14 Millionen Euro Falschgeld
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17. Januar 2017, 19:45 Uhr
In einem Stausee nahe der Stadt Plovdiv haben Ermittler 14 Millionen Euro Falschgeld gefunden. Noch nie zuvor sind so viele falsche Euro-Noten in Bulgarien gefunden worden. Doch damit beginnen auch schon die Fragen.
Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine erfolgreiche Aktion der bulgarischen Staatsanwaltschaft: Am 1. November 2016 erklärte Haupt-Staatsanwalt Sotir Cacarov auf einer Pressekonferenz in der zweitgrößten bulgarischen Stadt Plovdiv, dass die Nationale Agentur für Staatssicherheit nach einem Hinweis 14 Millionen Euro gefälschter Banknoten im Stausee Metschka in der Nähe der Stadt gefunden habe. Bei der Operation wurden auch 13 Jagdgewehre der Marke IŽ aus Udmurtien, Russland, mit unkenntlich gemachten Seriennummern gefunden. Diese waren im Januar 2014 aus einem Waffengeschäft in Haskovo gestohlen worden, wobei der Laden anschließend in Brand gesteckt worden war. Weiterhin wurden auch 3,2 Kilogramm Marihuana gefunden. Die Staatsanwaltschaft spricht vom bisher größten Schlag gegen die bulgarische Falschgeld-Mafia. Es ist die größte Summe, die in Bulgarien jemals gefunden wurde.
Staatsanwaltschaft präsentiert einen Täter
Doch hier fangen die Fragen an. Drei Männer waren laut Staatsanwaltschaft an der Sache beteiligt. Zwei davon sind den Behörden bisher nicht als Kriminelle aufgefallen. Der eine der beiden, Atanas Angelov, sei die Hauptfigur, behauptet die Staatsanwaltschaft, und ließ ihn in Haft nehmen. In seinem Haus wurden Blüten über 1,25 Millionen Euro gefunden sowie die Waffen und das Marihuana. Als die Polizei am Donnerstag, dem 27. Oktober 2016, zu seinem Haus in Părvomai, einem Städtchen nahe Plovdiv, gekommen sei, habe sie Atanas Angelow nicht angetroffen. Dessen Mutter aber ließ die Polizei ins Haus. Am darauffolgenden Montag erschien Angelov bei der Staatsanwaltschaft in Plovdiv und informierte sie darüber, dass im Metschka-Stausee weitere 12 Millionen Euro zu finden seien.
Atanas Angelov hatte lange Jahre als Fernfahrer gearbeitet. Als bei ihm Symptome von Epilepsie auftraten, durfte er keinen LKW mehr steuern und Angelov begann, sich mit Landwirtschaft zu beschäftigen. Er züchtete Kürbisse und Pflaumen und verdingte sich außerdem als Fahrer für die Tabakbauern im Dorf. Der Bürgermeister scherzte nun in den Medien, das Dorf könne die gefälschten Euro-Scheine gut gebrauchen. Die Dorfbewohner beschreiben Angelov als "guten Mann, der versuchte, den anderen zu helfen". Sie glauben, er sei in der Falschgeld-Geschichte kaum mehr als ein Strohmann. Vor dem Untersuchungsrichter soll Angelov geweint und um Gnade gefleht haben.
Der Hauptangeklagte wohl nur ein Strohmann
Als Angelovs Komplizen stellt die Staatsanwaltschaft seinen Nachbarn Rumen Jankov dar. Dieser ist arbeitslos, verfügt aber, wie es im Dorf heißt, über große Summen Geld. Er hatte sich ein neues Haus gebaut und eine enorme Summe für die Ausgestaltung der Hochzeit seines Sohnes ausgegeben. Sein Auto wurde auf dem Parkplatz vor dem Hotel "Carigrad" in Părvomaj gefunden, wo das falsche Geld an einen Zwischenhändler verkauft werden sollte. Jankov ist derzeit gegen eine Kaution von 5.000 Leva (2.600 Euro) auf freiem Fuß. Auch der mutmaßliche Käufer des Falschgelds, Najden Bonev, ist nicht in Haft. Die Polizei sagt, er habe als erster zugegeben, dass die 12 Millionen im Stausee versteckt worden waren.
