Braunkohle – doch kein Geschäft von gestern?
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21. Oktober 2016, 15:54 Uhr
Mit dem Kauf der deutschen Braunkohlesparte im September 2016 wird der tschechische Energiekonzern EPH zum größten Energieversorger in Ostdeutschland. Vier Kraftwerke und fünf Tagebaureviere werden innerhalb der EPH-Gruppe als "Lausitz Energie Bergbau AG und Lausitz Energie Kraftwerke AG", kurz LEAG, operieren. Künftig werden alle Entscheidungen für die rund 8000 Mitarbeiter vom neuen Hauptsitz aus Cottbus kommen. Die bisherigen Vattenfall-Firmensitze Berlin und Hamburg werden ebenfalls nach Brandenburg verlegt.
Anders als der schwedische Vorbesitzer Vattenfall, befindet sich LEAG nun komplett in privater Hand: Haupteigentümer ist der Tscheche Daniel Křetínský. Er ist kein unbekannter Investor auf dem deutschen Markt: Seit 2009 besitzt sein Unternehmen bereits die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft (Mibrag) mit Sitz in Sachsen-Anhalt.
Kritik von Umweltschützern
In einem "Schwarzbuch EPH" beschreibt die Umweltorganisation Greenpeace das undurchsichtige Firmengeflecht des Investors. Darin heißt es "Die EPH ist nicht einmal zehn Jahre jung, hochverschuldet, ihre Finanzgeber tummeln sich in ausländischen Steuerparadiesen auf Zypern und Jersey". Der tschechische Greenpeace-Aktivist Jan Rovenský sagt, dass EPH auf dem tschechischen Markt "nicht zu den schlechtesten gehöre", mit westlichen Standards habe die Arbeitsweise des Unternehmens allerdings wenig zu tun.
Wer für die Folgeschäden haftet, ist unklar
Konzerne haben laut Gesetz die Pflicht, nach dem Verursacherprinzip, die Kosten für Schäden und Folgeschäden zu begleichen. Was aber passiert, wenn die Konzerne es nicht können oder wollen, ist unklar. Ein EPH-Sprecher sagte, dass das Unternehmen seiner Verantwortung als neuer Inhaber der Vattenfall-Braunkohlewerke weiterhin gerecht werde und seine Verpflichtungen erfüllen werde. Greenpeace-Aktivist Rovenský sagt, dass Umweltschutz anders als beim Vorbesitzer Vattenfall für EPH eine untergeordnete Rolle spiele. Mit dem tschechischen Investor als reines Privatunternehmen, habe die Öffentlichkeit nur noch wenige Möglichkeiten, Einfluss auf den Konzern und seine Entscheidungen auch bei Renaturierungsfragen zu nehmen.
Tagebau-Erweiterung: "Die Leute sitzen auf gepackten Koffern"
Die EPH-Gruppe schließt nicht aus, die Braunkohle-Abbauflächen auch in der Lausitz zu erweitern. Eine Entscheidung soll es möglichst schnell geben. "Das ist keine Entscheidung, die wir noch lange aufschieben können", sagte der LEAG-Vorstandsvorsitzende, Helmar Rendez, der "Welt". Viele hundert Bürger, die sich schon vor Jahren auf eine Umsiedlung eingestellt haben, "brauchen endlich Sicherheit", so Rendez. Die Leute säßen praktisch auf gepackten Koffern.
Geschäft der Zukunft?
Weitere Dörfer dem Tagebau zu opfern, spricht eigentlich gegen den deutschen Kurs, die Energiewende voranzutreiben und die Emissionen zu senken. Denn bis 2050 will die deutsche Regierung treibhausneutral sein. Braunkohle passe dann nicht mehr in das Konzept, so das Bundesumweltministerium. Was aber, wenn dieser Energie-Ausstieg nicht klappt? EPH mit seinem Chef Křetínský setze genau darauf, glauben Kritiker wie der tschechische Journalist Petr Horký: "Der EPH-Chef wettet, dass die deutschen Politiker falsch liegen und sie es nicht rechtzeitig schaffen, sich von der Kohle zu verabschieden."