Erzgebirge: Wintersportparadies Oberwiesenthal

06. Dezember 2021, 13:49 Uhr

Deutschlands höchstgelegene Stadt galt als schneesicheres Wintersportparadies im Erzgebirge. Anfangs gab es allerdings nur Ferienheime der Stasi, der Armee oder der "Wismut". In den 60er-Jahren war Walter Ulbricht regelmäßig zu Gast im "Eschenhof". Aber im Unterscheid zu Oberhof hatte der Parteichef für dieses Skiparadies keine ehrgeizigen Ausbaupläne.

Ende der 1960er-Jahre konnten ganze 2.500 Betten in Oberwiesenthal zur Verfügung gestellt werden. Aber die Nachfrage war bei weitem größer: 1968 mussten 70.000 Anfragen von den Jugendherbergen abgewiesen werden.

Erst der Ausbau der FDGB-Ferienheime Mitte der 1970er-Jahre brachte Massentourismus in die Grenzregion. Ein 14-tägiger Urlaub inklusive Vollverpflegung kostete 65 Mark. Subventioniert werden sollten diese Ferienplätze aus den Gewinnen der Betriebe. Aber mit den Betriebsgewinnen war das so eine Sache, die blieben nämlich immer öfter aus, je älter die DDR wurde. So waren in den meisten Ferieneinrichtungen, gerade in den 80er-Jahren, deutliche Mängel festzustellen. Modernisierungen gab es nicht, Reparaturen wurden schwierig, stattdessen war "Organisationstalent" gefragt.

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Ein Urlaubsquartier in Oberwiesenthal zu ergattern, war wie ein Fünfer im Lotto. Es gab zwar etliche Betriebsferienheime, lange Zeit aber kein einziges Hotel.

Di 07.02.2006 12:03Uhr 02:20 min

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FDGB Ferienheim "Am Fichtelberg"

Um die Unterbringungssituation deutlich zu verbessern, wurde Ende 1975 ein Plattenbau mit 800 Betten am Hang von Oberwiesenthal eröffnet. Ein Platz im Ferienheim "Am Fichtelberg" war für viele wie ein Fünfer im Lotto. Über 1.000 Feriengäste mussten in Spitzenzeiten versorgt werden. Das war mit normalen Mitteln kaum zu schaffen, erinnert sich Max Högen, damals als ökonomischer Direktor verantwortlich: "Erdbeeren aus Werder, Lübbenauer Gurken, also vieles, was die normale Versorgung dieser Republik nicht mehr bereitstellte, haben wir uns selbst besorgt. Aber die Betriebe halfen uns und wir mussten den Betrieben helfen. Das heißt: mit einem Ferienplatz ließ sich vieles regeln".

Das Haus war immer brechend voll – bis Anfang 1991, denn mit dem Ende der Ferienschecks blieben auch die Gäste weg. Sie fanden erst langsam wieder zurück nach Oberwiesenthal und auch ins "Fichtelberg".

Das Jugendtouristhotel

1982 eröffnet, sollte es das Angebot im Urlaubsort erweitern. Preiswert sollte es sein, erinnert sich Jugendtourist-Programmchefin Ria Meinel: "Übernachtung 7 Ost-Mark, Vollverpflegung 15 Ost-Mark. Das Haus wurde jährlich mit ca. zwei Millionen Ost-Mark subventioniert. In diesem Hause wurde an dem wirtschaftlichen Ruin des Staates DDR tüchtig mitgewirkt". Disco, Sauna und Skiverleih waren kostenlos. Den Jugendlichen sollte alles geboten werden. Das Haus hatte 400 Gäste und laut Personalschlüssel kam auf vier Gäste je ein Mitarbeiter.

Wir wussten vor Personal eigentlich gar nicht, was wir an Rundumbetreuung alles tun konnten, haben das sicher auch umgesetzt. Aber es ist natürlich in keiner Weise effizient gewesen.

Ria Meinel, damals im Haus als Programmchefin von Jugendtourist tätig - heute Mitbesitzerin eines Hotels

Ein Personalüberhang, der, wie in den anderen Ferieneinrichtungen auch, nach 1989 nicht mehr zu halten war. Oberwiesenthal hat seither fast die Hälfte der Einwohner verloren, konnte sich aber als Urlaubsort behaupten: Das Skiparadies bietet Betten für rund 4.000 Gäste und zieht so jährlich etwa eine Viertelmillion Urlauber an.

(zuerst veröffentlicht am 03.07.2009)

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: Umschau extra | 08.01.2019 | 20:15 Uhr