Rumänien Widerstand gegen Lockerung der Anti-Korruptionsgesetze wächst
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03. Februar 2017, 16:41 Uhr
In Rumänien gehen derzeit so viele Menschen auf die Straße wie seit dem Sturz der Ceausescu-Diktatur 1989 nicht mehr. Sie protestieren dagegen, dass die Regierung die Strafverfolgung bei Korruption und Amtsmissbrauch deutlich aufweichen will. Die sozialliberale Koalition hatte dazu am Dienstagabend ein Dekret im Eilverfahren erlassen. Das Verfassungsgericht wurde bereits angerufen. Johannis hat angesichts der angespannten Lage seinen geplanten Besuch des SemperOpernballes in Dresden abgesagt.
Unruhige Zeiten in Rumänien: Auch fürs Wochenende wird wieder im ganzen Land zu Demonstrationen gegen die Lockerung der Anti-Korruptionsgesetze aufgerufen. Seit Mittwoch protestieren Zehntausende Rumänen jeden Abend gegen den Eilbeschluss der sozialliberalen Regierung, der Korruption und Amtsmissbrauch unter geringere Strafen stellt. Am Mittwochabend gingen allein in der Hauptstadt Bukarest trotz eisiger Temperaturen rund 100.000 Menschen auf die Straße. Etwa 300.000 sollen es landesweit gewesen sein. Es sind die größten Protestkundgebungen in Rumänien seit dem Ende der Ceausescu-Diktatur 1989.
Mehrere Beschwerden beim Verfassungsgericht
Widerstand gegen das Dekret kommt aber auch aus den Reihen von Justiz und Politik. Bereits am Mittwoch, wenige Stunden nach der Verabschiedung der Eilverordnung im Kabinett am späten Dienstagabend, legte die rumänische Justizaufsicht Beschwerde beim Verfassungsgericht ein. Präsident Klaus Johannis, der sich den Kampf gegen Korruption auf die Fahnen geschrieben hat, rief am Donnerstag ebenfalls das Verfassungsgericht an und forderte eine Annullierung des Dekrets. Zugleich rief er die Regierung auf, die Justiz nicht weiter zu behindern oder etwa zu versuchen, die Antikorruptionseinheit der Staatsanwaltschaft abzuschaffen. Am Freitag zog der rumänische Ombudsmann Victor Ciorbea nach. Er begründete seine Beschwerde mit Verfahrensmängeln. Als Ombudsmann hat er sicherzustellen, dass die Regierung rechtmäßig handelt.
Erster Minister zurückgetreten
Ungewöhnlich im Konflikt um die Eilverordnung ist außerdem, dass deswegen ein Minister und zwei Staatssekretäre zurücktreten. Der parteilose Handelsminister Florin Jianu erklärte auf seiner Facebook-Seite, er könne die Maßnahme der Regierung nicht vertreten und wolle seinem Kind später "in die Augen schauen" können. Justizminister Florin Iordache lässt sein Amt vorerst bis 7. Februar ruhen, sieht sich aber Rücktrittsforderungen vom Vizepräsidenten der mitregierenden sozialdemokratischen Partei (PSD) ausgesetzt. Einige Lokalpolitiker verließen inzwischen aus Protest die PSD.
Regierung lenkt nicht ein
Trotz anhaltender Proteste auf der Straße und erster Ablehnungen in den eigenen Reihen hält die Regierung an der Eilverordnung fest. Das bekräftigte sie am Donnerstag. In Kraft treten wird das umstrittene Dekret am 11. Februar. Bis dahin können die Gegner also noch mehr Druck aufbauen und möglicherweise die Lockerung der Strafverfolgung bei Korruption und Amtsmissbrauch verhindern.
Korrupte Politiker profitieren vom Dekret
Der Eilerlass sieht vor, dass viele Vergehen gar nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden und Amtsmissbrauch nur noch mit Gefängnisstrafen geahndet wird, wenn der Streitwert über 50.000 Euro beträgt. Dies käme dem PSD-Chef Liviu Dragnea zugute, der derzeit wegen Amtsmissbrauchs mit einem Schaden von rund 24.000 Euro vor Gericht steht. Die drohende Verurteilung würde Kandidaturen für hohe Staats- und Regierungsämter verhindern. Außerdem soll es eine Amnestie für Straftäter mit weniger als fünf Jahren Gefängnis geben. Auch davon würden viele Politiker profitieren, die derzeit wegen Korruption und Amtsmissbrauch einsitzen.
Präsident Johannis sagt Besuch in Dresden ab
Angesichts der angespannten Lage hat Präsident Johannis am Freitag seinen geplanten Besuch in Dresden abgesagt. Er wollte dort auf dem SemperOpernball den St. Georgs Orden persönlich entgegennehmen. Wie die sächsische Staatskanzlei mitteilte, soll eine Videobotschaft von Johannis gezeigt werden.
Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: Radio | 03.02.2017 | 12:12 und 14:08 Uhr