27. November 1933: "Kraft durch Freude" gegründet "Kraft durch Freude" - die populärste Organisation des NS-Regimes
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05. März 2021, 16:13 Uhr
Am 27. November 1933 wurde die nationalsozialistische Gemeinschaft "Kraft durch Freude" gegründet. Sie kümmerte sich um die Freizeitgestaltung der deutschen Bevölkerung und offerierte ihr ein vielfältiges Erholungsprogramm, das vor allem für die Arbeiterschaft bis dahin unerschwinglich gewesen war. Im Grunde aber hatte sie nur ein Ziel: die Deutschen im Geiste des Nationalsozialismus zu ertüchtigen und auf den Krieg vorzubereiten.
In Prora auf der Insel Rügen legte die nationalsozialistische Gemeinschaft "Kraft durch Freude" (KdF) im Mai 1936 den Grundstein für ein Projekt ungeheuren Ausmaßes: dem "KdF-Seebad Rügen". Der Kern des Seebads bestand aus acht aneinandergereihten baugleichen Häuserblöcken, die sich auf einer Länge von viereinhalb Kilometern entlang der Ostsee erstrecken. In diesem Ferienobjekt, in dem alle Fenster aufs Meer hinausgehen, sollten 20.000 "Volksgenossen" gleichzeitig Urlaub machen können. Im Volksmund wurde die Anlage "Koloss von Prora" genannt. Sie war das ehrgeizigste und sogleich bekannteste Projekt der Gemeinschaft "Kraft durch Freude", mit dem sie sogar international für Furore sorgte: Der Entwurf wurde auf der Weltausstellung in Paris 1937 mit dem "Grand Prix" ausgezeichnet.
Nach dem Vorbild des italienischen Diktators Benito Mussolinis
Die Gemeinschaft "Kraft durch Freude" wurde am 27. November 1933 gegründet. Als Vorbild diente das Freizeitwerk "Dopolavoro" (Nach der Arbeit) des italienischen Diktators Benito Mussolini. Robert Ley, der nach der Machtergreifung der NSDAP zum Chef der "Deutschen Arbeitsfront" ernannt worden war, hatte Mussolinis "Dopolavoro" bei einem Besuch im Sommer 1933 in Italien kennengelernt und war sofort begeistert gewesen. Bei seiner Rückkehr unterbreitete er Hitler den Vorschlag, in Deutschland eine ähnliche Organisation zu gründen. Der "Führer" war sofort einverstanden. Schließlich sollte auch die Freizeit der Deutschen fortan der Erbauung und Ertüchtigung im Geiste des Nationalsozialismus dienen.
Ertüchtigung im Geiste des Nationalsozialismus
Die NS-Propaganda wurde nicht müde, "Kraft durch Freude" als eine Organisation zu preisen, die soziale Ungleichheiten einebnet und eine Volksgemeinschaft konstituiert, in der jeder Deutsche unabhängig von Schicht und Einkommen dieselben Rechte auf Erholung und Entspannung besitzt. Ebenso wichtig war den Nazi-Herrschern auch die Volkserziehung. Im Grunde stand hinter der Gründung der Organisation "Kraft durch Freude" bereits der Gedanke an die Vorbereitung des Krieges, zu dem, nach Lesart der Nationalsozialisten, schließlich nur ein in jeder Hinsicht gestähltes und gesundes Volk imstande sei.
Das "KdF"-Programm war von Anfang an aber durchaus vielfältig. Es bot neben der Organisation von Fernreisen und Tagesausflügen den Besuch von Ausstellungen und Theateraufführungen an, aber auch Kurse für Nichtschwimmer, Trachtenabende, Sängerwettstreite, Sportveranstaltungen und Nähabende. Sogar mit einem eigenen Auto lockte "Kraft durch Freude".
