Mühlengeschichte(n) Die Walzenmühle am Rande der Stadt

02. Juni 2017, 09:51 Uhr

Wo, wenn nicht in einem historischen Gebäude wäre das Geschichtsmagazin MDR Zeitreise besser aufgehoben? Die Delitzscher Walzenmühle stammt aus dem vorletzten Jahrhundert und beherbergt jetzt unser Geschichtsmagazin.  

Im Volkslied klappert die Mühle idyllisch am rauschenden Bach. In Delitzsch rumorten die Mahlsteine der Dampfmahlmühle dagegen unmittelbar an einer Bahnstrecke.

Die Mühle war einer der ersten Schritte auf dem Weg zur Industrialisierung der sächsischen Kleinstadt. Die Brüder Bruno und Rudolph Schaaf hatten das Gelände für das Fabrikgebäude offenbar mit Bedacht gewählt – außerhalb der Stadt, direkt an der Bahnlinie Halle-Sorau. Ab 1875 wurde die Walzenmühle erbaut, doch schon 1877 gingen die Gebrüder Pleite.

Der große auffällige Backsteinbau geht zunächst an die Leipziger Bank und wird 1881 von Kaufmann und Ingenieur Heinrich Bauer übernommen. Bauer lässt auf dem Gelände zusätzlich ein 15 Meter hohes Silo für das Getreide bauen sowie für sich und seine Familie eine Villa auf dem Gelände: Außen schnörkellos, innen teilweise im Jugendstil mit reich verzierter Stuckdecke.

Als Heinrich Bauer 1916 stirbt, übernimmt sein Sohn Hans den Mühlenbetrieb. Er stellt den Betrieb der Walzenmühle erst Ende der 1920er-Jahre vom Dampf- auf Elektrobetrieb um. Doch es ist zu spät, der Umbau rentiert sich nicht mehr, die Weltwirtschaftskrise 1929 macht dem Mahlbetrieb den Garaus. Ein Schicksal, dass die Familie Bauer in jenen Tagen mit vielen anderen teilt - wie hier in der Annonce des Wochenblatts "Deutscher Müller" vom 25. Juli 1929, in der eine ebenfalls Pleite gegangene Müllersfamilie für den nicht einmal fünfjährigen Sohn ein Auskommen sucht:

Nach dem Konkurs der Walzenmühle wird der Bau immer wieder anders genutzt – als Wohnstätte für Reichsarbeitsdienstler. 217 Freiwillige ziehen im April 1933 in das Silo – ihnen werden im "Reichsarbeitsdienstlager Walzenmühle“ bei freier Kost und Logis 30 Pfennig Taschengeld ausgezahlt. Zwar feiert man im März 1934 noch einen Festakt anlässlich des einjährigen Bestehens, doch schon im Juni wird das Lager aufgelöst und zieht nach Hohenpriesnitz.

1938 wird in der Walzenmühle im Rahmen des Ernährungshilfswerkes der NSV eine Schweinemästerei eingerichtet. Kurz nach Kriegsende finden kurzzeitig Flüchtlinge eine Unterkunft in der Walzenmühle, 1946 wird das Lager aufgelöst. Die Villa der Walzenmühle haben Militärs in Beschlag genommen und die bisherigen Bewohner sind umquartiert. 

VEB-Schild
Bildrechte: MDR/Watzel

Am 1. Juli 1949 wird in der Walzenmühle die VEAB gegründet - die "Vereinigung volkseigener Erfassungs-und Aufkaufbetriebe". Zwischen 1949 und 1951 müssen die Kleinbauern eine bestimmte Menge ihrer Erzeugnisse wie Eier und Geflügel sowie Obst und Gemüse abliefern.

Später dienen die Gebäude der Walzenmühle vor allem dem "VEB Ost, Gemüse und Speisekartoffel" als Lagerstätte. Auch dieser VEB ist inzwischen Geschichte.

Bis heute stehen alle drei Gebäude – Silo und Walzenmühle weitgehend leer und dienen verschiedenen Firmen als Lagerstätte.

Einzig die teilsanierte Villa dient wieder ihrem Ursprungszweck - als Zuhause für eine Familie.

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