Mathias Rust Wie ein deutscher Sportpilot das Ende des Sowjetunion einläutete
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26. Mai 2021, 10:05 Uhr
Am 28. Mai 1987 war Mathias Rust mit einem Sportflugzeug nahe des Kremls gelandet. Es war eine waghalsige Aktion, mit der Rust einen gewissen Anteil am Ende der UdSSR hatte.
Das Gerichtskollegium für Strafsachen des Obersten Gerichts der UdSSR verurteilt Rust, Mathias als endgültige Strafe nach der Gesamtheit durch die Konsumtion der kleineren Strafen zu vier Jahren Freiheitsentzug in einer Besserungsarbeitsanstalt allgemeinen Regimes. Das Urteil ist endgültig und darf nicht abgeändert werden.
19 Jahre alt ist Mathias Rust, als ihn das Moskauer Gericht am 4. September 1987 zur Lagerhaft verurteilt. Das Vergehen, das ihm diese Strafe eingebracht hat, machte den Deutschen wenige Monate zuvor weltberühmt - und düpierte gleichzeitig die hochgerüstete Weltmacht UdSSR - ein Lausbubenstreich mit historischen Folgen.
Waghalsige Landung im Herzen der Sowjetunion
28. Mai 1987, Christi Himmelfahrt, 18:43 Uhr Ortszeit: Über dem Roten Platz in Moskau hat eine einmotoriges Sportflugzeug der Marke Cessna bereits drei Runden im Tiefflug gedreht. Nun setzt die Maschine auf der nahen Moskwa-Brücke auf und kommt vor der weltberühmten Basilius-Kathedrale zum Stehen. Hunderte Schaulustige umringen die Maschine, aus der ein schlaksiger Junge mit Brille steigt: Mathias Rust aus Wedel in Holstein.
Etwa sieben Stunden zuvor ist Rust in Helsinki gestartet. Sein offizielles Ziel: Stockholm. Gegen 11:30 Uhr verliert sich seine Spur. Dafür taucht auf sowjetischen Radars ein umbekanntes Flugobjekt auf. Mehrmals werden an diesem Nachmittag Abfangjäger aufsteigen. Doch der Zufall und die Unentschlossenheit in der militärischen Führung sorgen dafür, dass die Cessna 172 P am Himmel bleibt.
Glückskind mit politischer Message
Mal wird die Maschine für ein sowjetisches Übungsflugzeug gehalten, mal für einen Rettungshubschrauber. Als es schließlich doch als Eindringling identifiziert wird, traut sich niemand, den Befehl zum Abschuss zugeben. Vier Jahre zuvor hatte ein sowjetischer Abfangjäger nahe der Insel Sachalin ein verirrtes koreanisches Passagierflugzeug abgeschossen. 269 Menschen kamen ums Leben. Den internationalen Aufschrei haben die Militärs noch im Hinterkopf.
"Du musst mit einem Hemd geboren worden sein", sagte einer der ermittlenden KGB-Männer später zu Rust. Das Sprichwort bedeutet frei übersetzt: "Du bist ein Glückskind." Warum dieses Glückskind die waghalsigen Flug auf sich genommen hat, kann anfangs niemand erklären. Er hätte für den Weltfrieden, für Abrüstung und Völkerverständigung werben wollen, erzählte der sendungsbewusste Rust später im deutschen Fernsehen.
Sensation mit historischen Folgen
Die Landung ist in jedem Fall eine Sensation. Russische Medien berichten darüber genauso wie die Tagesschau. Selbst in den USA ist Rust ein Thema. Denn sein Flug hat vor allem die bis an die Zähne bewaffneten sowjetischen Luftstreitkräfte düpiert. Weder Radarstationen, Raketensysteme noch Abfangjäger haben den Hobbyflieger daran gehindert, ins Herz der Supermacht vorzudringen.
Und so wird Rusts Flug zum Politikum. Während sich Bonner Politiker öffentlich über den Schelmenstreich und die "sportliche Leistung" erheitern, rollen in Moskau Köpfe. Der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow entlässt mit einem Mal 300 hochrangige Militärs. Dabei ist Gorbatschow alles andere als erbost.
Denn die Blamage kommt dem Vater der sowjetischen Öffnungspolitik durchaus gelegen. Bis dahin hatten vor allem die Hardliner innerhalb des Militärs Widerstand gegen seine Reformpolitik geleistet und am Konfrontationskurs festgehalten. Nun, da sie sich öffentlich als Stümper erwiesen haben, konnte Gorbatschow seine Gegner elegant abservieren.
Öffnung, Abrüstung und Zerfall der Sowjetunion
Der Weg für seine Annäherung an den Westen war nun frei. Ein Jahr später zog die UdSSR ihre Truppen aus Afghanistan ab, die Rüstungskosten wurden heruntergefahren und 1991 unterzeichneten Gorbatschow und der amerikanische Präsident George H. W. Bush das "START"-Abkommen zur atomaren Abrüstung. Bald darauf zerfällt die Sowjetunion.
Der selbsternannte Friedensbotschafter Rust muss derweil nur 14 Monate seiner vierjährigen Strafe in sowjetischer Haft verbringen. Nach langen diplomatischen Verhandlungen, in die sich auch der damalige US-Präident Ronald Reagan einschaltet, kommt er am 03. August 1988 frei. Noch am selben Abend fliegt Mathias Rust von Moskau nach Frankfurt am Main. Diesmal nicht als Pilot, sondern als Passagier einer Lufthansa-Maschine.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: artour F: Wie einer über den Kreml flog - Mathias Rust erobert den sowjetischen Luftraum | 10.05.2012 | 22:05 Uhr