Zeitzeugenbericht Fährverbindung Saßnitz-Mukran nach Klaipeda
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19. Juni 2018, 12:44 Uhr
Der Fährhafen Mukran war in den 1980er-Jahren errichtet worden. Mit ihm sollte eine Fährverbindung für den Güterverkehr mit dem damals zur UdSSR gehörenden litauischen Klaipėda geschaffen werden. - Unser Autor, Oberst Horst Zimmermann, diente in der Verwaltung Militärtransportwesen des Verteidigungsministeriums und arbeitete mit an Entwicklung und Aufbau der Fährverbindung Mukran-Klaipeda.
Die Wirtschaftsbeziehungen zur Sowjetunion wurden enger, die Menge der Transittransporte durch Polen wuchs. Polen anderseits verfolgte immer mehr eigene Interessen und forderte höhere Transitgebühren. So entstand aus wirtschaftlichen und strategischen Überlegungen heraus die Idee, über die Ostsee eine direkte Fährverbindung von der DDR in die Sowjetunion zu schaffen. Vorbild dafür war die Fährverbindung über das Schwarze Meer von Odessa-Iljitschovsk nach Varna in Bulgarien.
Die Vorbereitungen
Das Ministerium für Hochseeflotte der UdSSR und das Verkehrsministerium der DDR sowie beide Verteidigungsministerien bildeten Anfang der 80er Jahre eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der neuen Fährverbindung von Saßnitz-Mukran nach Klaipeda (Memel). Ich durfte von Anfang an dabei mitarbeiten und war mit Oberst Hemling an der Ausarbeitung der Vorschriften für Militärtransporte auf der Fähre seitens der DDR beteiligt.
Das Problem
Bekanntlich beträgt die Spurweite der mitteleuropäischen Eisenbahnen 1435 mm, die der Sowjetischen Staatsbahn jedoch 1524 mm. Bei der Landverbindung sind an den sowjetischen Grenzen Umlade- und Umspuranlagen zwischen beiden Spurweiten vorhanden. Eine solche riesige Anlage baute die DDR in Mukran. Die deutschen Züge fuhren bis Mukran, wurden dort rangiert. Die Güter wurden auf sowjetische Waggons umgeladen oder geeignete Waggons erhielten andere Drehgestelle. Auf den in der DDR gebauten Fährschiffen waren Gleise mit sowjetischer Spurweite verlegt. In Klaipeda konnten die Züge ohne Umladung in das Binnenland rollen.
Die Lösung
Neben dem Güterverkehr diente die Verbindung Mukran - Klaipeda dem Militär. Auf den Fähren wurden Züge befördert, auf denen sich LKW, beladen mit Waffen und anderem militärischen Gerät, und Panzer der befreundeten Armeen befanden. Die Befestigung von Ketten- und Räderfahrzeugen auf Eisenbahnwagen ist schon ein Problem. Wenn der Eisenbahnwagen außerdem noch auf dem Schiff bei Wellengang sicher stehen soll, sind vielfältige Sicherheitsbestimmungen zu beachten, manche Vorrichtung musste neu entwickelt und erprobt werden. Bei den Schlingerbewegungen des Schiffes schwingen auch die Autos oder Panzer in ihrer Federung. Diese Bewegung musste durch spezielle Unterlagen unterbundenen werden, damit Befestigungsseile oder -ketten nicht reißen. Für den Transport gefährlicher Güter auf See in zivilen Schiffen gibt es viele Sicherheitsbestimmungen. In einem Militärtransport kann Munition und Treibstoff (in den Tanks der Fahrzeuge) gleichzeitig vorhanden sein. Neue Lösungen mussten gefunden werden.
Die Fährschiffe wurden als reine Güterfähren konzipiert. In zwei Truppentransporten können aber bis ca. 300 Soldaten mitfahren. Unter dem Ladedeck im Vorschiff fanden wir Hohlräume, in denen Liegen, Wasserstellen und Toilettenanlagen untergebracht wurden, eine Fahrt dauerte 22 Stunden, d.h. einen Tag lang war die Truppe an Bord zu versorgen.
Vier Jahre bis zur Fertigstellung
An der Vorbereitung der Fährverbindung arbeiteten wir etwa vier Jahre, trafen uns mehrmals in Moskau, Odessa, Berlin sowie an den Endpunkten der Fähre. Gemeinsam mit den Offizieren des Militärtransportwesens aus Wünsdorf stellten wir zur Erprobung einen Militärtransport zusammen, in dem von den wichtigsten Fahrzeugtypen je eines enthalten war, verluden die Technik an ihren Standorten in der DDR und fuhren nach Mukran. Dort führten wir die Umspurung bzw. die Umladung auf sowjetische Waggons durch und schoben diese auf die Fähre.
Die Fahrt nach Klaipeda verlief reibungslos. Dort entluden wir die Fähre, machten eine kurze Zugfahrt, stellten den Zug für die Rückfahrt zusammen. Beim Auslaufen aus Klaipeda Richtung Heimat erhielten wir Sturmwarnung, trotzdem kamen wir heil in Mukran an. Die ausgearbeitete Technologie hatte sich bewährt. Richtig genutzt wurde die Fährverbindung erst zum Abtransport der Westgruppe der GUS-Streitkräfte aus der DDR nach der Wende.
Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: Geheimnisvolle Orte: Mukran - Honeckers Superhafen | 19.06.2018 | 22:05 Uhr