1961 Ulbrichts Bohrungen: Das schwarze Gold aus der Ostsee
Hauptinhalt
15. Dezember 2016, 12:22 Uhr
Bekannt wurde die Ostseeküste als eines der wenigen Ferienziele innerhalb der DDR. Fernab von Tourismus und Landwirtschaft sollte sie aber auch wirtschaftlich auf einem völlig anderen Gebiet an Bedeutung gewinnen. Rund um Rügen und Usedom begann hier ab den 1960er-Jahren die Erdölförderung.
Der wichtigste Energieträger zum Aufbau des Sozialismus in der jungen DDR war vor allem die Braunkohle. Jedoch brach in der restlichen Welt schon längst das Ölzeitalter an und vor allem die chemische Industrie und ihre neuen Verfahren benötigten Erdöl, das schwarze Gold. Der große Bruder, die Sowjetunion, sprang ein und durch die Einbindung in den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) wurde der Ölhunger der DDR-Industrie gestillt.
Mit einem Blick über die eigene Grenze, in die Bundesrepublik Deutschland, konnte das aber noch nicht alles gewesen sein. Schließlich förderte man dort nicht nur in der Nordsee, sondern auch in Hessen, Bayern, im Emsland und in Oberschwaben, um einen Teil des eigenen Bedarfs decken zu können. "Überholen ohne Einzuholen" schien also auch in dieser Frage das Motto zu sein. Das Zentrale Geologische Institut der DDR widmete sich nun auch dem sogenannten Bohrlochbergbau.
Gesucht: Erdöl und Erdgas im sozialistischen Boden
Mit Probebohrungen wurde das Land durchzogen, immer auf der Suche nach Erdöl und auch Erdgas. Während man in Thüringen und der Altmark beim Erdgas fündig wurde, lag das schwarze Gold unter dem pommerschen Boden an der Ostsee. Das erste Erdölvorkommen der DDR wurde 1961 in Reinkenhagen bei Grimmen, im heutigen Landkreis Vorpommern-Rügen, unweit von Greifswald, gefunden.
Nun wurde das Thema Erdöl aus der DDR auch für die Führung in Berlin interessant: Wollte man sich doch nur zu gerne von den Erdöllieferungen der Sowjetunion, des großen Bruders, unabhängig machen. Im selben Jahr wurde der "VEB Erdöl-Erdgas Grimmen" aus der Taufe gehoben, um die planmäßige Förderung von Erdöl aufzubauen.
Allen Zweiflern zum Trotz - Erdöl aus Reinkenhagen
Im Januar 1962 wurde Dieter Landes mit einer Handvoll Leute und unter abenteuerlichen Bedingungen, wie man sie in der DDR wahrscheinlich bisher nur aus der Zeit des WISMUT-Tagesbaus kannte, mit dem Aufbau der industriellen Produktion betraut.
Man lebte mit sechs Mann in einem Wohnwagen mit Ofenheizung. Der Wohnwagen war ja auch nicht isoliert, so dass nachts also immer jemand aufstehen musste, um Feuer zu machen, damit wir nicht erfrieren. Wer einen Winter überstanden hatte, der blieb.
Auf dem ersten Kesselwaggon voller Öl, der Reinkenhagen verlassen sollte, schrieben die Männer "Allen Zweiflern zum Trotz – das erste Erdöl aus der DDR". Die Suche war nun kein Abenteuer mehr, sondern ein handfestes Politikum. Der Traum, von Ölimporten unabhängig zu werden, ließ es zur Chefsache werden: Walter Ulbricht selbst hatte hohe Erwartungen und auf einmal war alles möglich. Mit sechstausend Mann sollte die Erdölindustrie von Reinkenhagen aus aufgebaut werden. Abordnungen und Dienstverpflichtungen von Kumpeln aus dem WISMUT-Tagebau oder von Arbeitern der Ostsee-Werften ließen die Personalstärke in die Höhe schnellen. Auch die Vergütung und die Vergünstigungen der Bohrarbeiter wurden an die ihrer Kollegen unter Tage angepasst.
Wir haben den Plan alleine gemacht, so dass wir auch den Schnaps bekommen haben. Bei Planerfüllung bekam man ja pro Monat – weil wir ja im Bergbau waren – einen Liter 'Kumpeltod'. Wir wollten ja nicht darauf verzichten. Es war ja unser abendliches Getränk.
Erdöl aus der DDR - eine Randnotiz der Weltwirtschaft
Die DDR war ihres Zeichens die jüngste Erdölnation, jedoch hat die Förderung im eigenen Land lediglich zum "Schmieren", aber nicht für den Betrieb der morschen Industrie gereicht. Im bekannten Erdölverarbeitungswerk Schwedt wurden jährlich 13 bis 15 Millionen Tonnen Öl bei einem Jahresbedarf von 18 bis 21 Tonnen verarbeitet. So blieben die jährlich 200.000 Tonnen aus den heimischen Quellen hinter den Erwartungen der Oberen zurück.
Die Förderung dauerte auch nach der Wende an und wurde erst 1996 eingestellt. Das größte Erdölvorkommen der DDR in Lütow auf der Insel Usedom wird sogar heute noch ausgebeutet. Mittlerweile finden auch wieder Probebohrungen auf den alten Feldern statt. Der damalige Leiter, Dieter Landes, hat sich vom aktiven Geschäft schon längst zurück gezogen und betreibt mittlerweile ein Erdölmuseum in Reinkenhagen, um an die Erdölförderung in der DDR zur erinnern.