Maultrumme, Schwirrigigli, Brummeisen Traditionshandwerk: Maultrommeln aus Thüringen
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26. November 2021, 11:38 Uhr
Die einzige Maultrommelwerkstatt Deutschlands steht im thüringischen Zella-Mehlis. Hier baut Andreas Schlütter das Instrument, welches zu den Ältesten der Menschheit gehört. Die Werkstatt hat er von seinem Vater Friedrich übernommen, der nur durch einen Zufall auf das Maultrommelbauen gestoßen ist.
Mitten in Zella-Mehlis, auf dem Klaffenberg 15, wohnt die Familie Schlütter. Und unter dem Dach ihres Hauses haben gleich zwei Instrumentenbauer ihre Werkstatt. Im Souterrain arbeitet Sohn Andreas, unterm Dach Vater Friedrich. Der heute 80jährige hat seine Werkstatt inzwischen in die Hände des Sohnes gegeben, der der einzige Hersteller von Maultrommeln in ganz Deutschland ist. Hier entstehen nicht nur "Brummeisen", wie man sie früher nannte. Sondern auch Thüringische Hirtenhörner, Schalmaien und Dudelsäcke. Allesamt historische Volksinstrumente des Thüringer Waldes. Wie die Maultrommel übrigens auch. Auch sie war noch bis ins 19. Jahrhundert in Thüringen weit verbreitet. Noch in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts gab es in Kleinschmalkalden eine Maultrommelschmiede. Doch das Instrument geriet zunehmend in Vergessenheit.
Seltsam geformte Metallgegenstände
Als der in Zella-Mehlis ansässige Instrumentenbauer Friedrich Schlütter sich in den 1960er Jahren ehrenamtlich beim Aufbau eines Heimatmuseums engagierte, fanden sich im Bestand des Museums auch drei historische Maultrommeln. Doch niemand wusste, dass es sich bei den seltsam geformten Metallgegenständen um Instrumente handelte. " Da lagen auch noch andere Dinge mit irgendwelchen Federn dran, kein Schwein wusste, was los war - ich wusste es auch nicht", erinnert sicht Friedrich Schlütter und fügt lachend hinzu: "Einer sagte sogar: Vielleicht sind das Nasenringe für einen Bullen?" Erst der mit Schlütter befreundete Volkskundler Ernst Stahl half den Hobbyhistorikern auf die Sprünge. "Der schaute verwundert in die Kiste hinein und sagte: "Ach, Maultrommeln habt ihr auch!?"
Friedrich Schlütters Interesse war geweckt. Er lernte nicht nur das Instrument zu spielen, sondern versuchte bald auch, eigene Maultrommeln zu bauen. Wenige Jahre später machte er aus dem Hobby einen Beruf.
Keiner wusste, was das war. Einer sagte sogar: Vielleicht sind das Nasenringe für einen Bullen?
DDR: Zentralen Arbeitsgemeinschaft Folklore beim Ministerium der Kultur
Schlütter begann noch in der DDR Maultrommeln gewerbsmäßig herzustellen. Doch Schlütter hatte gute Kontakte in die Folkszene einerseits und andererseits zu den staatlich geförderten Folklorezentren. Er war sogar Mitglied der "Zentralen Arbeitsgemeinschaft Folklore" beim Ministerium der Kultur der DDR und anerkanntes Mitglied der "Arbeitsgruppe Historische Instrumente". Neben dem Bau der Maultrommel kamen später andere historische Volksinstrumente wie der Brummtopf, die Schalmei und der Dudelsack hinzu. Schon damals setzte sich Friedrich Schlütter für den Erhalt des Thüringer Waldhornes, einer kleineren Variante des heutzutage bekannteren Alphorns ein. Seine Maultrommeln konnte er über den sozialistischen Handel absetzen. Doch mit der Wende brach der Handel zusammen und die Familie Schlütter zog mit einem Koffer voller Instrumente durch die alten Bundesländer und suchte neue Abnehmer - eine schwere Zeit.
Die Maultrommel Die Maultrommel gehört zu den ältesten Instrumenten der Menschheit. Eine von Hand angeregte elastische Feder schwingt durch die geöffneten Zahnreihen in den Mundhohlraum des Spielers. Der erzeugte Ton wird durch Atmung und Verändern der Größe der Mundhöhle variiert. Man hört vor allem sich verändernde Obertöne, während der Grundton gleichmäßig mitschwingt. Die Maultrommel gehört daher zu den sogenannten Bordun-instrumenten. Im Bereich der Volksmusik wurde sie im 19. Jahrhundert vor allem durch die Mundharmonika verdrängt. Ihren Ursprung hat die Maultrommel wahrscheinlich in Asien. Älteste europäische Funde stammen aus dem 5. Jahrhundert nach Christus. Im deutschsprachigen Raum lässt sie sich bereits seit dem 14. Jahrhundert nachweisen.
Thüringische Tradition durch die "Spielleut"
Neben dem Musikintrumentenbau widmet sich Familie Schlütter auch der Pflege der thüringischen Volksmusik. Friedrich Schlütter war 1973 Mitbegründer der Hirtenbläsergruppe Zella-Mehlis. Aus diesen ging schließlich die Musikgruppe "Thüringische Spielleut" hervor. Friedrichs Schlütters Sohn, Andreas Schlütter, leitet die Truppe bis heute. Noch immer widmet man sich der einfachen Volks- und Tanzmusik, wie sie über Jahrhunderte im südlichen Thüringer Wald erklang. "Mal etwas gemeinsam unternehmen, gemeinsam Musik machen und dann auch noch auf den Spuren der Vorfahren zu wandeln, dann fühlt man sich auch richtig wohl und zu Hause", erklärt Andreas Schlütter das "Familienhobby".
Andreas Schlütter ist heute der einzige Hersteller von Maultrommeln in ganz Deutschland. Seine Instrumente sind auf einen definierten Ton gestimmt (meistens auf den Ton g) und genießen auch international besten Ruf. Die Begeisterung für das Instrument hat er von seinem Vater übernommen. Als der in den 70er Jahren begann, nicht nur Maultrommeln zu bauen, sondern auch bei den "Thüringer Spielleut" mitzumachen, war Andreas als junger Mann von Anfang an mit dabei. Seine Tochter wird wohl die Instrumentenwerkstatt nicht übernehmen. Doch bei den Spielleut ist auch sie dabei und spielt zumindest virtuos auf der Maultrommel.
Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: MDR Zeitreise | 12. Juli 2020 | 22:10 Uhr