Hass und Gewalt in den Fußballstadien
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28. September 2016, 12:58 Uhr
Polen hat eine der gefährlichsten Hooligan-Szenen in Europa. Nach einer Zeit der Entspannung nehmen Rassismus und Nationalismus in den Stadien wieder zu.
Nur ein knapper Sicherheitsbereich trennt die beiden Gruppen voneinander: Auf der einen Seite befinden sich Fans des Vereins Legia Warszawa, auf der anderen Seite Anhänger von Ruch Chorzów. Die Männer auf beiden Seiten sehen fast gleich aus: Sie tragen kurze Haare, Jeans oder Jogginghosen, dazu T-Shirts, Sportschuhe. Einige sind vermummt. Äußerlich unterscheidet sie fast nichts. Weshalb sie sich hassen: die Personen auf der jeweils anderen Seite feuern den jeweils falschen Verein an.
Plötzlich klettern einige Männer über den Zaun in den Pufferbereich. Nur durch den massiven Einsatz von Tränengas gelingt es den Polizisten, sie hinter die Absperrung zurückzudrängen. Dort beginnen die Fans nun Stadionsitze herauszureißen und auf die Sicherheitskräfte zu werfen. Es kommt zu Kämpfen mit der Polizei. 13 Festnahmen gibt es an diesem Tag. Diese Ausschreitungen ereigneten am 28. August 2016 in Chorzów.
Als am 14. September 2016 Borussia Dortmund in der Champions-League bei Legia Warschau auftritt, warnte die Vereinsleitung von Borussia bereits Tage vorher eindringlich seine Fans: "Wir müssen leider dazu raten, keine Kleidung mit BVB-Bezug in der Stadt zu tragen und sich unauffällig und am besten nur in kleinen Gruppen dort aufzuhalten", denn "die aktive Fanszene von Legia Warschau ist leider dafür bekannt, sowohl bei Heim- als auch bei Auswärtsspielen ein höheres Gewaltpotenzial zu zeigen als andere Fanszenen."
Hass und Gewalt
Tatsächlich hat Polen ein Problem mit gewaltbereiten Fußballanhängern. In den letzten Jahren sind die Stadien zwar sicherer geworden, aber immer noch kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen wie vor zwei Wochen in Chorzów. Auch Nationalismus und Rassismus erstarken in polnischen Stadien wieder, nachdem sie über Jahre hinweg auf dem Rückzug waren.
Vor rund drei Wochen etwa versammelten sich Hooligans des Vereins Widzew Łódź auf einer Eisenbahnbrücke und verbrannten mehrere Figuren, die Juden darstellen sollten. Die lebensgroßen Puppen trugen Trikots und Fankleidung des Rivalen ŁKS Łódź.
Auch bei Legia Warszawa kommt es vor, dass Fans Hassparolen verbreiten. Im Mai hing während eines Spiels ein riesiges Transparent im Stadion mit den Worten: "Für euch wird es Galgen geben." Adressiert war die Botschaft an mehrere Journalisten, Regierungsgegner und die liberale Partei "Nowoczesna".
Alles halb so schlimm
Seweryn Dmowski ist Berater des Vorstandes von Legia Warszawa für Kommunikation. Er meint, dass alles nur halb so schlimm sei. Die Journalisten aus Westeuropa würden die Situation falsch bewerten: "Vielleicht haben sie noch das Bild aus den Neunzigern im Kopf, als die Hooligans in Stadien ein reales Problem waren. So ist es heute nicht mehr." Die Warnung des BVB hält er für "übertriebene Vorsicht". Warschau sei eine sichere und gastfreundliche Stadt.
Erstarken nationalistische Tendenzen
So gastfreundlich wie die Polen traditionell sind, haben sie sich allerdings in den letzten Wochen nicht immer präsentiert. Die Flüchtlingskrise hat auch in dem Nachbarland zu einem Erstarken nationalistischer Kräfte geführt. Feindliche Haltungen gegenüber Ausländern sind heute deutlich weiter verbreitet als noch vor zwei Jahren. Das schlägt sich auch in den Stadien nieder.
So schätzt auch Rafal Pankowski von "Nigdy Wiecej" (Nie Wieder) die Lage ein. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, gegen den Rassismus in Polen zu anzugehen. Zunächst sei alles besser geworden, berichtet er. Vor allem die Europameisterschaft habe man genutzt, um mit der Kampagne "Respect Diversity" für mehr Toleranz zu werben. "Damals ist es uns gelungen, einen großen Teil rassistischer Verhaltensweisen aus den polnischen Stadien zu verbannen", sagt Pankowski.
Auch jetzt noch ist die Stiftung gegen Rassismus im Stadion aktiv. Doch inzwischen sei es wieder schwieriger geworden: Die Regierung und der polnische Fußballverband unterstützten die Initiativen nicht mehr. Vor allem der aktuelle Präsident des Fußballverbandes, Zbigniew Boniek, habe kein Interesse an dem Thema. Pankowskis Resümee: "Rassismus und Nationalismus werden wieder stärker — im und außerhalb des Stadions." Rechtsradikale Organisationen wie ONR ("Nationalradikales Lager") würden ihre Mitglieder häufig unter den Fußballfans rekrutieren.
Auch im Stadion von Legia Warszawa sei es in den letzten Jahren zu rassistischen Vorfällen und Gewalt gekommen. Der Verein bekämpfe zwar den Rassismus im Stadion, aber die Situation sei weiterhin schwierig. Seweryn Dmowski von Legia Warschau sieht das anders. "Wir haben mehre dunkelhäutige Spieler bei Legia, nie hat es irgendeine Aggression von den Fans gegen sie gegeben", erklärt er. Bei der Frage, ob ein dunkelhäutiger Fan im Stadion sicher wäre, zögert er allerdings einen Moment, bevor er sagt: "Ja, natürlich." Die letzte Schlägerei im Stadion zwischen Fans habe im Februar 2014 stattgefunden.