Mode Pelze vom Leipziger Brühl – auch in der DDR heiß begehrt
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06. April 2022, 12:15 Uhr
Der Brühl ist eine der ältesten und bekanntesten Straßen Leipzigs. Der Handel mit dem "Weichen Gold", wie Fellerzeugnisse genannt werden, brachte ihr den Ruf der "Weltstraße der Pelze" ein, zog sie doch hunderte von Händlern und Handwerkern an, die hier mit Tierfellen aller Art ihr Glück versuchten. Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg brach der Handel nicht völlig ein und bescherte der jungen DDR gute Gewinne.
Pelze sind ein Dauerbrenner, wenn es um Luxuskleidung aller Art geht. Die verarbeiteten Tierfelle waren schon in der Antike bekannt und zählen zu den ältesten Handelswaren überhaupt. Kaum ein anderes Produkt vereint bis heute so viele Eigenschaften auf sich wie der Pelz: Galt er in der Antike und dem Mittelalter als Ausdruck von Reichtum, Macht und als Zeichen der Standeszugehörigkeit, wurde er mit dem Beginn der Industrialisierung zur Massenware. Die Händler und vor allem die Produzenten, die Kürschner, wurden zu angesehenen und gut situierten Männern. Die so genannten Rauchwaren hatten ihren Siegeszug um die ganze Welt angetreten.
Der Brühl: Die Weltstraße der Pelze in Leipzig
Industrialisierung und Gründerzeit bedeutete auch Reichtum und Wohlstand, den man zur Schau stellen wollte. In dieser Zeit wurde der Brühl, das internationale Pelzzentrum mitten in Leipzig, zum Inbegriff des gesamten Rauchwarenhandels, der Name stand für eine ganze Branche. Dies war vor allem auf den regen Handel in der Messestadt und auf die jüdischen Pelzhändler und Kürschner zurückzuführen, die sich in der Straße ansiedelten. Von anfangs zwei ist die Zahl der Pelzhändler Mitte des 19. Jahrhunderts auf fast hundert gestiegen. Um 1900 entwickelte sich der Leipziger Brühl zur Drehscheibe für den weltweiten Pelzhandel. Vor dem Ersten Weltkrieg wurde etwa ein Drittel des Welthandels mit Pelzen über Leipzig abgewickelt!
Es gibt eine Zahl für das Jahr 1912 - da wird davon ausgegangen, dass der Pelz 40 Prozent des Steueraufkommens der Stadt Leipzig beiträgt. Zu diesem Zeitpunkt gab es 400 Pelzhandelsfirmen. Das stieg dann in der Weimarer Republik noch mal an, da spricht man von rund 1100 Firmen, die irgendetwas mit der Rauchwarenwirtschaft zu tun haben.
Pelz hält auch in Krisenzeiten warm
Der Erste Weltkrieg und auch die politischen Umbrüche der 1920er- und 1930er-Jahre konnten dem Handel mit den Tierfellen kaum etwas anhaben, der Brühl behauptete seinen Weltruf. Am Vorabend der Weltwirtschaftskrise zählte Leipzig fast 800 Rauchwarenhandlungen, von deren Erfolg die ganze Innenstadt profitierte.
Die Krise der Weltwirtschaft führte aber auch zu einer Krise des Pelzhandels. Gleichzeitig nahm die Verfolgung und Enteignung der jüdischen Pelzhändler durch die Nationalsozialisten zu, die mehr als die Hälfte der Rauchwarenhändler ausmachten. Der Brühl blutete wirtschaftlich aus, denn immer mehr Händler verließen die einstige Weltpelzstraße und nahmen Gewinne und Geschäftsbeziehungen mit nach England oder in die USA.
Pelze in der DDR: Devisenbringer
Was dem einstigen Pelzzentrum nicht schon durch die Vertreibung der jüdischen Pelzhändler verloren gegangen war, wurde schließlich im Bombenkrieg zerstört. Keine 200 Händler und Kürschner waren am Brühl noch zu finden. Solange es noch möglich war, wanderten die meisten von ihnen in die westlichen Besatzungszonen und später in die Bundesrepublik ab.
Doch am Brühl wurden Handel und Produktion wieder aufgenommen. Schnell wurde man sich auch im Sozialismus der wirtschaftlichen Bedeutung der Tierfelle bewusst. Eines der größten Außenhandelsunternehmen, die "Interpelz", sollte an den Erfolg anknüpfen. Viel war zwar vom einstigen Glanz der Brühl nicht mehr erhalten, aber in den Höfen würde wieder gearbeitet. Bereits ab 1960 fanden in Leipzig Rauchwarenauktionen statt, bei denen bis zu zwei Millionen Felle aus 50 Ländern unter den Hammer kamen.
Alle, die was mit Fellen zu tun hatten, kamen nach und nach wieder. Die ganz großen Firmen, die zum Teil mal in Leipzig gewesen waren, alle kamen sie wieder. Man kam an Leipzig nicht vorbei.
Pelze: auch im Sozialismus begehrt
Was in den Höfen der Brühl emsig produziert wurde, war jedoch nicht für die Leiber der Arbeiter und Bauern bestimmt. Zu wichtig war das Exportgeschäft und die Begehrlichkeiten der devisenarmen DDR-Bürger eine eher unangenehme Nebenwirkung. Mehr als zwei oder drei Auslagen fand man in dieser Zeit nicht in der Straße. Wer sich dennoch den flauschigen Luxus gönnen wollte, der musste tief in die Tasche greifen – und mit den preiswerteren einheimischen Pelzen Vorlieb nehmen.
Als Kürschner haben wir dem Kunden vorgeschlagen, dass wir den Mantel erst mal ganz grob zusammenschneiden, vielleicht noch ein schlechtes Fell mit rein, damit der Wert nicht so hoch getaxt wird. Unter Umständen hat der Kunde für das Stück so 1000 Ost-Mark gespart.
Doch in erster Linie waren Pelze aus Leipzig ein Devisenbringer. Ganze Kollektionen gingen an westdeutsche Versandhäuser und der Staat kassiert fleißig mit. Mit der Wende kam für die Pelzstadt Leipzig und das lukrative Geschäft ein neuer Einschnitt. Die ehemaligen Bruderländer konnten nicht in Devisen bezahlen und für die westdeutschen Abnehmer waren die Leipziger Pelze über Nacht schlicht zu teuer geworden. Keiner der DDR-Pelzgroßbetriebe und vielleicht eine Handvoll der Leipziger Kürschner haben diesen Umbruch überstanden. 0255Heute erinnert eine Gedenktafel an die große Zeit des Leipziger Brühls als Zentrum des Weltpelzhandels.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR ZEITREISE | 03. April 2022 | 22:20 Uhr