Falschgeld von hervorragender Qualität
Die Qualität der Blüten ist sehr hoch, meinen die Ermittler: Sie geben ihnen die "Note 9,7" von zehn Punkten. Höchstwahrscheinlich stammt das Geld aus der Druckerei des bekannten bulgarischen Geldfälschers Petăr Pavlov, den Europol-Direktor Rob Waneright 2011 als einen der besten Euro-Fälscher bezeichnet hatte. Pavlov stammt ebenfalls aus Părvomaj. Er wurde bekannt durch das Fälschen von Banknoten, Dokumenten und Steuermarken für Alkohol und Zigaretten Anfang der 1990er Jahre. Pavlov hat enge Verbindungen zur bulgarischen Mafia. 2003, als der spätere Premierminister Bulgariens, Bojko Borissov, noch Polizeichef war und die Einsätze gegen Geldfälscher höchstpersönlich leitete, wurde Pavlov wegen Geldfälschung angeklagt, konnte jedoch mit der Plovdiver Staatsanwaltschaft einen Deal abschließen: Pavlov erklärte sich für schuldig, dass er "Material, das zur Fälschung von Banknoten dient, angefertigt, aufbewahrt und versteckt" habe, und kam mit einer Gefängnisstrafe von drei Jahren davon, die zur Bewährung ausgesetzt worden waren. Borissov erklärte damals lapidar: "Wir verhaften sie, und die Staatsanwälte lassen sie wieder laufen."
2011 wurde Pavlov erneut festgenommen. Ein Gericht in Sofia schickte den Fall zurück in die erste Instanz nach Plovdiv. Dort wurde das Verfahren erst fünf Jahre später fortgesetzt. Ende Oktober 2016 wurde Pavlov vom Bezirksgericht Plovdiv zu zwei Jahren Haft wegen Geldfälschung verurteilt, wogegen er sofort Berufung einlegte. Seine Druckerei läuft mittlerweile ganz ausgezeichnet.
Wann kamen die Millionen in den Stausee?
In den Medien kursieren zwei Versionen darüber, wann das Geld im Stausee versteckt worden ist. Entweder geschah das, nachdem Angelov und Jankov bemerkten, dass die Polizei hinter ihnen her war. Oder die Scheine liegen schon 8 oder 9 Jahre im See, damit sie auf natürliche Weise altern und schwerer von echten Euroscheinen zu unterscheiden sind. Bis jetzt ist es nicht klar, wohin das Falscheld aus dem Metschka-Stausee fließen sollte. Einschätzungen Interpols zufolge werden in Bulgarien hergestellte Blüten in Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland und Mazedonien in Umlauf gebracht.
Bulgarien - ein führendes Land im Geldfälschergewerbe
Bis 2006 war Bulgarien laut Interpol europaweit unter den Top 3 bei der Geldfälschung. In den letzten Jahren hat Bulgarien seine führende Position zwar an andere Länder verloren, die organisierte Kriminalität ist aber immer noch sehr aktiv auf diesem Gebiet. Im April 2016 war in einem Dorf in Nordbulgarien eine Druckerei mit 2,5 Millionen falschen Euro aufgedeckt worden, auch diese Scheine waren von höchster Qualität. Und im Oktober 2016 wurden, ebenfalls in einer Plovdiver Druckerei, 3 Millionen falscher Euronoten gefunden. Experten der Polizei gehen davon aus, dass die diversen Druckereien das Falschgeld unter dem Schutz einflussreicher Amtsträger aus Polizei und Politik herstellen und vertreiben. Offiziell wird das natürlich dementiert.
Lilia Kostova: 1977 in Blagoevgrad geboren, Studium der Journalistik in Sofia, seit 2009 freie Journalistin.