Urlaub mit "Kraft durch Freude"
Am beliebtesten bei den deutschen "Volksgenossen" waren zweifellos die von "Kraft durch Freude" organisierten Reisen. Insgesamt 43 Millionen Urlaubs- und Tagesausflüge verkaufte das von "KdF" betriebene "Amt für Reisen, Wandern und Urlaub" zwischen 1933 und 1939. "Kraft durch Freude" war damals der größte Reiseveranstalter weltweit. Hoch im Kurs standen Städtetrips und Wanderungen. Die Ausflügler wurden mit Bussen oder der Eisenbahn zu ihren Zielen transportiert. Lediglich fünf Reichsmark kostete ein solcher Ausflug - bei einem Durchschnittsverdienst von rund 150 Reichsmark für jedermann durchaus erschwinglich. Regelmäßig verkehrten aber auch "KdF"-Sonderzüge von der Reichshauptstadt Berlin nach Oberbayern oder an die Ostsee.
Mit dem KdF-Schiff "Wilhelm Gustloff" auf Kreuzfahrt
"Kraft durch Freude" besaß sogar eine eigene Hochseeflotte. Luxusschiffe wie etwa die "Wilhelm Gustloss" beförderten im Lauf der Jahre knapp 700.000 Urlauber nach Norwegen, Madeira oder Italien, allesamt Länder, die dem faschistischen Deutschland wohlgesonnen waren. In den Genuss einer Kreuzfahrt kamen allerdings nur hohe Funktionäre der NSDAP oder gut verdienende "Volksgenossen", die sich eine Schiffspassage für immerhin gut 120 Reichsmark leisten konnten.
VW-Käfer - der "KdF"-Wagen
1938 übernahm "Kraft durch Freude" auch noch die Aufgabe, sich um die Motorisierung der deutschen Bevölkerung zu kümmern. Das neue Programm hieß: "Mein KdF-Wagen". Das Freizeitwerk gab sogenannte "Sparkarten" für einen eigens entwickelten und sehr günstigen "Volkswagen" aus. Die Interessenten mussten Woche für Woche "Sparmarken" erwerben, bis die Kaufsumme von 990 Reichsmark erreicht war. 1940 hatten bereits 330.000 potentielle Käufer gut 280 Millionen Reichsmark angespart. Doch einen "Volkswagen" erhielten die fleißigen Kleinsparer nie. Sie finanzierten stattdessen die Entwicklung und den Bau des VW-Kübelwagens, der im Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kam.
1939 stellte "Kraft durch Freude" sämtliche Reisen ein
Im Sommer 1939, nach nicht einmal sechs Jahren, begann bereits das Ende der Idee vom großen Freizeitwerk der Nationalsozialisten. Im Zuge der Kriegsvorbereitungen wurden zunächst alle Seereisen und Bahnfahrten eingestellt. Kriegstransporte hatten von nun an absolute Priorität. Abgebrochen wurden auch die Arbeiten am sogenannten "Koloss von Prora". Nicht ein einziger "Volksgenosse" hatte jemals dort Urlaub machen können. Und auch die Kreuzfahrtschiffe mussten ihre Ausflüge ins Mittelmeer und in den hohen Norden einstellen - sie wurden fortan als Truppentransporter und Lazarettschiffe gebraucht. Vom ursprünglichen "KdF"-Programm blieben nur noch vereinzelte Wandertage und Trachtenabende übrig. Im Februar 1943 wurde schließlich aber auch das "Amt für Reisen, Wandern und Urlaub" aufgelöst und in das "Amt für KdF-Truppenbetreuung" umgewandelt. Die einstige Freizeitorganisation war nun endgültig im Gemetzel des Zweiten Weltkriegs angekommen.
Traurige Berühmtheit: die "Wilhelm Gustloff"
Am Ende des Zweiten Weltkriegs erlangte die "Wilhelm Gustloff", das eigens für "Kraft durch Freude" gebaute Kreuzfahrtschiff, traurige Berühmtheit. Am 30. Januar 1945 wurde das Schiff vor der Küste Pommerns von sowjetischen Torpedos getroffen und sank. Bei dem Unglück starben zwischen 5.000 und 9.000 Menschen, die meisten von ihnen Flüchtlinge aus dem Osten, die sich über die Ostsee vor den heranrückenden sowjetischen Truppen in Sicherheit bringen wollten. Der Untergang der "Wilhelm Gustloff" gilt bis heute als verlustreichste Schiffskatastrophe der Menschheitsgeschichte.
Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: MDR Zeitreise - Der Untergang der Wilhelm Gustloff | 26. Januar 2020 | 22:20 Uhr