Wem gehört der Osten? - Die neuen Seen
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11. Juni 2019, 16:10 Uhr
Mit dem Fall der Mauer beginnt der größte Umverteilungsprozess in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Den längsten Weg bis zum Verkauf haben dabei die vermeintlichen Altlasten der DDR, die Bergbaue und ihre Folgelandschaften, hinter sich. Anfang der 1990er-Jahre entstand in Sachsen-Anhalt, West-Sachsen und der Lausitz die größte Landschaftsbaustelle der Welt. Hunderte Tagebaurestlöcher verwandelten sich in eine einzigartige Seenlandschaft.
Nach dem Ende der DDR gehören auch 39 Braunkohletagebaue zur Konkursmasse Volkseigentum. Die Treuhand kann nur sieben davon verkaufen. 1994 übernimmt die LMBV, die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft wahre Mondlandschaften riesigen Ausmaßes. Bisher flossen mehr als zehn Milliarden Euro Steuergeld in die einstigen Drecklöcher. Ab dem Jahr 2000 kommen dann in Ostdeutschland rund 120 neue Seen auf den Markt. Die Perlen, weil sie schon als Naherholungsgebiete genutzt werden, sind zweifellos der Cospudener See an den beiden Städten Leipzig und Markkleeberg sowie der Goitzsche-See bei Bitterfeld.
Mix aus Eigentümern
Unterm Strich gehören, wenn die Sanierungen offiziell beendet sein werden, 38 Seen den Ländern Sachsen und Brandenburg. 34 Wasserflächen sind in privater Hand oder gehören Zweckverbänden. Weitere 23 Seen wurden von Naturschutzorganisationen gekauft, 21 befinden sich im Besitz von Kommunen, drei wurden von Anglerverbänden erworben.
Projekte für mehr als ein Menschenleben
Für alle Seen und auch die Flächen dazwischen oder dahinter gilt, dass sie Projekte für noch viele Generationen bleiben, selbst die schon weitgehend erschlossenen Naherholungsgebiete. Rechtlich gesehen gelten die Seen noch auf Jahrzehnte als Bergbaue. Nicht jede Nutzung ist da erlaubt. Aus geologischer und biologischer Sicht sind die Wasser- und Kippflächen bis auf Weiteres künstliche Landschaften. Fischer und Angler zum Beispiel gehen davon aus, dass in dem Wasser der früheren Tagebaurestlöcher erst in einigen Jahrhunderten eine Fauna und Flora von selbst entstehen und sich erhalten kann. Nicht wenige Seen müssen noch für lange Zeit zusätzlich belüftet oder gekalkt werden.
Bis die aufgeforsteten Flächen an den Seen oder auf den Kippflächen einen wirtschaftlichen Gewinn bringen, müssen die Bäume noch Jahrzehnte wachsen. Und die Bergbaufolgelandschaften sind für eine unbestimmte Zeit in Bewegung. In der Lausitz musste die LVBM immer wieder Gebiete sperren, auch wenn sie schon verkauft waren und wirtschaftlich genutzt wurden. Allen Seen gemeinsam ist, dass das Wasser unveräußerliches Gemeingut ist.
Geld, Mut, Abenteuerlust und Kreativität
Dass in einigen alten Revieren heute wieder Leben herrscht, ist mit viel öffentlichem und privatem Geld erreicht worden und nicht zuletzt auch durch die Kreativität und den Mut der Menschen. Niemandem gehören heute so viele neue Seen im Osten und anliegende Grundstücke wie der Familie Merckle. Den deutschen Milliardär Adolf Merckle, geboren in Dresden, reizte es in hohem Alter, noch einmal etwas ganz Neues zu machen. Und langfristige Anlagen wie Waldflächen gehörten ohnehin zur Strategie seines Pharmakonzerns. Tochterfirmen sind heute an mehreren Seen, ihrer Erschließung und Vermarktung beteiligt.
Einer der Manager ist Christian Conrad, seines Zeichens geschäftsführender Gesellschafter des Hafens am Cospudener See. Als Thüringer betrachtete er das große Dreckloch im Süden von Leipzig mit ruhigerem Blut als die Einheimischen. Außer ihm wollte damals in den 1990er-Jahren - der See war noch nicht einmal geflutet - niemand das Grundstück des heutigen Cospudener Hafens haben.
Der ehemalige Bergmann Thomas Tribulowski wiederum nennt den Runstedter See in Sachsen-Anhalt sein eigen. Er bezeichnet ihn liebevoll als seinen Gartenteich. Eigentlich wollte er nur ein Seegrundstück für einen altersgerechten Bungalow kaufen. Doch Flächen von nur 1.000 Quadratmetern waren nicht zu haben, also nahm er letztlich die 300 Hektar mit dem See. Darauf darf er Speedboot fahren und Technopartys veranstalten, so lange es nicht gewerblich ist. Einen Plan für die Entwicklung seines Gewässers hat er nicht, sieht das aber mit Humor:
Seitdem ich mehr Land als der Bürgermeister und der Pastor zusammen habe, werde ich ernstgenommen.
Die Goitzsche damals und heute
Der Cospudener See
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Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: 23.10.2018 | 21:15 Uhr