01. Mai 1933 Der Dichter wird an die deutsche Akademie der Dichtung berufen Freiherr Börries von Münchhausen

(1874-1945)

05. Dezember 2005, 15:49 Uhr

Zur Welt kam Börries von Münchhausen am 20. März 1874 in Hildesheim. Er war das älteste Kind des Kammerherrn Börries von Münchhausen und seiner Frau Clementine von der Gabelentz. Bevor er mit dreizehn Jahren auf die Klosterschule Ilfeld ging, verbrachte er seine Kindheit auf verschiedenen elterlichen Gütern. In Heidelberg, München, Göttingen und Berlin studierte er Rechts- und Staatswissenschaften. 1899 promovierte er in Leipzig "Über die Pflicht zur Anzeige". Danach zog es Münchhausen wieder nach Göttingen.

Schon während seines Studiums hatte er eigene Balladen verfasst und 1898 veröffentlichte er seinen ersten Band "Gedichte". In seinen weiteren Werken, die alle um die Jahrhundertwende erschienen, stand die Ballade im Mittelpunkt. Besonders faszinierten den Dichter mittelalterliche Darstellungen und die germanische Sagenwelt. Über mehrere Jahre gab er den Göttinger Musenalmanach heraus und wollte dadurch der Ballade, die für ihn das "schlummernde Königskind der deutschen Dichtung" darstellte, ein Forum bieten. Dass er damit den Zeitgeist traf, zeigte die große Resonanz auf seine Veröffentlichungen, die allerdings nach dem Ersten Weltkrieg schnell verebbte.

"Ich bin nicht Antisemit, aber ..."

Seine national-konservative Gesinnung, die ihn später zum erbitterten Gegner von Hauptmann, Döblin und Benn werden ließ, bestimmte nach seinen Misserfolgen mehr und mehr sein Handeln. So wandelte er sich in dieser Zeit immer mehr zu dem Schriftsteller, der 1929 in einem Brief an eine Freundin schrieb: "Wie Sie wissen, bin ich nicht Antisemit, glaube aber allerdings das Deutschtum in seinem verzweifelten Abwehrkampfe gegen eine Überwucherung des jüdischen Geistes schützen zu müssen."

Münchhausen und seine Dichter-Elite auf der Wartburg

Die Enttäuschung über den Verlust der eigenen literarischen Reputation entfachte in Börries von Münchhausen den Wunsch, wenigstens seine Vorstellungen von wahrer Dichtung durchzusetzen. In den späten 20er-und vor allem zu Beginn der 30er-Jahre konzentrierte er seine gesamte Energie darauf, seinen Namen wieder an die Spitze der Dichterelite Deutschlands zu bringen. Eine erste Möglichkeit, seine Ziele zu verwirklichen, bot sich, als sein Vetter Hans von der Gabelentz Burghauptmann der Wartburg wurde. Unter dessen Namen, aber mit Börries als treibender Kraft im Hintergrund, entstand die Deutsche Dichterakademie mit Sitz auf der Wartburg.

Der Ort symbolisierte für Münchhausen gleichzeitig das Programm der Akademie: Deutsch, christlich und vor allem traditionsbewusst sollte die Vereinigung sein. Seinen Gegner sah er in erster Linie in der Dichtersektion der Preußischen Akademie in Berlin. Um sich scharte Münchhausen einen kleinen, in seinen Augen aber erlesenen Kreis, der seine Vorstellungen von anspruchsvoller Literatur teilte. Dazu zählten unter anderem Hans Grimm, Hanns Johst und Erwin Guido Kolbenheyer. Münchhausen hatte sich eine Basis geschaffen, von der aus er seinen Feldzug gegen alles Fortschrittliche antreten konnte.

Münchhausens Triumph - dank Hitler in die Preußische Akademie

Mit Adolf Hitler an der Macht sah Börries von Münchhausen eine neue Chance für sich. Denn auch die von ihm verachtete Dichtersektion der Preußischen Akademie wurde im Zuge der nationalsozialistischen Politik gleichgeschaltet. Unliebsame Mitglieder, wie Thomas Mann und Alfred Döblin, gingen freiwillig oder wurden entlassen. Die freigewordenen Plätze sollten wieder besetzt werden und damit war Münchhausens Stunde gekommen. Im Mai 1933 wurde er, zusammen mit anderen Mitgliedern des Wartburgkreises, vom preußischen Kultusminister Rust in die Akademie berufen. Von nun an verfolgte Münchhausen die weitere Entwicklung der Akademie eher aus dem Hintergrund, bewegte fast unbemerkt seine Marionetten und half seinen Favoriten zu einer erfolgreichen Karriere. Im Januar 1934 wurde er, als sich die damaligen Leiter der Akademie im Ausland aufhielten, zum Senator der Akademie ernannt.

Wie stand Münchhausen zu den Nationalsozialisten?

Münchhausens Verhältnis zum Nationalsozialismus blieb zwiespältig. Zum einen bejahte er Hitlers Machtpolitik, zum anderen wollte er in einem gewissen Rahmen die dichterische Freiheit schützen. Sie sollte nicht grundsätzlich beschnitten werden, sondern nur dort, wo es seinem Weltbild nicht entsprach. Als im Juli 1937 Hermann Göring das Amt des Protektors der Akademie übernahm, wurden Pläne laut, aus der Preußischen eine Deutsche Akademie zu machen. Ein Wunsch, der auch in Münchhausen noch lebendig war, den er unterstützte, der aber nie verwirklicht werden sollte. In der Folgezeit kam es in der Akademie immer wieder zum Streit über den Einfluss der Politik auf die Dichtung. Die Meinung Münchhausens und seiner Freunde wurde immer unwichtiger; Proteste blieben unbeachtet. Während des Krieges verloren die Aktivitäten der Dichtersektion immer mehr an Bedeutung.

Frühe Kriegsjahre: Rückzug ins Private. Selbstmord im März 1945

Anfang der 40er-Jahre zog sich Münchhausen aus dem öffentlichen Leben zurück. Als Dichter war er unbedeutend geworden, seine Pläne für eine Deutsche Akademie waren gescheitert und sein Einfluss war geschwunden. Als sich alliierte Truppen seinem Gut Windischleuba näherten, nahm er eine Überdosis Schlaftabletten und starb am 16. März 1945. Die Unsterblichkeit seiner Balladenhelden, die er so gerne auch auf sich übertragen hätte, erreichte er nicht. Und so bleibt das Folgende auch nur Teil seiner Dichtung, nicht seines Ruhmes: "Du wirst lebendiger, Je länger du tot bist!"