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Polen Falsche Merkel auf "Staatsbesuch"

16. März 2017, 08:26 Uhr

Eine Satireserie, die den inoffiziellen Staatschef Polens, Jarosław Kaczyński, parodiert, feiert in Polen große Erfolge. In der jüngsten Folge hat auch Kanzlerin Merkel einen "Gastauftritt".

Als Anfang des Jahres die erste Folge von "Ucho Prezesa" ("Das Ohr des Vorsitzenden") online ging, war ganz Polen elektrisiert. Eine Satireserie wagte es, den inoffiziellen Staatschef Jarosław Kaczyński auf die Schippe zu nehmen - mit all seinen Intrigen, seinem autoritären Politikstil und seinen persönlichen Marotten. Die Macher landeten einen spektakulären Erfolg. Die jüngste Folge, in der Bundeskanzlerin Merkel den PiS-Vorsitzenden besucht, gilt als eine der besten.Schauplatz der Satireserie ist das Arbeitszimmer von Jarosław Kaczyński. Alle Figuren sind realen Politikern nachempfunden - allen voran Kaczyński, der einem Herrscher gleich seine Parteigenossen und -gänger in einer Art Audienz empfängt. Viele kommen um kleinere oder größere politische Geschäfte zu erledigen, wollen beim mächtigsten Mann im Staat Gehör finden - daher der Titel der Satireserie "Das Ohr des Vorsitzenden".

Auch Bundeskanzlerin Merkel erscheint eines Tages und bittet mit deutlich ostdeutschem Akzent um Zutritt. Die Wahl des neuen EU-Ratspräsidenten steht bevor und Merkel will ein gutes Wort für ihren Wunschkandidaten Donald Tusk einlegen. Mit ihren unnachahmlichen Gesten bringt sie ihr Anliegen vor - erstaunt darüber, dass die polnische Regierungspartei ihrem Landsmann Tusk die Unterstützung verweigert. Erreichen kann sie freilich nichts - Kaczyński redet kaum mit ihr, beschränkt sich darauf, gütig zu lächeln, und zum Schluss wird die Unterredung von der Sejm-Abgeordneten und militanten Deutschenhasserin Krystyna Pawłowicz gesprengt.

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Versteckte Bedeutungen

Die Folge strotzt nur so von witzigen Anspielungen auf die aktuelle Politik und das schwierige deutsch-polnische Verhältnis. Als Musikbett für die Begrüßung der Kanzlerin dient beispielsweise die EU-Hymne - allerdings misstönend auf einer kaputten Harfe gespielt. Als Staffage im Arbeitszimmer Kaczyńskis müssen zwei gekreuzte Schwerter herhalten - eine Anspielung an die Schlacht von Tannenberg 1410, eine der wenigen, bei der die Polen über die Deutschen, genau genommen über den Deutschen Ritterorden siegten. Aufgrund dieser Fülle witziger Anspielungen gilt diese Folge als eine der besten der ganzen Serie.

Hinter der erfolgreichen Satireserie steht eine in Polen bekannnte Kabarett-Truppe "Kabaret Moralnego Niepokoju" ("Kabarett Moralischer Unruhe"). In der Vergangenheit hatte sie bereits mit einer Parodie von Donald Tusk und der Vorgängerregierung von sich reden gemacht. Jede Folge hat zwischen drei und sieben Millionen Aufrufe auf Youtube. Damit kommt "Das Ohr des Vorsitzenden" an die beliebtesten polnischen Fernsehserien heran.

Keine Fernsehausstrahlung

Da die polnische Fernsehlandschaft stark polarisiert ist - die öffentlich-rechtlichen Sender gelten als Propagandatube der Regierung, die Privatsender hingegen als oppositionsnah - hatten sich die Macher entschieden, ihr Werk nur im Internet zu zeigen. Um die Gefahr politischer Einflussnahme zu minimieren, waren sie außerdem in Vorleistung gegangen und hatten die erste Staffel aus eigener Tasche finanziert. Diese konnte binnen weniger Tage ein Millionenpublikum erreichen.

Inzwischen hat ein VOD-Portal die Finanzierung der Dreharbeiten übernommen - dort sind die neuen Folgen einige Tage früher als auf Youtube zu sehen. Eine Ausstrahlung im Fernsehen ist indes nach wie vor nicht vorgesehen.