Heute im Osten - Die Reportage Die Jobkarawane - Meine Eltern auf Montage
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Ein Film von Tom Kühne
05. Januar 2016, 09:31 Uhr
Jobnomaden sind Menschen, die aus beruflichen Gründen hunderte Kilometer von ihrem Wohnort entfernt arbeiten. Ein Schicksal, das Millionen Menschen betrifft, im Osten Deutschlands und in Osteuropa.
Von Ost nach West
Sven Krause aus Halberstadt hat eine typische Nachwende-Pendler-Biographie. Der gelernte Industriemonteur ist seit 22 Jahren auf Montage. Gut bezahlte Arbeit in seiner Heimat Sachsen-Anhalt zu finden war schwer. Deshalb entschloss sich Sven Krause bei einer Westfirma anzuheuern. Seit dem ist er die Woche über in ganz Deutschland unterwegs und nur am Wochenende zu Hause. Für die Familie eine große Belastung, vor allem für den 16-jährigen Sohn Jan. Umziehen will Familie Krause nicht. 2006 haben sie sich in Halberstadt ein Haus gekauft, das sie schrittweise ausbauen. Über seine Zukunft macht sich Sven Krause keine Illusionen. Er weiß, dass er in und um Halberstadt keine annehmbare Arbeit finden wird: "Ich will und muss bis 60 weiter pendeln, das ist jetzt so und das geht auch nicht anders!"
Von Süd nach Nord
Ähnlich wie Sven Krause muss auch Angel Budinow seit vielen Jahren zur Arbeit pendeln. Allerdings spielt nicht nur die bessere Bezahlung in Deutschland eine Rolle, sondern auch und vor allem, dass es in Bulgarien wenig Arbeit gibt. Angel Budinows Familie ist auf das Geld angewiesen, das der Vater in Deutschland verdient. Anders als Familie Krause in Halberstadt kann sich die Familie von Angel Budinow nur in sehr großen Abständen sehen. Das ist nicht einfach, zum einen weil sich noch einmal Nachwuchs eingestellt hat und zum anderen, weil das traditionelle Familienbild in Bulgarien ein eher konservatives, patriarchalisches ist. Die Familie hilft sich mit den täglichen Skype-Schalten zum Vater nach Fürth, immer zur selben Zeit.
Hintergrund
Jeder sechste Sachsen-Anhalter pendelt, 65 Prozent der Arbeitnehmer arbeiten außerhalb des Bundeslandes. Tendenz steigend. 2012 hat Sachsen-Anhalt durch das Pendeln 79.000 Arbeitskräfte verloren. Zwar konnte Sachsen-Anhalt die Arbeitslosenquote zwischen 2005 und 2012 fast halbieren, trotzdem hat das Land nach aktuellen Untersuchungen immer noch die höchste Pendlerrate.
Bulgarien ist das ärmste Land Europas. Zwar konnte der Balkanstaat bis 2008 mit hohen Wachstumsraten und sinkender Arbeitslosenquoten aufwarten, doch seit der Finanzkrise hat sich das Bild geändert. Steigende Arbeitslosigkeit, aktuell bei 13 Prozent, und die niedrigsten Löhne der EU treiben viele Bulgaren ins Ausland. So wächst auch die Zahl der Bulgaren, die in Deutschland einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen kontinuierlich. 2012 wurde mit 25.840 bulgarischen Beschäftigten/ Pendlern ein neuer Rekordwert erreicht.