Rumänien Kein Ende der Proteste
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08. Februar 2017, 14:16 Uhr
Obwohl die Regierung ein umstrittenes Dekret, das mildere Strafen für Korruption vorsah, zurücknahm, waren Zehntausende Rumänen auf den Straßen. Sie ahnen wohl, dass sie für's Erste nur einen Etappensieg verbucht haben.
Fürwahr ungewöhnliche Ereignisse: Da marschierte ein Staatspräsident inmitten Zehntausender Demonstranten durch die Hauptstadt, um gegen einen Erlass seiner eigenen Regierung zu demonstrieren. Geschehen ist genau dies am ersten Februarwochenende 2017 in der rumänischen Hauptstadt Bukarest. Zehntausende Bürger protestierten vehement gegen einen Eilerlass, den die Regierung nur wenige Tage zuvor, am 1. Februar 2017, verkündet hatte. Der Eilerlass sah vor, dass die Strafen für Korruption und Amtsmissbrauch künftig deutlich milder ausfallen sollen: Nur wenn der entstandene Schaden über 200.000 Lei (etwa 50.000 Euro) liegt, hätten Haftstrafen verhängt werden können. Dieser Erlass hatte auch den rumänischen Staatspräsidenten Klaus Johannis derart in Rage gebracht, dass er sich nicht mehr anders zu helfen wusste, als sich spontan den Demonstranten anzuschließen. Gleich nach der Veröffentlichung des Eilerlasses hatte Johannis von einem "Trauertag für den Rechtsstaat, dem ein harter Schlag von den Gegnern der Justiz und des Kampfes gegen die Korruption versetzt" worden sei, gesprochen. Deutlicher geht es nicht. Der Regierung jedenfalls blieb angesichts der anhaltenden und mit jedem Tag lauter werdenden Proteste nichts anderes übrig, als das Dekret vier Tage nach seinem Erlass wieder zu kassieren. Die rumänischen Bürger hatten für's Erste obsiegt.
Von dem Dekret hätten vor allem korrupte Politiker profitiert
Von dem Eilerlass der sozialdemokratischen Regierung hätten etwa 2.500 Häftlinge profitiert, die wegen Korruption und Amtsmissbrauch in den rumänischen Gefängnissen einsitzen. Viele von ihnen sind - Politiker. Sie hätten umgehend aus der Haft entlassen werden müssen, da in den meisten Fällen der entstandene Schaden unter dem Grenzwert von 200.000 Lei liegen soll. Aber auch Politikern oder anderen wegen Korruption und Amtsmissbrauch vor Gericht stehenden Personen wäre die Eilverordnung natürlich nicht ungelegen gekommen. Prominentester Profiteur übrigens hätte der Vorsitzende der Sozialisten (PSD), Liviu Dragnea, sein können, der wegen mutmaßlichen Amtsmissbrauchs vor Gericht steht. In seinem Fall geht es um 100.000 Lei. Damit wäre Dragnea locker um eine Haftstrafe herum gekommen.
Proteste gehen weiter
Die rumänischen Bürger haben eine Aufweichung der durchaus strengen Antikorruptionsgesetze in ihrem Land durch den Eilerlass der Regierung verhindern können. Das ist ein riesiger Erfolg der Zivilgesellschaft. Damit aber scheinen sich die Rumänen keineswegs zufrieden zu geben. Denn auch nachdem die Regierung die Rücknahme des Dekrets beschlossen hatte, gingen sie nicht einfach nach Hause. Ganz im Gegenteil: Die Proteste nahmen an Schärfe noch einmal zu. Medienberichten zufolge versammelten sich am Sonntag, dem 5. Februar 2017, landesweit eine halbe Million Menschen auf den Straßen und Plätzen Rumäniens, um ihrem Unmut über die Regierung Ausdruck zu verleihen. Allein auf dem Siegesplatz in Bukarest demonstrierten 250.000 Menschen. In Timisoara beteten an die 40.000 Demonstranten gemeinsam das Vaterunser und in Ploiesti knieten die Menschen vor der Parteizentrale der örtlichen Sozialdemokraten nieder und forderten den Rückzug der Regierung.
Insgesamt ahnen die Rumänen wohl, dass die Regierung ihre Pläne, die Anti-Korruptionsgesetze zu lockern, wohl nicht so ohne weiteres aufgeben wird. Das Dekret ist für's Erste zurückgenommen. Doch die Regierung ließ im Anschluss daran vieldeutig verlautbaren, dass man in naher Zukunft über eine Neufassung des Gesetzes erneut debattieren müsse.
(Quelle: Eine umstrittene Rolle rückwärts, Deutschlandfunk, 6. Februar 2017; Eine halbe Million Rumänen auf der Straße, spiegel online, 5. Februar 2017)