Ungarn Aufenthaltsgenehmigung gegen Cash
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13. Oktober 2016, 11:36 Uhr
Ungarn macht die Grenzen dicht. Migranten sind nicht willkomen. Oder ist das etwas nur eine Frage des Geldes? Für 300.000 Euro plus einer hohen Gebühr rollt das Land jedem Ausländer den roten Teppich aus. Ein lukratives Geschäft für … Ja, für wen eigentlich?
Migration sei Gift. Ungarn brauche keinen einzigen Migranten, meinte Ungarns Ministerpräsident Viktór Orbán Ende Juli in Budapest. Doch das gilt offenbar nur, wenn die Einwanderer arm sind. Wer reich genug ist, kann sich dagegen seit 2013 vom ungarischen Staat eine Aufenthaltsgenehmigung für den Schengen-Raum kaufen. Vollkommen legal und im internationalen Vergleich unschlagbar preiswert.
60.000 für die ganze Familie
Das funktioniert so: Ein Ausländer erwirbt ungarische Staatsanleihen im Wert von 300.000 Euro. Allerdings nicht direkt vom Staat, sondern durch eine speziell dafür lizensierte Firma. Die wickelt den Kauf ab, hält die Staatsanleihen und kassiert eine Gebühr von rund 60.000 Euro. 20 Prozent des Gesamtvolumens. Ist der Zahlungseingang an die Firma bestätigt, erhält der Investor binnen 30 Tagen eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für Ungarn und den gesamten Schengen-Raum - und zwar nicht nur für sich selbst, sondern auch für Ehepartner, abhängige Kinder und Eltern.
Abwicklung bequem im Konsulat
Nach fünf Jahren werden die Staatsanleihen fällig und der Käufer erhält die 300.000 Euro zurück. Die Aufenthaltsgenehmigungen darf er behalten - für einen effektiven Preis von 60.000 Euro. Kein Wunder, dass dieser Deal als "Europas bestes Angebot" beworben wird. Bequem ist es außerdem: Man muss dafür nicht nach Ungarn kommen, das Ganze lässt sich auch in einem Konsulat abwickeln.
Das Geschäft brummt
Inzwischen haben nach Angaben von Tamás Wiedemann, Wirtschaftsredakteur der ungarischen Tageszeitung "Magyar Nemzet", knapp 4.000 Menschen zugegriffen. Rund 16.000 Aufenthaltsgenehmigungen seien auf diese Weise ausgestellt worden. Etwa 80 Prozent der Einwanderer kommen laut Tamás Wiedemann aus China. Die Sicherheitsüberprüfungen seien lax. Man müsse zwar ein sauberes polizeiliches Führungszeugnis vorweisen, allerdings nur aus dem Land, in dem man aktuell gemeldet sei. Ein Umzug, und alle Vorstrafe sind verschwunden.
Und wer verdient am Deal?
Doch den Journalisten hat vor allem stutzig gemacht, dass der eigentliche Profiteur dieser Konstruktion nicht der Staat und damit der Steuerzahler ist, sondern die Firmen, die die Deals abwickeln. Sie erhalten für sehr wenig Arbeit eine üppige Vermittlungsgebühr von 60.000 Euro und streichen außerdem die Profite ein, die die Staatsanleihen bringen. Pikant ist außerdem, dass von den fünf Firmen, die für diese Geschäfte lizensiert wurden, nur eine ihren Sitz in Ungarn hat. Die anderen sind an Orten registriert, die für ihren diskreten Umgang mit Geld bekannt sind: Cayman Islands, Liechtenstein und Zypern.
Die Vermittler-Firmen haben mittlerweile zwischen 300 Millionen und 400 Millionen Euro verdient. Doch warum lässt der ungarische Staat zu, dass private Anbieter für derart wenig Leistung derart viel Geld einstreichen? Tamás Wiedemann glaubt, dass regierungsnahe Personen oder Firmen hinter den Geschäften stecken. Diejenigen, auf deren Namen die Firmen laufen, so vermutet Wiedemann, sind Strohmänner. Die Regierung jedenfalls und auch die Abgeordneten der regierenden Partei Fidesz hätten auf Nachfragen nicht reagiert. Und auch die ungarische Polizei sehe keinen Grund zu ermitteln.