Polen Parlament nimmt sich umstrittene Justizreform wieder vor
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24. November 2017, 16:22 Uhr
Das polnische Parlament hat am Freitag in einer ersten Lesung Änderungen an der umstrittenen Justizreform beschlossen. Im Juli hatte Präsident Duda überraschend sein Veto eingelegt, nachdem die geplante Reform für Massenproteste sorgte. Was hat sich seither am Gesetzesprojekt verändert?
Das polnische Parlament hat die Arbeiten an der umstrittenen Justizreform wieder aufgenommen. Dabei wurden die Änderungen von Staatspräsident Andrzej Duda berücksichtigt, die er nach einer Welle von Massenprotesten gemacht hat. Obwohl der neue Gesetzentwurf einige der umstrittensten Neuregelungen abmildert, gewährt er der Politik nach Ansicht der Opposition nach wie vor zu viel Einfluss auf die Rechtsprechung.
Wer darf künftig den Landesjustizrat besetzen?
Kernpunkt der Reform ist die Besetzung des Landesjustizrats, der die Richterkandidaten beurteilt und damit entscheidet, wer in Polen zum Richter ernannt werden kann. Bislang wurden die meisten Mitglieder dieses Gremiums in einer Art Selbstverwaltung aus den Reihen der Richterschaft von den Richtern selbst gewählt. Zukünftig sollen sie mit einer Dreifünftel-Mehrheit vom Parlament gewählt werden.
Altersbegrenzung für hochrangige Richter
Weitere Änderungen betreffen den Obersten Gerichtshof. Dessen Richter sollen künftig mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen müssen. Staatschef Duda hatte hier gefordert, dass mit seiner Zustimmung, die Amtszeit verlängert werden kann. Die Opposition wirft dem Präsidenten und der Regierungspartei PiS vor, dass die neue Altersgrenze rein "zufällig" unliebsame Richter treffe, die der PiS nicht wohlgesonnen seien.
Rechtskräftige Urteile anfechten
Außerdem sollen ausgewählte Staatsvertreter – etwa der Justizminister – die Möglichkeit bekommen, rechtskräftig gewordene Urteile durch eine außerordentliche Klage vor dem Obersten Gerichtshof noch anfechten zu können. Gründe dafür können sein, dass das Urteil gegen die verfassungsmäßigen Bürger- und Menschenrechte verstößt, auf einer offenkundig falschen Interpretation der Vorschriften beruht oder im Gerichtsverfahren grobe Fehler erkennbar sind. Auch diese Regelung wird von der Opposition kritisiert: Sie diene lediglich dazu, Urteile zu kassieren, die der Regierungspartei aus politischen oder ideologischen Gründen nicht gefallen.
Die Änderungen bei der Justizreform gehen nun in die zuständigen Parlamentsausschüsse. Ein Verabschiedung der Reform wird noch in diesem Jahr erwartet.
Massenproteste im Sommer
Im Juli hatte Präsident Duda überraschend sein Veto gegen zwei von drei Justizgesetzen der regierenden PiS-Partei eingelegt und damit die wichtigsten Teile der Justizreform gestoppt. Zuvor waren Zehntausende in allen großen Städten des Landes auf die Straßen gegangen. Die Opposition und viele unabhängige Rechtsexperten hielten die Reform für verfassungswidrig, da sie der Regierung eine Einflussnahme auf die Justiz ermöglicht hätte.
EU sieht Rechtsstaat bedroht
Auch die EU-Kommission sieht die Rechtsstaatlichkeit in Polen in Gefahr und strebt ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen das Land an. Daran scheinen auch die neuesten Vorschläge Dudas nichts geändert zu haben. Der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, sagte Anfang November, dass auch die vom Staatspräsidenten vorgelegten Gesetzentwürfe nach vorläufiger Prüfung nicht den EU-Standards entsprechen würden.
Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: TV | 24.11.2017 | 17:45 Uhr