Interview "Wer braucht den Osten?" Interview mit Produzent und Autor Olaf Jacobs
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30. Mai 2018, 15:15 Uhr
"Wer braucht den Osten?" Warum diese Doku und warum diese Frage?
Wer braucht den Osten soll natürlich ein wenig provozieren, soll neugierig machen, aber auch zuspitzen und zu Diskussionen anregen. Die Deutsche Einheit ist ja durch den Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik zustande gekommen. Im Grunde ist die Deutsche Einheit von Anfang an immer aus einer Westperspektive gedacht worden. Der Osten sollte werden wie der Westen. Nun, 30 Jahre später, einmal zu schauen, dass in dem Gesamtdeutschland aber doch eine Menge mehr vom Osten angekommen ist als man geplant hatte, schien uns schien uns interessant. "Wer braucht den Osten?" soll eine Einladung zu einer Spurensuche sein.
Sie haben viele Menschen interviewt. Wie haben die den auf diese Frage reagiert?
Die Reaktionen waren extrem unterschiedlich. Kurt Biedenkopf hat sich aufgeregt. Was sei das denn für eine bescheuerte Frage, meinte der ehemalige sächsische Ministerpräsident. Bei weiteren Interviews zeigte sich dann aber eine interessante Differenzierung. Eher westdeutsch sozialisierte Menschen haben die Frage immer sehr genau beantwortet. Nach dem Motto: Tja, was bringt er mir, was nutzt er mir dieser Osten. Eher ostdeutsch Sozialisierte haben anders geantwortet. Da ging es vor allem immer darum, was der Osten, was sie selbst miteingebracht haben in das vereinigte Deutschland. Sie haben mit deutlich mehr Engagement geantwortet.
Die Doku startet mit dem Schwerpunkt Politik. Gab es da für Sie eine überraschende Erkenntnis?
Wir haben uns für den ersten Teil der Doku alle neun Bundestagswahlen seit der Wende angeschaut und ausgewertet, was passiert wäre, wenn jeweils nur der Osten oder der Westen gewählt hätte. Überraschend war, dass wir fünf Mal Koalitionen auf Bundesebene hatten, die, hätten nur die Ostdeutschen gewählt, überhaupt nicht möglich gewesen wären. Auffällig ist auch, dass der Osten von Anfang an ein breiteres Parteienspektrum und auch stärker extreme Parteien gewählt hat.
Was ist der Schwerpunkt des zweiten Teils?
Da legen wir den Fokus auf die Wirtschaft. In Ostdeutschland hat es nach der Wende einen wirtschaftlichen Zusammenbruch gegeben, der größer war als während der Weltwirtschaftskrise. Und das prägt die neuen Bundesländer noch immer. Dazu kommt, dass bis heute nicht ein einziges Dax-Unternehmen seinen Sitz in Ostdeutschland hat.
Und in Teil drei wird es dann um Gesellschaft gehen?
Genau. Wir stellen die überaus spannende Frage, wie stark der Osten den Westen verändert hat. In einigen Feldern hat der Osten doch sehr nachhaltig auf die gesamtgesellschaftliche Wirklichkeit gewirkt, beispielsweise bei der Einstellung zum Thema arbeitende Mütter. Insgesamt stellen wir fest, dass der Osten deutlich mehr in die Einheit eingebracht hat, als das Ampelmännchen und den grünen Rechtsabbiegepfeil.
Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: Radio | 29.05.2019 | 18:36 Uhr