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"Die Zivilgesellschaft war niemals stark in Ungarn"

24. Januar 2017, 15:58 Uhr

Viktor Orban will die NGOs in Ungarn "wegputzen". - Die Historikerin Eva Balogh äußert sich über Orbáns Vorgehen gegen die ungarischen NGO, den Zustand der Zivilgesellschaft und was Donald Trump mit alldem zu tun hat.

In welchem Zustand ist die ungarische Zivilgesellschaft heute?

Die Zivilgesellschaft war niemals besonders stark in Ungarn. Während des Kádár-Regimes kamen Zusammenkünfte von Menschen nicht in Frage. Deshalb ist sie erst langsam gewachsen. In der Vergangenheit gab es eine Menge Umweltgruppen, aber natürlich sind die drei wichtigsten Organisationen die internationalen: Transparency International, das ungarische Helsinki-Kommitee und eine Gruppe namens TASZ (Társaság a Szabadságjogokért, eine Bürgerrechtsorganisation – d. Red.). Diese drei stören Orbán am meisten, gegen sie richtet sich dieser Angriff. Aber grundsätzlich schätzt die Regierung keinerlei Kritik oder Kontrolle. Insofern bin ich nicht überrascht, dass das passiert.

Die ungarische Regierung ist bereits in der Vergangenheit gegen NGOs vorgegangen...

Ja, das war vor ein paar Jahren ein großer Aufruhr. Die Regierung ist damals mit der Polizei gegen Ökotárs (eine NGO, die sich vor allem mit Umweltfragen befasst – d. Red.) vorgegangen, die durch eine Stiftung der norwegischen Regierung finanziert wurden. Dank der starken Haltung der norwegischen Regierung musste die ungarische Regierung einen Rückzieher machen. Aber das war schon ein Menetekel, dass das früher oder später passieren würde.

Aber ich glaube, jetzt, mit Donald Trump als Präsident der USA, glaubt die Regierung, dass sie das tun können. Sie glauben nicht, dass Trump etwas dagegen unternehmen wird, wie es die Regierung von Obama tat.  Ich glaube, die ungarischen Machthaber freuen sich auf eine komplett neue Ära.

Wie hat denn die ungarische Bevölkerung auf das Vorgehen gegen die NGOs damals reagiert?

Die Ungarn sind heutzutage recht still. Sie reden immer von ihrer großen revolutionären Vergangenheit, aber Tatsache ist, dass sie sich sehr selten über etwas aufregen oder ihre Stimme erheben.

Derzeit macht es allerdings den Eindruck, als ob die Konfrontation mit den NGOs, und die Behauptung, diese seien Agenten ausländischer Interessen, der ungarischen Regierung auf internationaler Ebene mehr schadet, als die NGOs es selbst jemals könnten...

Dem stimme ich zu. Ich glaube, sie in einer putinesken Art und Weise zu behandeln, wird in der internationalen Gemeinschaft nicht besonders gut ankommen. Ich weiß nicht, ob Orbán das wirklich bedacht hat. Andererseits: Orbans Plan ist es offensichtlich, in Ungarn das Gefühl zu erzeugen, dass immer irgend jemand gegen sie ist, dass Migranten, oder auch Fremde, Soros oder Brüssel, das Land bedrohen. Dass würde am Ende nur Orbán nutzen.

Gibt es denn überhaupt nennenswerten zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen Orbán?

Ich könnte keine Gruppierung nennen, auch nicht zwei oder drei, die das leisten kann. Gerade jetzt gibt es eine Gruppe junger Menschen, die etwas angefangen haben, dass sich „Momentum“ nennt (eine Gruppe, die zunächst einmal Olympische Spiele im Budapest verhindern will – d. Red.). Es gibt da einen erfrischenden Gedanken, wenn ich das richtig verstanden habe: Dass sie eine Partei werden wollen, dass sie mit Parteien zusammenarbeiten wollen. Das ist neu. Bisher war das Problem immer, dass die zivilgesellschaftlichen Gruppen  sich geweigert haben, irgendetwas mit den Parteien gemeinsam zu machen - meiner Ansicht nach eine Sackgasse.

Eva S. Balogh floh als Studentin während der Revolution 1956 aus Ungarn zunächst nach Kanada. Sie studierte Geschichte und siedelte in die USA über, wo sie an der Universität Yale osteuropäische Geschichte unterrichtete. Sie lebt in Conneticut und bloggt auf hungarianspectrum.org über die politische Entwicklung in Ungarn.