Wolf Biermann: Die wichtigsten Daten im Überblick
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02. Dezember 2021, 14:35 Uhr
Wer ist der Mann, für den Hunderte 1976 ihre Freiheit riskierten? Ein Lebenslauf.
1936
15. November: Wolf Biermann wird in Hamburg als Sohn einer Arbeiterfamilie geboren.
1943
Biermanns Vater wird in Auschwitz als Angehöriger des kommunistischen Widerstandes ermordet.
1950
Teilnahme am Deutschlandtreffen in Ostberlin.
1953
Übersiedlung in die DDR. Besuch einer Internatsschule in Schwerin.
1955-1957
Anschließend an das Abitur Studium der politischen Ökonomie an der Humboldt-Universität Berlin.
1957
Nach dem Abbruch des Studiums wird Biermann Regieassistent am Berliner Ensemble.
1959-1963
Studium der Philosophie und Mathematik an der Humboldt-Universität in Berlin.
1960
Bekanntschaft mit dem Komponisten Hanns Eisler, der ihn unterstützt und fördert. Biermann beginnt, Gedichte zu schreiben und Lieder zu komponieren.
1961
Gründung und Aufbau des Berliner Arbeiter- und Studententheaters (b.a.t.) in einem alten Hinterhofkino. Biermanns Inszenierung des eigenen Stücks "Berliner Brautgang", eine Liebesgeschichte zwischen einem Arbeiter und einer Arzttochter im durch die Mauer geteilten Berlin, wird vor der Aufführung verboten. Biermann erhält ein bis Juni 1963 befristetes Auftrittsverbot. Das Theater wird 1963 geschlossen.
1962
Biermanns erste Gedichte erscheinen in der Anthologie "Liebesgedichte" beim Verlag Volk und Welt in Ostberlin. Bis 1965 ist er in weiteren fünf Anthologien vertreten. Erster öffentlicher Auftritt während eines von Stephan Hermlin initiierten Lyrikabends in der Deutschen Akademie der Künste (gemeinsam mit Sarah Kirsch, Volker Braun u. a.). In der Folge verliert Hermlin seinen Posten als erster Akademie-Sekretär.
1963
Nach einer zweijährigen Zeit als Kandidat der SED wird die Aufnahme Biermanns in die Partei abgelehnt. Beginn der Freundschaft mit Robert Havemann.
1964
Gastspiel im Ostberliner Kabarett "Die Distel". Danach unternimmt er auf Einladung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) eine erste Gastspielreise durch die Bundesrepublik Deutschland. Dabei tritt er auch gemeinsam mit dem Kabarettisten Wolfgang Neuss auf.
1965
Nachdem im Westberliner Wagenbach-Verlag sein Gedichtband "Die Drahtharfe" erschienen ist, sowie seine erste Langspielplatte "Wolf Biermann (Ost) zu Gast bei Wolfgang Neuss (West)", erhält Biermann durch die DDR-Behörden ein unbefristetes Auftritts- und Publikationsverbot. Man wirft ihm "Klassenverrat" und "Obszönität" vor. In der Folge wird seine Wohnung in der Berliner Chausseestraße zum Treffpunkt für regimekritische Intellektuelle. Die Stasi startet eine der aufwändigsten Bespitzelungsaktionen gegen ihn (beteiligt sind 197 hauptamtliche und 213 inoffizielle Mitarbeiter).
1969
Bei Klaus Wagenbach in Westberlin erscheint Biermanns erste eigene Langspielplatte "Chausseestraße 131". Das dafür verliehene Preisgeld des Fontane-Preises der Stadt Westberlin spendet Biermann dem Anwalt der Außerparlamentarischen Opposition (APO), Horst Mahler.
1974
Biermann beantragt ein Visum für eine Reise nach Köln, um dort den Jacques-Offenbach-Preis entgegenzunehmen. Als die Behörden zur Bedingung machen, dass er endgültig ausreist und seine DDR-Staatsbürgerschaft aufgibt, verzichtet er auf die Reise.
1976
12. September: Das Konzert in der Prenzlauer Nikolaikirche ist nach elf Jahren Berufsverbot Biermanns erster Auftritt in der DDR. Die Junge Gemeinde in Jena beschließt, ihn für den 1. November zu einem Konzert einzuladen. Biermann will seine BRD-Tournee nicht gefährden und verspricht, das Konzert später nachzuholen.
13. November: Mit einem Konzert in Köln beginnt eine Tournee durch die Bundesrepublik auf Einladung der westdeutschen IG Metall. Das Politbüro lässt ihn in der Hoffnung reisen, dass er einen Vorwand zum Rauswurf aus der DDR liefern wird.
16. November: Das Politbüro der DDR beschließt die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR. Begründet wird die Entscheidung damit, dass sein Auftreten in der kapitalistischen Bundesrepublik gegen die DDR und den Sozialismus gerichtet sei.
