Bahnverbindungen nach Polen: Kein Zug auf dieser Strecke
Hauptinhalt
08. Dezember 2017, 18:36 Uhr
Mit dem Fahrplanwechsel der Deutschen Bahn rücken deutsche Ballungszentren näher zusammen. Ins Nachbarland Polen hingegen kommt man mit dem Zug kaum. Auch, weil der politische Wille fehlt - in Deutschland.
„Vor dem Zweiten Weltkrieg fuhren täglich 34 Züge zwischen Breslau und Berlin. Heute gibt es regulär keinen einzigen“ fasst Maciej Zathey resignierend die aktuelle Anbindung seiner Heimat an die deutsche Hauptstadt zusammen. Zathey ist Direktor des Breslauer Instituts für Regionalentwicklung, das besonders nach Deutschland schaut: "Wir wollen den Grenzraum verflechten, Leute zusammenbringen. Das gilt für den grenznahen Raum genauso, wie für die großen Metropolregionen."
Das wirtschaftlich und kulturell aufstrebende Breslau liegt nur 350 Kilometer von Berlin entfernt, nach Dresden sind es gerade einmal 250 - Welten, wenn man sie mit dem Zug zurücklegen will. Vier Stunden dauert die Fahrt in die sächsische Landeshauptstadt, teilweise mit 50 km/h. Heute zwischen Polen und Deutschland Zug zu fahren geht nur auf wenigen Strecken, dauert lange und ist teuer.
Viele Probleme, wenige Züge
Die Gründe sind vielfältig. Nach dem Krieg wurden viel Gleise von Deutschland Richtung Polen demontiert, eine Präventivmaßnahme der Sowjets. Die übrigen Strecken wurden nicht elektrifiziert. In Deutschland sind es einige bis heute nicht, etwa zwischen Cottbus und der polnischen Grenze, auf der einstigen Hochgeschwindigkeitsstrecke Breslau-Berlin. In den 1930er Jahren verband der "Fliegende Schlesier" die beiden Städte in weniger als drei Stunden.
Es gibt aber auch technische Probleme", sagt Jürgen Murach. Der Verkehrsplaner und Eisenbahnenthusiast leitet die AG Polen der Berliner SPD: "Polen hat Wechselstrom, wir Gleichstrom. Außerdem sind Brems- und Sicherheitssystem unterschiedlich. So gibt es nur wenige Lokomotiven, die überhaupt über die Grenze fahren können."
Angebot schafft Nachfrage
Und so gibt der grenzübergreifende Verkehr heute ein trauriges Bild ab: sechs reguläre Verbindungen gibt es zwischen den Nachbarländern im Herzen Europas, außer dem "Berlin-Warszawa-Express" alles Regionalzüge. Hinzu kommt ein "Kulturzug" zwischen Berlin und Breslau, der nur am Wochenende fährt. Er wurde vor zwei Jahren auf öffentlichen Druck eingeführt, kurz bevor Breslau 2016 Kulturhauptstadt Europas wurde.
Der Kulturzug wurde aus einem Sondertopf des Bundes finanziert, planmäßig fährt er nur noch ein Jahr. Zuvor hatte die Deutsche Bahn die Strecke gestrichen. Sie sei nicht wirtschaftlich, so die Argumentation, die Verkehrsplaner Murach aber nicht gelten lässt: "Angebot schafft Nachfrage. Das hat man am Kulturzug gesehen. Der war im Sommer teilweise so überfüllt, dass man Leute am Bahnsteig zurücklassen musste."
Die Politik ist gefordert
"Das Verkehrsaufkommen zwischen Deutschland und Polen steigt ständig. Der Anteil der Bahn daran liegt aber nur bei drei Prozent und stagniert seit Jahren", meint Murach. Ähnlich sieht es Anja Schmotz vom Fahrgastverband Pro Bahn: "Wenn das Angebot passt, dann werden viel mehr Leute Bahn fahren." Dafür seien aber attraktivere Angebote nötig: Da geht es nicht nur um die Länge der Fahrt: Man braucht zum Beispiel auch Früh- und Spätverbindungen für Tagesreisende und komfortable Züge mit Möglichkeiten zum Arbeiten."
Jedoch können die Angebote nur so gut sein wie die Strecken. Und die sind in einem erbärmlichen Zustand. So sind sie an vielen Stellen eingleisig und nicht elektrifiziert. Sachsen und Brandenburg investieren zwar, die Mittel reichen aber nicht für die nötige Generalsanierung der Trassen, meint Jürgen Murach von der SPD Berlin: "Die Länder haben das rausgeholt, was rauszuholen ist. Jetzt ist der Bund gefordert."
Grenzübergreifender Verkehr als Integrationsprojekt
Denn dass es anders geht, zeigt sich auf polnischer Seite. Dort sollen alle grenznahen Strecken bis 2020 elektrifiziert sein. Viele sind es bereits, erklärt Murach. "Wenn Sie von Berlin nach Usedom wollen, dann sind sie mittlerweile über Stettin schneller, als wenn sie auf deutscher Seite fahren." Nun müsse man auf den Bahngipfel im Februar warten, dann soll dem Verkehrsminister eine Forderungsliste für den grenzübergreifenden Verkehr übergeben werden.
"In die Neubaustrecke Berlin-München wurden zehn Milliarden Euro gesteckt. Für 300 Millionen könnten wir alle Trassen Richtung Polen sanieren", meint Murach. Auch von der Bahn wünscht sich der Verkehrspolitiker, dass diese bessere Verbindungen anbietet, unabhängig von Rentabilitätsrechnungen: "Es geht auch um das Zusammenwachsen Europas. Das ist ein Integrationsprojekt, kein Wirtschaftsprojekt."
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im:
Radio | 08.12.2017 | 14:00 Uhr
Fernsehen | 08.12.2017 | 10:55 Uhr