Händel in Italien
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02. Oktober 2008, 17:57 Uhr
"Es ist ein Sachse in dieser Stadt eingetroffen, der ein ausgezeichneter Cembalospieler und Komponist ist..." So heißt es 1707, als Händel sich anschickt, Rom zu erobern. Ein Lutheraner im Herzen der katholischen Christenheit, der für Mäzene wie Francesco Ruspoli oder Benedetto Pamphili bald alles komponiert, was sie sich wünschen ...
Ein Sommer auf dem Landsitz des Marchese Francesco Maria Ruspoli in Vignanello bei Rom. Opern- Aufführungen hatte der Papst wegen des lasterhaften Lebens des Klerus nach einem schweren Erdbeben 1703 verboten. So schreibt Händel eben Psalmen, aufwendige Oratorien wie "Il Trionfo del Tempo e del Disinganno", geistliche und weltliche Kantaten für seine Mäzene ...
An diesem Abend, es könnte im Jahre 1708 gewesen sein, wird eine seiner Kantaten aufgeführt. Der Text stammt von einem römischen Kardinal!
Händel, meine Muse, kann nicht dichten, die deiner Leier würdig wären, doch ich fühle in mir den süßen Klang deiner Harmonie, sodass ich dazu Worte singen muss...
Benedetto Pamphili schwärmt für den jungen und höchst attraktiven Komponisten. Betörend vorgetragen wird die Kantate von einem Kastraten. Die verabscheut Händel zwar anfangs, später schreibt er für sie einige seiner schönsten Arien. Der berühmte Musiker und Komponist Arcangelo Corelli, der in Ruspolis Diensten steht, leitet die Aufführung. Kardinal Benedetto Pamphili, dem homosexuelle Neigungen nachgesagt werden, vergleicht Händel in seinem Text mit Orpheus, eine bis heute häufig gebrauchte Metapher für homoerotische Neigungen.
Händel in Italien: "Viva il caro Sassone!"
Unter all den verschiedenen italienischen Aufenthaltsorten von Venedig, über Florenz bis Neapel war Rom Händel wohl der wichtigste. Allein für seinen Mäzen Francesco Maria Ruspoli sollte er wohl mehr als 50 Werke schreiben, darunter viele Kantaten, die im Palazzo Bonelli oder auf dem Landsitz aufgeführt werden. Er lernte Komponisten wie eben Corelli, Alessandro und Domenico Scarlatti kennen. Im Januar 1707 war der ganz in protestantischer Tradition ausgebildete junge Organist und Komponist aus Halle an der Saale in der ewigen Stadt, im Herzen der katholischen Christenheit eingetroffen.
Es ist ein Sachse in dieser Stadt eingetroffen, der ein ausgezeichneter Cembalospieler und Komponist ist, der heute sein überragendes Können auf der Orgel von San Giovanni in Laterano zeigte, zum Erstaunen aller.
Händels Ruf und seine Verbindungen reichten schon weit. Nach der Premiere seiner Oper "Nero" 1705 in Hamburg soll es zu einer Begegnung mit Prinz Gian Gastone aus dem Hause Medici gekommen sein, der ihn nach Italien einlud - ein Land mit einer blühenden Opernszene und einer hoch entwickelten Gesangskunst, dem Belcanto. Etwa von Herbst 1706 bis zum Frühjahr 1710 weilte Händel in Italien, zunächst vermutlich in Florenz am Hofe der Medici.
Für Florenz, wo das päpstliche Opern-Verbot nicht hinreichte, schrieb Händel dann seinen "Rodrigo", aufgeführt vermutlich 1707. Seine zweite italienische Oper "Agrippina" feierte im Dezember 1709 in Venedig Premiere. Die Hauptrolle sang der wohl auch äußerlich beeindruckende Star Vittoria Tarquini, genannt "La bombace". Die Sängerin soll Händel mehr als bewundert haben, heißt es. In der Lagunenstadt wurde Händels "Agrippina" zum Triumph für den erst 24-jährigen:
Sooft eine kleine Pause vorfiel, schrieen die Zuschauer: 'Viva il caro Sassone! Es lebe der liebe Sachse!' – Jedermann war von der Größe und Hoheit des Stils gleichsam vom Donner gerührt, denn man hatte nimmer vorher alle Kräfte der Harmonie und Melodie in ihrer Anordnung so nahe und so gewaltig miteinander verbunden gehört.
Doch der junge Händel blieb nicht in Italien. Ausgerechnet Hannover hieß die nächste Station - er trat 1710 als Kapellmeister in die Dienste des Kurfürsten, was allerdings bedeutete, keine Opern aufführen zu können. Möglicherweise zog ihn die Kurfürstin Karoline dorthin. Doch bereits im Herbst 1712 machte er sich auf und davon - nach London. Fast 50 Jahre seines Lebens sollte Georg Friedrich Händel in der Metropole verbringen, erst mit seinen italienischen Opern, später mit seinen Oratorien Erfolge feiern. Noch zu Lebzeiten setzte man ihm 1738 in den Vauxhall Gardens ein Denkmal. Es zeigt Händel als Orpheus:
Nun, ich denke, all die Darstellungen von Händel als Orpheus haben eine Doppelbedeutung. Die eine ist natürlich die eines großen Musikers: Orpheus als der Mann, der in die Unterwelt hinabsteigen und die Wächter dazu bewegen konnte, Eurydike frei zu lassen. Doch nachdem er Eurydike verloren hatte, wie in der klassischen Geschichte, schwört er der Liebe zu Frauen ab, sucht nur noch Liebe zu Männern und will auch andere Männer dazu anregen.
Marchese Francesco Maria Ruspoli Francesco Maria Ruspoli (1672-1731) gehörte zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu den reichsten Männern Italiens. Als solcher war er der wohl bedeutendste Musikmäzen seiner Zeit. Neben Palästen in Rom besaß er auch einen Landsitz in Vignanello bei Rom. Händel war häufiger bei ihm zu Gast und soll für ihn mehr als 50 Werke komponiert haben. Noch heute wird die Musik Händels in Vignanello gepflegt. Darum kümmert sich eine Nachfahrin des Marchese - Principessa Claudia Ruspoli.
Kardinal Benedetto Pamphili Der römische Kardinal Benedetto Pamphili (1653-1730) liebte die Kunst. Sein großes Vermögen erlaubte es ihm, als Mäzen aufzutreten. So förderte er Georg Friedrich Händel, der 1707 - damals 22 Jahre alt - nach Rom gekommen war.
Arcangelo Corelli Der italienische Komponist Arcangelo Corelli (1653-1713) aus gutem Hause war einer der bedeutendsten italienischen Musiker des Barock. Er hatte sich in einer für die Zeit typischen Beziehung zu wechselnden Mäzenen eingerichtet. Als er 1707 erstmals mit dem jungen Händel zusammen traf, war er bereits 55 Jahre alt und von dessen Elan teilweise überfordert. Für Händel stellte er trotzdem einen wichtigen musikalischen Einfluss dar. Wie Händel blieb auch Corelli sein Lebtag lang Junggeselle.