Klimaforscher wussten es schon immer
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19. November 2019, 12:48 Uhr
Das Klima – bereits zu Zeiten des Kalten Krieges war es ein ganz heißes Thema. So richtig wusste niemand, was es genau auf sich hat mit Erderwärmung und Co. Aber das sich etwas tut, war klar. Forscher aus DDR, UdSSR und ČSSR forschten Mitte der 70er-Jahre an Äquator, Arktis oder in Gebirgsregionen.
Der Sommer 1976 war ein verrückter Sommer. In Deutschland, in Frankreich oder in Italien wurden Rekordtemperaturen verzeichnet. In Norwegen hingegen fuhr man in kurzen Hosen Ski, weil Schnee fiel. Dass sich das Klima ändert, wussten Experten aus Berlin, Leningrad und Prag schon vor 40 Jahren. Sie waren sich sicher: 2050 würde es so warm werden, dass das Eis der Arktis verschwunden sein würde. Doch welche Faktoren spielten dabei eine Rolle?
Mit Zollstock zu den Gletschern der Erde
Sich der Beantwortung einer solchen Frage zu nähern, war in den 70er-Jahren nicht so einfach. Die Untersuchungsmethoden und -instrumente der Wissenschaftler waren begrenzt. Ein Team des Institut für Geografie der Akademie der Wissenschaften nahm 1976 Vermessungen an einem Blizzard-Gletscher im Kaukasus mit Zollstock, Papier und Stift vor. Ihr Ergebnis: Der Gletscher wird kleiner. Doch ein Abgleich mit Kollegen aus der Alpenregion oder Wissenschaftler aus Norwegen ergab: Hier wachsen die Gletscher. Die gemeinsame Erkenntnis von internationalen Forschergruppen aus unterschiedlichen Regionen lautete:
In der Antarktis nehmen die Eismassen gegenwärtig etwas zu. In der Arktis schieben sich die Eisflächen auf dem Festland nach Süden vor. Die Lufttemperatur über dem Karasee ist um etwa drei Grad gesunken. Die Temperatur der Meere aber steigt.
Den Wissenschaftlern war klar: Es tut sich etwas mit dem Erdklima. Aber was? Mitte der 70er-, Anfang der 80er-Jahre, gab es mehr als 50 Hypothesen zum Thema Klima. Es wurde Alpenbildung, Magnetfelder, Zirkulation der Meere als Ursachen vermutet.
Zwischen Eiskeller und Treibhaus
Der Meteorologe Karl-Heinz Bernhardt von der Humboldt-Universität Berlin gehörte Mitte der 70er-Jahre zu dem Team der renommierten Forscher. Ihm und seinen sowjetischen und tschechischen Kollegen war klar: "Die Jahresmitteltemperatur der Erde steigt. Es kann sogar zu einer sehr drastischen Zunahme kommen."
Eine Vermutung für diesen Anstieg war, dass die Sonne für den Wechsel von Warm- und Kaltzeiten verantwortlich sei. Schließlich gäbe es, so die Aussage der Meteorologen, ohne Sonne kein Klima. Etwa aller 80 Jahre, so vermuteten die Forscher, käme es daher zu extremen Wettersituationen. Also zu ungewöhnlichen Kalt- und Heißzeiten auf der Erde.
Neben der Sonne bestand auch ein erhebliches Forschungsinteresse an den Vulkanen - oder vielmehr an dessen Ausbrüchen. Die Partikel, die bei Eruptionen in die Luft geschleudert werden - sogenannte Aerosole - würden in der Stratosphäre einen Schleier legen, so dass das Sonnenlicht nicht mehr ganz hindurch dringen könne. Die Folge wäre eine sukzessive Abkühlung der Erde. Die Forschungsgemeinschaft war sich also nicht einig, ob nun das Klima hoch oder runter gehen würde. Doch noch ein Faktor spielte eine Rolle.
Der Mensch, der Klimamacher
Neben den irdisch-natürlichen und atmosphärischen Indikatoren, galt bereits damals schon der Mensch als Klimamacher: durch das bewusste umgestalten von landwirtschaftlichen Nutzflächen, das Betreiben von Fabriken und der Bau von Städten. Die Zunahme von Kohlendioxid auf der Erde - beispielsweise durch Verbrennen von Kohle, Erdöl oder Kraftstoff - verstärkt den Treibhaus-Effekt. Es wird also wärmer. Das Fazit der Forschungsgruppen aus DDR, UdSSR und ČSSR vor 40 Jahren, war:
CO2 kann auf Grund des Treibhaus-Effektes zur Erwärmung führen. Staub und Aerosole zur Abkühlung. Es käme also weder zur Hitzewelle, noch würde die Erde zum Eiskeller werden. Es wäre Stillstand. Wenn da nicht der Mensch wäre.
"Man muss die Situation aufmerksam verfolgen"
Zwei Drittel der von Menschen gemachten Energie - zum Beispiel durch das Heizen - würde als Wärme in die Atmosphäre geleitet. Professor Karl-Heinz Bernhardt gab zu bedenken, dass in Ballungszentren mit großen Fabriken, die menschengemachte Energieerzeugung bereits sehr hoch sei und steigen würde.
Der natürliche Wärmeumsatz an der Erdoberfläche beträgt, im Mittel über die ganze Erde, 100 Watt pro Quadratmeter. Für das Gebiet der DDR sind das etwa 40 bis 50 Watt pro Quadratmeter. In Stadt- und Industriezentren beläuft sich der Wärmeumsatz auf zehn bis 100 Watt und erreicht damit die natürliche Temperatur der Erde. Hier ist die künstliche Wärmezufuhr an die Atmosphäre ein Musterbeispiel eines anthropogen beeinflussten Klimas.
Die Wärmeenergie aus Großstädten und Industriezentren beeinflussen das Klima in ihrer unmittelbaren Umgebung. Auf diesen gemeinsamen Standpunkt konnten sich die Meteorologen, Geologen und Forscher aus anderen Bereichen zu Beginn der 80er-Jahre einigen. Man käme zu dem Schluss, dass man die Situation aufmerksam verfolgen müsse., hieß es aus Forscherkreisen.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR um 11 | 12.09.2019 | 11:00 Uhr