Andrej Babiš: "Ich will Tschechien wie ein Unternehmen führen"
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19. Oktober 2017, 14:22 Uhr
Tschechischen wählt am 20. und 21. Oktober ein neues Parlament. Aussichtsreichster Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten: der Unternehmer und Milliardär Andrej Babiš. Wir haben den "Trump Tschechiens" vorab getroffen.
Andrej Babiš ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten der tschechischen Politik. Weil sein Vater Diplomat war, lebte der gebürtige Slowake als Kind in Paris und Genf. In den 1980er Jahren war er Außenhandelsvertreter für die Tschechoslowakei in Marokko.
Nach seiner Rückkehr gründete er die Holdinggesellschaft Agrofert, deren Direktor er 1993 wurde. Unter seiner Leitung entwickelte sich der Konzern zu einem der größten des Landes. Dazu gehören rund 250 international agierende Unternehmen. Heute ist Babiš mehrfacher Milliardär und besitzt mit "Mafra" auch das größte Medienhaus Tschechiens.
Rasanter Aufstieg in der tschechischen Politik
Und der Unternehmer ist auch Politiker. 2011 gründete er die Protest-Partei "ANO", die "Aktion unzufriedener Bürger". Wählerstimmen gewann die Partei mit Babiš an der Spitze vor allem, weil sie wirtschaftlichen Aufschwung und ein Ende der Korruptionsskandale versprach.
Bei den letzten Wahlen gelang ihm dann auch der Schritt in die politische Verantwortung. Anfang 2014 wurde Babiš Finanzminister in der tschechischen Regierung. Interessenkonflikte aufgrund seiner Doppelfunktion als Minister, sowie Unternehmer und Medienmogul waren aber seit Beginn seiner Amtszeit Thema. Im Mai 2017 musste Babiš als Finanzminister zurücktreten. Man warf ihm Steuerhinterziehung und Beeinflussung der Medien vor.
Korruptionsvorwürfe um Luxusanwesen
Auch die EU-Antikorruptionsbehörde OLAF ermittelt inzwischen gegen ihn. Im Mittelpunkt des Aufruhrs steht ein Wellness-Resort vor den Toren Prags. Das sogenannte "Storchennest" wurde mit EU-Subventionen für kleine und mittlere Unternehmen gebaut. Doch hinter dem Storchennest stehe keine mittelständische Firma, sondern Babiš' Konzern Agrofert, so der Vorwurf. Deshalb hat die Prager Staatsanwaltschaft nun die Immunität des Politikers aufgehoben.
Babiš tritt trotzdem zu den Wahlen an. Sein Standpunkt: die Sache würde aufgebauscht, um ihn vor den Wahlen aus dem Verkehr zu ziehen. Und auch viele der tschechischen Wähler scheinen diese Sichtweise zu teilen. Er gilt wenige Tage vor der Wahl als aussichtsreichster Kandidat auf das Ministerpräsidentenamt.
Wir haben ihn wenige Wochen vor der Wahl getroffen. Das Interview war Teil der Re-Reportage "Andrej Babiš und der Storchennest-Fall". Sie lief am Donnerstag, 19.10.2017, 19:40 bei Arte.
Was sagen Sie dazu, dass Ihre Immunität aufgehoben worden ist?
Andrej Babiš: Der Antrag auf Auffhebung meiner Immunität ist einfach eine gezielte Kampagne, die meine Person beschädigen soll. Was jetzt untersucht wird, ist eine Subvention, die vor 10 Jahren getätigt wurde. Es gab dort keine Korruption. Niemand verdient daran. Das alles ist eine politische Kampagne, die mich beschädigen soll. Der Zeitpunkt macht es doch offensichtlich.
Sie sind Unternehmer und Politiker. Ist das nicht ein Interessenskonflikt?
Wir haben ein Gesetz, dass Interessenkonflikte regelt. Und ich handele immer nach diesem Gesetz. Darüber hinaus hat das tschechische Parlament ein spezielles Gesetz angenommen, die sogenannte "Lex Babiš", die inzwischen in Kraft ist. Und nach diesem Gesetz war ich verpflichtet, meine Firma einem Treuhandfond zu übertragen. Ich befolge also die Gesetze. 2014 habe ich die Firma verlassen und ich habe da keinen Einfluss mehr.
Sie haben gesagt, Sie wollen das Land wie ein Unternehmen führen - wie ein Familienunternehmen. Was meinen Sie damit?
Das ist eine Frage der Einstellung: Der Staat sollte effektiv sein, er sollte eine Vision haben, ein Ziel und Verantwortung. Ein Unternehmen zu führen heißt, nach der effektivsten Methode zu suchen und ein Team zu haben. Solidarität ist sehr wichtig. In einer Holding haben sie Unternehmen, die nicht gut "performen". Die müssen Sie unterstützen, das ist vernünftig. Jetzt sitzen Leute in der Regierung, die nie in der realen Welt gearbeitet haben.
Was unterscheidet die "Ano"-Bewegung von den anderen Parteien?
Wir sind offen. Wir akzeptieren jeden, der bereit ist gegen dieses korrupte System zu kämpfen und der die gleichen Ansichten davon hat, wie die diese Gesellschaft organisiert sein sollte. Nehmen Sie den Premierminister: Der musste 21 Jahre oder so Mitglied in seiner Partei sein, bevor er Premierminister werden konnte. In traditionellen Parteien müssen Sie also lange rumsitzen, bevor Sie Erfolg haben. In unserer Regierung sind jetzt zwei Minister die nicht Mitglied der Bewegung sind: Wir sind offen.
Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: TV | 20.10.2017 | 17:45 Uhr