"Weltmeister im Liegen" Sieg über den Unbesiegbaren: Max Schmeling gegen Jack Sharkey
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20. Juni 2024, 15:03 Uhr
Zweimal tritt Schmeling gegen Sharkey an. Zweimal endet der Kampf um die Weltmeisterschaft in einem Skandal. Am 12. Juni 1930 gewinnt Schmeling nur, weil sich Sharkey, der als unbesiegbar gilt, disqualifiziert.
Am 19. Juni 1936 schließlich kommt es für Schmeling zum spektakulärsten Kampf seiner Karriere. Nachdem er den Weltmeistertitel 1932 verloren hat, soll der Sieg gegen Joe Louis ihn wieder für den Titel in Stellung bringen. Später verbindet die beiden eine lebenslange Freundschaft.
1930 war Max Schmeling dort angekommen, wo er als Jugendlicher hinwollte. Am 12. Juni in New York gegen Jack Sharkey in den Ring, um Weltmeister zu werden. Und er wurde es auf recht ungewöhnliche Weise: "Weltmeister im Liegen" spöttelte die Presse der Weimarer Republik, als Schmeling nach einem verbotenen Tiefschlag zu Boden ging und den Titel durch Disqualifikation seines Gegners errang. Dabei war Schmeling in Deutschland der "neue Stern am Boxhimmel".
Ein neuer Stern am Boxhimmel
Seine Ausbildung hatte Max Schmeling als Kaufmann gemacht. Doch der junge Mann, der in Hamburg aufgewachsen war, wollte lieber boxen. Als sportbegeisterten Jugendlichen, der von den Boxfilmen der Zwanziger Jahre und den amerikanischen Boxstars fasziniert war, zog es ihn 1922 ins Rheinland, ins Zentrum des deutschen Boxsports.
Kaum zwei Jahre später wurde Max Schmeling unerwartet Deutscher Vizemeister im Halbschwergewicht und wechselte ins Profilager. 1927 folgte der Europameistertitel, 1928, inzwischen im Schwergewicht, der Gewinn der Deutschen Meisterschaft.
Ein Boxer in Künstlerkreisen
Boxsport war populär im Deutschland der Zwanziger Jahre. Über das noch junge Medium Radio begeisterte Max Schmeling Millionen für sich und seine harte Linke. Der sportliche Erfolg öffnete dem charismatischen Newcomer Tür und Tor in die Gesellschaft der Künstler und Filmemacher. Den Bildhauern Josef Thorak und Rudolf Belling stand Schmeling ebenso Modell wie dem Maler George Grosz. 1926 feierte er in "Ein Filmstar wird gesucht" sein Filmdebüt, im 1930 uraufgeführten Stummfilm "Liebe im Ring" spielte er die Hauptrolle. Im selben Jahr besiegte er Sharkey und lernte auch seine zukünftige Frau Anny Ondra kennen.
1931 verteidigte er seinen Titel gegen den Amerikaner Young Stribling. Am 21. Juni 1932 kam es in New York zum Rückkampf gegen Sharkey. Dem Amerikaner wurde nach 15 Runden der Sieg nach Punkten und damit der WM-Titel zugesprochen.
"Boxkampf des Jahrhunderts"
1936 kam es zu Schmelings spektakulärstem Kampf. Nachdem er den Weltmeistertitel 1932 verloren hatte, sollte der Sieg gegen den 22-jährigen Joe Louis ihn wieder für den Titel in Stellung bringen. Von 54 Kämpfen hatte Louis 43 durch K.o. gewonnen. Boxexperten räumten Max Schmeling null Chancen ein. Doch er hatte in der Deckung des Gegners eine kleine Lücke entdeckt und brachte den bis dahin unbesiegten Louis zu Fall. Vor einer Kulisse von 40.000 Menschen machte Schmeling in New York den Coup seines Lebens perfekt.
In Deutschland war man aus dem Häuschen. Zehntausende empfingen und feierten Max Schmeling in Frankfurt am Main. Adolf Hitler befahl, Schmelings mitgebrachte Filmaufnahmen müssten sofort in die Kinos. Den Film "Schmelings Sieg - ein deutscher Sieg" schauten sich vier Millionen Menschen an. Danach schien der letzte Winkel Deutschlands vom Boxfieber erfasst.
"Schmeling raus, Schmeling raus"
Doch in den USA sah das anders aus. "Vor meinem Hotel wurden Plakate herumgetragen, 'Schmeling raus, Schmeling nimm das Geld nach Deutschland, um damit Kanonen zu bauen' und all diese Dinge, also eine wochenlange Hetze gegen mich. Man versuchte, mich davon fernzuhalten", so beschrieb Max Schmeling die angespannte Atmosphäre vor dem Boxkampf gegen den US-Amerikaner Joe Louis am 19. Juni 1936 in New York.
Max Schmeling galt in den USA zu dieser Zeit als Unperson. Tausende Amerikaner waren überzeugt: Adolf Hitler persönlich habe den Boxer geschickt, um die Überlegenheit der weißen Rasse zu demonstrieren. Seinen Gegner Joe Louis schmähten deutsche Zeitungen dagegen als "Lehmgesicht aus Alabama". Der Kampf sollte einer der wichtigsten in Schmelings Karriere werden.
Sieg im Schatten der NS-Propaganda
Boxen, das war für Adolf Hitler der Paradesport: Nirgendwo werde der Angriffsgeist der Deutschen besser trainiert. Ein deutscher Boxweltmeister kam ihm da gerade recht. Schmelings Verhältnis zu den Nationalsozialisten war indes zwiegespalten. Er lehnte ihre Forderung ab, sich von seinem jüdischen Manager, seinen jüdischen Freunden und seiner tschechischen Frau zu distanzieren. Dennoch ließ er sich instrumentalisieren. Im Auftrag der nationalsozialistischen Staatsführung überzeugte Schmeling zum Beispiel die Amerikaner, von einem Boykott der Olympischen Spiele 1936 in Berlin abzusehen.
"Schmelings Rolle als Weltklassesportler hat ihm sozusagen alle Türen geöffnet und das hat er genossen. Er hat sich selbst nicht als politische Person wahrgenommen. Er fand das interessant, dass er bei Goebbels und bei Göring und auch bei Hitler ein und ausgehen kann, das fand er gut", charakterisiert Autor Max Krauß in seiner Schmeling-Biographie "Max Schmeling - die Karriere eines Jahrhundertdeutschen" die Einstellung des Boxers zu den Machthabern.
Nach dem Kampf kommt die Freundschaft
Am 22. Juni 1938 kämpfte Max Schmeling noch einmal gegen Joe Louis, diesmal ging es um die Weltmeisterschaft. Der Erfolg blieb jedoch aus, schon nach 124 Sekunden ging der deutsche Boxer K.o. Danach wurden aus den Kontrahenten Freunde. Mit Louis verband Schmeling eine lebenslange Freundschaft. Schmeling soll ihm sogar einmal aus der Patsche geholfen haben, als dieser in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Als Louis 1981 starb, trauerte Schmeling.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: Sport im Osten - Talk mit Axel Schulz | 22. April 2020 | 08:30 Uhr
Eine erste Version des Artikels erschien 2018.