17. November: In einer Petition protestieren dreizehn namhafte DDR-Schriftstellern (Sarah Kirsch, Christa Wolf, Volker Braun, Franz Fühmann, Stephan Hermlin, Stefan Heym, Günter Kunert, Heiner Müller, Rolf Schneider, Gerhard Wolf, Jurek Becker und Erich Arendt - noch am gleichen Tag schloss sich Günter de Bruyn an) gegen die Ausbürgerung. Rund 100 Intellektuelle aus der DDR solidarisieren sich mit der Petition. Die SED-Führung eröffnet eine Kampagne von - in der Mehrzahl bestellten - Zustimmungserklärungen zur Ausbürgerung Biermanns.
1977
Biermann unternimmt erste Tourneen durch westeuropäische Länder. In seinen Liedern rechnet er einerseits mit der DDR-Führung ab und bekundet andererseits immer wieder seine sozialistische Einstellung.
1980
Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises für Chanson.
1982
Die DDR-Behörden erlauben eine privaten Besuch bei Biermanns todkrankem Freund Robert Havemann in Ost-Berlin.
1989
1. Dezember: Biermann tritt nach 13 Jahren erzwungener DDR-Abstinenz zum ersten Mal wieder in seiner früheren Wahlheimat auf. Beim Konzert in Leipzig wird er vom Publikum "als Mensch gewordener Mythos" begrüßt.
ab 1990
Mit Aufsätzen und Reden mischt sich Biermann in die Tagespolitik ein und beteiligt sich u. a. an der Besetzung der Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit in Ostberlin.
1991
In seiner Dankesrede für die Verleihung des Georg-Büchner-Preises attackiert Biermann die Oppositionsgruppen der DDR, sie seien "von Stasi-Metastasen zerfressen".
1993-1995
Heinrich-Heine-Preis und Heine-Gastprofessor an der Düsseldorfer Universität.
1994
Biermann stellt auf einer Tournee den von ihm aus dem Jiddischen nachgedichteten "Großen Gesang vom ausgerotteten jüdischen Volk" vor. Dessen Autor Jitzchak Katzenelson, war, wie Biermanns Vater, im KZ Auschwitz ermordet worden. Ebenfalls 1994 sorgt Biermann für einen Skandal, als er den PDS-Politiker Gregor Gysi und den Schriftsteller Stefan Heym öffentlich angreift. Der österreichische Maler und Bildhauer bezeichnet ihn daraufhin als "Arschkriecher" und "Trottel".
1996
Veröffentlichung der CD "Süßes Leben - saures Leben" mit siebzehn neuen Liedern.
1998
Verleihung des Nationalpreises der Deutschen Nationalstiftung.
1999
Aus Anlass des 100. Brecht-Geburtstages veröffentlicht Biermann eine Doppel-CD mit dem Live-Mitschnitt seines Konzertes in der Berliner Akademie der Künste.
2000
Im November meldet die "Welt" die Verpflichtung Biermanns als neuer "Chef-Kulturkorrespondent".
2001
Anlässlich des 25. Jahrestages seiner Ausbürgerung veröffentlicht Biermann das Buch "Die Ausbürgerung", in dem er und zahlreiche andere Zeitzeugen aus Ost und West zu Wort kommen.
2003
Biermann überträgt Bob Dylans poetisches Frühwerk "Eleven Outlines Epitaphs/Elf Entwürfe für meinen Grabspruch" ins Deutsche und ergänzt es um zahlreiche Strophen aus seiner eigenen Feder, was von mehreren Kritikern beanstandet wird.
2004
Von der Kritik gelobt wird Biermanns Nachdichtung von 40 Shakespeare-Sonetten, erschienen unter dem Titel "Das ist die feinste Liebeskunst".
2005
Es erscheinen weitere zwölf von Biermann übertragene und vertonte Sonette.
2006
Im April verlässt Biermann seinen langjährigen Verlag Kiepenhauer & Witsch aus Verärgerung über sachliche Fehler im Zusammenhang mit seiner Person und seinem Wirken in einer im Verlag erschienenen Literaturgeschichte. Sein nächster Gedichtband "Heimat. Neue Gedichte" kommt bei Hoffmann und Campe heraus. Am 15. November, Biermanns 70. Geburtstag, wird er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
2007
Wolf Biermann erhält das Ehrenbürgerrecht der Stadt Berlin. Im Vorfeld der Ernennung gibt es darüber eine wochenlange Auseinandersetzung.
2008
Im November erhält Biermann die Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität Berlin.
2014
Biermann ist eingeladen, die Gedenkstunde des Bundestags zum 25. Jahrestag des Mauerfalls musikalisch zu umrahmen. Bei dieser Gelegenheit beschimpft Biermann die Linke-Abgeordneten als "der elende Rest dessen, was zum Glück überwunden ist". Er bezeichnete die Linkspartei als "Reste der Drachenbrut".
2016
Wenige Wochen vor seinem 80. Geburtstag veröffentlicht Biermann seine Autobiografie unter dem Titel "Warte nicht auf bessre Zeiten".