr.
In Linz blieb die Familie auch, als Dennis Russell Davies von 2009 bis 2016 Chefdirigent des Sinfonieorchesters Basel wurde und in der Spielzeit 2018/19 Künstlerischer Leiter und Chefdirigent der Filharmonie Brno. Seine Tochter Isabell wächst mit dem berühmten Künstler als Vater auf.
Ich habe mittlerweile sechs Kinder. Isabell ist die jüngste und die Letzte. Aber ich versuche immer, dass die auf mich zählen können. Ich habe viel Zeit investiert, meine Eltern waren auch so. Das Einzige, was wir als Eltern wirklich schenken können ist: Erfahrung und unsere Zeit in sie zu investieren. Man kann vieles am Telefon machen, aber dann muss man auch dort sein.
Zweite Chance beim MDR in Leipzig
Mit 76 Jahren und mitten in der Corona-Pandemie kam Dennis Russell Davies im Herbst 2020 nach Leipzig zum MDR. Der Dirigent und das MDR-Sinfonieorchester sind sich durch verschiedene gemeinsame Konzerte mit stilistisch vielfältigen Programmen seit Langem verbunden. 2007 wollte der MDR ihn schon einmal als Chefdirigenten verpflichten. Die Verhandlungen waren schon fast vollendet, da erkrankte Davies schwer an Krebs und sagte ab. Nach seiner Genesung betrachtet er das erneute Angebot aus Leipzig als „zweite Chance“.
Dieses Mal ging es mir gut, da habe ich ja gesagt.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Lebensläufe | 17. Juni 2021 | 23:10 Uhr