Sächsisches Modellprojekt Studieren in Ungarn - Zukunft in Sachsen
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15. Oktober 2014, 09:56 Uhr
In Sachsen fehlen Haus- und Landärzte. Obgleich das Interesse an einem Medizinstudium nach wie vor ungebrochen ist, kann aufgrund des "Numerus Clausus" nur ein Teil der Studienplatzbewerber in Deutschland das Medizinstudium aufnehmen. Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen hat vor diesem Hintergrund das Modellprojekt "Studieren in Europa - Zukunft in Sachsen" entwickelt, um dem Ärztemangel entgegenzuwirken.
Seit 2013 werden jeweils 20 Studenten gefördert, die das Medizinstudium im deutschsprachigen Studiengang Humanmedizin an der Universität Pécs in Ungarn aufnehmen. Ihnen werden die Studiengebühren für die Dauer der Regelstudienzeit finanziert. Im Gegenzug verpflichten sich die geförderten Studenten, im Anschluss an ihr Studium die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin zu absolvieren und für mindestens fünf Jahre als Hausarzt in einer ländlichen Region Sachsen tätig zu werden. Dr. Klaus Heckemann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Sachsen, hat das Projekt maßgeblich mitentwickelt.
Warum finanziert die Kassenärztliche Vereinigung deutschen Studenten ein Medizinstudium in Pecs?
Wir haben in Sachsen seit längerer Zeit große Probleme bei der Besetzung von Landarztstellen. Wie kann man dem begegnen, fragten wir uns vor einigen Jahren und kamen auf die Idee: Warum nicht sächsische Studenten im Ausland studieren lassen? Wir wussten, dass es zum Beispiel seit Beginn der 1980er in Budapest die Möglichkeit gibt, in deutscher Sprache Medizin zu studieren. Seit etwa zehn Jahren ist das auch in Pécs möglich. Da kam uns der Gedanke: Wir finanzieren jungen Sachsen ein Medizinstudium in Pécs, verknüpft mit der Bedingung, dass diese nach Abschluss des Studiums fünf Jahre als Landärzte in Sachsen tätig sind. Das heißt nun nicht, dass sie sich unbedingt in abgelegenen sächsischen Dörfern ansiedeln müssen, sondern lediglich: außerhalb der Städte Leipzig, Dresden und Chemnitz.
Was kostet ein komplettes Medizinstudium in Pécs?
80.000 Euro.
Ist das viel, ist das wenig?
In Deutschland kostet ein Medizinstudium mehr als das Doppelte, reichlich 200.000 Euro.
Löst das Auslandsstudium aber auch die Probleme?
Es löst die Probleme nicht. Noch immer verlieren wir mehr Landärzte jedes Jahr. 30 werden es künftig jedes Jahr sein. Aber es ist auch nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wie viele Bewerber gibt es für die Studienplätze in Pécs und nach welchen Kriterien werden sie ausgewählt?
Es gibt dreimal so viele Bewerber wie Studienplätze. Die grundsätzliche Bedingung ist zunächst einmal: Die Bewerber müssen die Hälfte ihres bisherigen Lebens in Sachsen verbracht haben, und zwar möglichst in ländlichen Regionen. Die Bewerber müssen als erstes einen schriftlichen Test absolvieren; die 40 besten werden daraufhin zu "strukturierten Interviews" eingeladen. Eine Liste mit den 30 überzeugendsten Bewerbern senden wir schließlich an die Universität in Pécs. Die sucht sich dann die 20 Bewerber aus, die ihnen am geeignetsten scheinen.
Was passiert, wenn einer der Pécser Absolventen sich später doch nicht auf dem Land niederlässt?
Dann muss er die 80.000 Euro zurückzahlen.
Warum kann man das Problem der fehlenden Hausärzte nicht in Deutschland lösen?
In Deutschland zusätzliche Studienplätze mit Bedingungen einzurichten, ist sicher kompliziert. Und einfach nur mehr Mediziner auszubilden, würde das Problem der fehlenden Ärzte im ländlichen Raum nicht lösen. Aber wir benötigen nun einmal dringend Landärzte beziehungsweise Hausärzte in Kleinstädten.
Wie lange wird es das Projekt noch geben?
Es gibt im Augenblick keinen Grund, das Projekt zu beenden. Überdenken kann man künftig sicherlich die Form der Finanzierung der Studien. Es ist ja doch einigermaßen sonderbar, dass die Hälfte eines jeweiligen Studienplatzes die niedergelassenen Ärzte finanzieren. Das gibt es schließlich nirgendwo anders, dass die in den Berufen Tätigen das Studium ihrer Nachfolger bezahlen.
Ansonsten ist es so, dass die Medizinische Fakultät der Universität Pécs noch zehnmal so viele Plätze im Angebot hat. Das heißt, wir könnten dort jedes Jahr 200 Ärzte ausbilden lassen. Dann wäre das Problem fehlender Landärzte binnen weniger Jahre gänzlich gelöst.