Q-Cells in der Krise
2009 waren die fetten Jahre plötzlich vorbei. Q-Cells zahlte keine Steuern mehr an die Gemeinde, und die Fußballmannschaft von Rot-Weiß Thalheim wurde auch nicht mehr unterstützt. Der Weltkonzern war in der Krise. Er schrieb nun Jahr für Jahr beträchtliche Verluste. 35 Millionen Euro waren es allein 2011. Und so wie Q-Cells erging es auch einem Dutzend anderer deutscher Solarfirmen – sie gingen pleite oder meldeten Insolvenz an. Der Grund: Solarzellen können in Asien weitaus kostengünstiger hergestellt werden.
Kein Boden mehr unter den Füßen
Ironie der Geschichte: Gerade die großzügigen staatlichen Förderungen wurden den deutschen Solarzellenherstellern zum Verhängnis: Die große Nachfrage nach Solarzellen trieb die Massenproduktion vor allem in China an und führte zu einem rapiden Preisverfall. Es war ein Prozess, der sich seit 2008 abzeichnete. Aufgrund der großen Nachfrage konnten aber auch Firmen, die bereits keine Chance auf dem Weltmarkt mehr hatten, noch immer ihre Zellen produzieren. "Bildlich gesprochen waren Firmen wie Q-Cells" in den vergangenen Jahren "in einem Zustand, wie er oft in Zeichentrickfilmen dargestellt wird", schrieb der SPIEGEL (04.04.2012) anschaulich: "Eine Figur läuft über den Abgrund und schwebt für eine Weile in der Luft – bis sie merkt, dass der Boden unter ihr verschwunden ist. Dann stürzt sie krachend ab."
"Es wird hier ganz, ganz bitter"
Und genau das ist nun passiert. Im deutschen Solar Valley dürften nach Einschätzung der meisten Experten schon bald die Lichter ausgehen. "Die Tage der Zellproduktion in westlichen Ländern sind gezählt", prophezeite Michael Schmela, Chefredakteur der Branchenzeitschrift "Photon International", unlängst im "SPIEGEL". Für die Gemeinde Thalheim werden schwere Zeiten anbrechen. Wenn Q-Cells tatsächlich Pleite macht, sagt Bürgermeister Kressin, "wird es hier ganz, ganz bitter".
Enttäuschte Solarpioniere
Die Solarpioniere Reiner Lemoine, Holger Feist und Paul Grunow hatten ihrem Unternehmen, das von Anfang an vom Manager Anton Milner geleitet wurde, bereits nach einigen Jahren nichts mehr abgewinnen können.
Sie hatten sich keine Weltfirma, sondern eine Denkfabrik mit vielleicht einhundert Mitarbeitern erträumt, die wie in einer Art Familie zusammen leben, arbeiten und forschen - ein "sozialistisches Ingenieurskollektiv", in dem alle mit Leidenschaft dabei sind und das Gleiche verdienen. 2007 stiegen Feist und Grunow aus dem Unternehmen aus, in dem sie zuletzt nur noch als einfache Ingenieure gearbeitet hatten. Reiner Lemoine, der Visionär und Kapitalismuskritiker, gründete 2006 eine Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Forschung. Er starb im selben Jahr, 57-jährig, an den Folgen eines Hirntumors.
Wie es weiter ging Q Cells wurde 2012 von dem südkoreanischen Solartechnik-Konzern Hanwha übernommen und profitierte weiterhin von seinem hervorragenden Ruf als Zulieferer für Photovoltaik-Systeme. Die Produktion in Thalheim wurde jedoch Anfang 2015 eingestellt. Im "Solar Valley" verblieben die Forschungs- und Entwicklungsabteilung, das Qualitätsmanagement, Marketing und Vertrieb. Aus "Made in Germany" wurde "Engineered in Germany".
Literaturhinweis Monika Maron, Bitterfelder Bogen. Ein Bericht. S. Fischer Verlag 2009.