1973 Ein Krokodil in Magdeburg Gunter Hellmann und Theophil, das Krokodil
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08. Dezember 2016, 10:46 Uhr
Wer eine Auslandsreise macht, bringt sich gern ein Souvenir als Erinnerung mit nach Hause. Der Magdeburger Ingenieur Gunter Hellmann kehrte einst mit einem lebendigen Krokodil aus dem fernen Mali heim. Dort hatte er 1973 mit Kollegen im Auftrag seines Landes Entwicklungshilfe geleistet, das Reptil war der herzliche Dank der Gastgeber dafür. Was aus "Theophil" wurde, erzählt uns Gunter Hellmann.
Jahrelang kämpfte die DDR um einen Platz auf dem Parkett der Weltpolitik. Dank Diplomatie und Wirtschaftsbeziehungen glückte der DDR-Außenpolitik Ende 1960er-Jahre der große Wurf. Eine Welle der Anerkennung in Ländern des Nahen Ostens und Afrikas leitete ein neues Zeitalter für das bisher weitgehend isolierte Land ein. Vor allem gegenüber den afrikanischen Bruderländern profilierte sich die DDR mit ihrem Know How in Wirtschaft, Technologie und Bildung. Schließlich galt es, den Aufbau des Sozialismus auch in Afrika mit allen Kräften zu unterstützen - und auf diesem Weg wiederum an knappe Rohstoffe zu gelangen.
Wasser für Kayes am Senegal
Wie dringend die Unterstützung in den unterentwickelten afrikanischen Ländern gebraucht wurde, zeigt die Entwicklungshilfe, die Gunter Hellmann Anfang der 1970er-Jahre mit Ingenieuren und Wasserwerkern aus Magdeburg im fernen Mali leistete.
Die Menschen in Kayes haben quasi ihr Wasser aus dem Fluss Senegal geholt - so wie es dort ankam: verkeimt! Viele Menschen sind erkrankt, bis zu 20.000 Einwohner waren magen- und darmkrank.
Die damalige Bezirkshauptstadt Magdeburg an der Elbe ging eine Partnerschaft mit der Stadt Kayes am Senegal ein. Gunter Hellmann erhielt damals als leitender Ingenieur den Auftrag, ein Wasserwerk für die 150.000 Einwohner am westlichsten Zipfel des Landes zu bauen.
Völkerfreundschaft bei 42 Grad
Als der gebürtige Chemnitzer 1973 sein Ziel im fernen Mali erreichte, stellte er schnell fest, dass die Beziehungen zu dem Bruderland weit mehr als das abgeschlossene Wirtschaftsabkommen zwischen beiden Ländern ausmachte.
Er zeigte großes Interesse für die fremde Kultur, dafür begegnete man ihm mit viel Herzlichkeit.
Ich hab' in mein Tagebuch seinerzeit reingeschrieben: "Scheiß Hitze - 42 Grad!" Aber im Laufe eines halben Jahres hat sich so viel Herzlichkeit entwickelt, dass es an und für sich eine Freude war dort zu arbeiten. (…) Das war für mich eigentlich das größte Erlebnis: die Menschen dort zu erleben in ihrer Armut, bescheiden, offen, sehr intelligent.
Schnell hatte Gunter Hellmann die Lebensumstände und die Hitze "vergessen". Für seine Kollegen und ihn war es eine Freude in Mali zu arbeiten, wie er heute berichtet. Wenn es die Zeit zuließ, machte er auch Fotosafaris und dokumentierte das Leben in Mali. Weil das Fotografieren in dem muslimisch geprägten Land nicht selbstverständlich war, hatte er immer ein kleines Geschenk, meist Seife für die jungen Mädchen, dabei, wie er heute erzählt.
Das Krokodil im Magdeburger Wasserwerk
Für ihre Hilfe erhielten Hellmann und seine Männer ein ganz besonderes Geschenk von ihren Gastgebern: ein lebendiges Krokodil. Gerade einmal 23 Zentimeter war es groß, damals konnte er es noch im Handgepäck ausführen. Im heimischen Magdeburg stellte sich allerdings schnell die Frage, was er mit dem Tier anstellen sollte und vor allem, wie man es unterbringen könnte. Der Magdeburger Zoo musste passen, denn der hatte kein geeignetes Terrarium. So entschieden die Beschenkten, den kleinen "Theophil", wie ihn die Wasserwerker liebevoll getauft hatten, allein groß zu ziehen.
Der Magdeburger Zoo konnte das Krokodil nicht aufnehmen, weil er keine Einrichtung dafür hatte. Es sollte dann in Magdeburg in der Zentrale bei uns im Betrieb gehalten werden, aber die Frauen dort wollten nicht so gern, dass ein Krokodil mit ihnen in der Kantine sitzt und speist.
Da Theophil munter wuchs und gedieh, mussten die Wasserwerker bald eine andere Lösung für den schnappenden Kollegen finden. Im nahegelegenen Wasserwerk Colbitz bauten die Wasserwerker ihrem Theophil ein richtiges Zuhause, in dem er in den inzwischen 43 Jahren heranwachsen konnte - auf 3,80 Meter Länge und 250 Kilogramm Gewicht.
Mittlerweile ist Theophil, von dem man nun auch weiß, dass es sich um eine Theophelia handelt, eine Attraktion für Jung und Alt und das heimliche Markenzeichen des regionalen Trinkwasserproduzenten. Auch das Wasserwerk im fernen Kayes versorgt die einheimische Bevölkerung immer noch mit sauberem Wasser. Krokodile wie Theophelia können bis zu 80 Jahre alt werden. So lange, das versprechen die Magdeburger Wasserwerker, wird es auch immer seinen Platz als einziges Krokodil im Wasserwerk behalten.
Stichwort: Mali
Die Republik Mali hat 16,8 Millionen Einwohner und liegt in der Sahelzone des nordwestlichen Afrikas am Südrand der Sahara und ist von Mauretanien, Algerien, Niger, Burkina Faso, Elfenbeinküste und Guinea umschlossen. Dasd Land gilt als eines der ärmsten weltweit, die Lebenserwartung der VBevölkerung liegt gerade einmal bei 48 Jahren. Mali ist etwa doppelt so groß wie Frankreich und zwei Drittel der Landesfläche sind Wüstenlandschaft. Bedeutendster Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft, angebaut werden unter anderem Baumwolle, Mai und Erdnüsse.
Im Sommer 2012 geriet das Land in den Blick der Weltöffentlichkeit als Islamisten das Weltkulturerbe in Timbuktu zerstörten. Im März 2012 hatte in der Hauptstadt Bamako das Militär geputscht, die Nordhälfte des Landes geriet unter Kontrolle einer Koalition von Tuareg-Rebellen und islamistischen Milizen, die auch aus dem Ausland unterstützt werden. Man geht von Verbindungen nach Nigeria und Somalia aus, sogar bis nach Pakistan und Afghanistan.