DDR und Nordkorea Zu Gast in einer verschlossenen Welt: DDR-Ingenieure in Nordkorea
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01. Dezember 2017, 18:09 Uhr
Anfang der 1980er-Jahre schickte die DDR Robotron-Ingenieure in das kommunistische Bruderland Nordkorea. Ein Rechenzentrum sollten die Spezialisten in dem fernen Land errichten. Foto und Filmaufnahmen waren strengstens verboten. Doch was die Männer abseits der Arbeit dokumentierten, gewährt einen einzigartigen Blick in das immer noch abgeschottete Land.
Siegbert Speck und Fritz Heydemüller gehörten zu den Spezialisten, die im Jahre 1980 vom DDR-Großkombinat Robotron in das asiatische Land geschickt wurden. Im kommunistischen Bruderland sollten sie ein Rechenzentrum errichten.
Auf den ersten Blick war dieser Auftrag wohl nichts Besonderes. Unterhielt die DDR doch beste wirtschaftliche Beziehungen zu allen Ländern, die mehr oder weniger dem sozialistischen Lager zugerechnet wurden oder in denen es dringend benötigte Devisen zu verdienen gab. Funktelefone für Südamerika oder Landwirtschaftstechnik für Afrika standen oft in den Auftragsbüchern Volkseigener Betriebe. Mit der Reise in die "Demokratische Volksrepublik Nordkorea" lösten Speck und Heydemüller allerdings ein Ticket, das ihnen auch die eigene sozialistische Gesellschaftsordnung und Geschichte vor Augen führte.
Korea - ein geteiltes Land
Das Land auf der Koreanischen Halbinsel, im Norden durch die Mandschurei, später China, begrenzt und umgeben vom Japanischen und Gelben Meer war die meiste Zeit seiner Geschichte weder ein eigenständiges Land noch ein souveräner Staat. Vor allem die japanische Fremdherrschaft, die Ende des 19. Jahrhunderts in eine völlige Vereinnahmung als Provinz mündete, prägte die Koreaner. Erst mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges schien es eine Möglichkeit für eine selbstbestimmte Entwicklung zu geben. Noch während des Krieges hatten sich die Alliierten darauf geeinigt, dass Korea als Staat wieder entstehen soll.
Doch die immer mehr auseinander driftenden Ziele der Verbündeten berührten auch die Zukunftspläne für Korea, noch bevor sie Realität werden konnten. Unter dem Diktum, eine Stabilisierungsphase nach der Befreiung einzuleiten, besetzten die USA und die Sowjetunion die Halbinsel und teilten sie schließlich am berüchtigten 38. Breitengrad. In Nord- und Südkorea gründeten sich 1948 schließlich eigenständige Staaten. Beide mit dem proklamierten Alleinvertretungsanspruch für die ganze Koreanische Halbinsel.
Nahtstelle des Kalten Krieges
Wie im geteilten Deutschland durchzog Korea nun eine Nahtstelle des Kalten Krieges. In Berlin oder entlang der Zonengrenzen wurde es glücklicherweise nie so heiß, dass es für die Kontrahenten kein Zurück mehr gab. In Korea hingegen brach der Krieg 1950 aus. Die Truppen des mittlerweile kommunistischen Nordens überfielen den Süden und konnten in kürzester Zeit bis in die Küstengebiete vorstoßen. Legitimiert durch einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates griff die Schutzmacht USA mit über 20 weiteren Nationen in den Krieg ein.
Der von der Sowjetunion und China unterstützte Norden kämpfte gegen den vom Westen unterstützen Süden. Am Ende führte ein Jahrhunderte lang unterdrücktes Volk den ersten Stellvertreterkrieg des Kalten Kriegs. Beide Parteien zahlten einen hohen Blutzoll und hatten am Ende nichts gewonnen, denn nach drei Jahren Krieg stand die Front wieder am 38. Breitengrad und wurde zur "demilitarisierten Zone", die das Land noch heute teilt. Beide Länder blieben diktatorische Regimes, die vor allem auf die wirtschaftliche Hilfe ihrer Bündnispartner angewiesen waren.
Totale Gefolgschaft
Die kommunistischen Bruderstaaten, allen voran China und die Sowjetunion, sicherten das Fortbestehen des Nordens. Der einst starke Landesteil hatte vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren abgebaut. Diktator Kim Il Sung war deswegen jede wirtschaftliche Hilfe recht, auch aus der DDR. Mit der Kommunistischen Internationalen war es in dem verschlossenen Land allerdings nicht weit her, wie die Robotroner sich heute erinnern.
Zu oft waren wohl Fremde in das Land gekommen und hatten die Koreaner unterdrückt. Diese Geschichte ist auch im Norden tief verwurzelt und wurde vom Regime fortwährend mit dem Schicksal des Landes verknüpft. Wem das Volk nach den Jahren der Demütigung den neuen Stolz und das Selbstbewusstsein zu verdanken habe, lernen schon die Kleinsten. Wohnen, Bildung und Ärzte sind für alle Nordkoreaner kostenlos. Der Preis dafür ist die totale Gefolgschaft, die Einordnung in das Kollektiv.
Die häufigen Besuche im Geburtshaus Kim Il Sungs
Für Siegbert Speck und Fritz Heydemüller wurde die Reise in das ferne Nordkorea zum Spiegel des eigenen Gesellschaftssystems. Von maßlos übertriebenen Sicherheitsbestrebungen, Euphorie, Lügen und Verblendung berichten sie heute. Auch das Freizeitprogramm war straff durchgeplant. Ebenso wichtig wie das leibliche Wohl der Gäste war den Gastgebern die ständige Lobpreisung des großen Führers Kim Il Sung.
Für uns war das ein Kontrastprogramm, wir fühlten uns in Nordkorea wie Westler. Wir kamen ja auch geografisch aus dem Westen, aber das war noch etwas mehr. (…) Man wusste nie, ist das Wahrheit oder ist das Lüge, lieben die Leute den Führer wirklich so oder haben die nur Angst?
Ein Vorteil des Freizeitprogramms war jedoch, dass die Robotroner fotografieren und filmen durften. Fritz Heydemüller gelangen mit seiner 8mm-Kamera einzigartige Aufnahmen. Doch leider stand auf dem Besucherprogramm der Männer meist die Besichtigung der großen Errungenschaften und Wirkungsstätten Kim Il Sungs. Siegbert Speck durfte allein fünf Mal dessen Geburtshaus besuchen.
Keine Einblicke ins Private
Die berühmte asiatische Zurückhaltung konnten auch die beiden Männer nicht überwinden. An dem Versuch, von Mensch zu Mensch über das Leben zu reden, sind die beiden Robotroner aus Mitteldeutschland leider gescheitert. Selbst mit den unmittelbaren Betreuern konnten sie kein Wort über ihr wirkliches Leben wechseln. Lieb, nett und höflich waren sie, berichten die Männer, doch private Gespräche gab es einfach nicht.
Mit der Implosion des Sozialismus und dem zerfallenden Ostblock ging Nordkorea auch die wirtschaftliche Unterstützung verloren. Das befreundete China war längst noch nicht auf dem aufsteigenden Ast, wie es heute der Fall ist. Die nordkoreanische Wirtschaft geriet 1989 in eine Krise, an der das Land immer noch krankt. Darüber jedoch, ob Armut, Hunger und fehlender Strom die Zustimmung zum Kurs von Kims Enkel erschüttern, wird weiterhin wenig bekannt.
Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: Radio | 30.11.2017 | 11:00 Uhr