"Der schweigende Stern" | DEFA-Filmtage in Merseburg Der erste Science-Fiction-Film der DDR
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20. Mai 2021, 17:48 Uhr
Kurt Maetzig drehte den ersten Science-Fiction-Film der DDR und landete einen internationalen Erfolg: Der Utopie-Streifen nach einer Vorlage von Stanislaw Lem lief auch in der Bundesrepublik, in Großbritannien und in den USA.
Als Schuljunge begeisterte sich Kurt Maetzig in der Filmkopieranstalt seines Vaters für die technische Seite des Filmemachens. Er lernte beleuchten, Film vorführen, entwickeln und kopieren. Als das Radio aufkam, war er zwölf Jahre alt und bastelte mit einem Freund Detektorenapparate für die Nachbarschaft. Und als der Sendebetrieb in Berlin startete, war Maetzig in seinem Bezirk der erste Rundfunkteilnehmer. "Alle nahmen an, ich würde Forscher werden oder Ingenieur, und das wollte ich auch." Er wurde ein technikbegeisterter Filmemacher, der den ersten Science-Fiction-Film der DDR drehte.
Vom Erfinder zum politischen Filmemacher
Nach dem Studium der Chemie, Ingenieur-, Volks- und Betriebswissenschaften an der TU München sowie Soziologie, Psychologie und Jura an der Sorbonne in Paris promovierte Kurt Maetzig 1935 in München über "Das Rechnungswesen einer Film-Kopieranstalt". Zu Beginn des Nationalsozialismus betrieb Kurt Maetzig ein Trickfilmatelier, bis die neuen Machthaber ihm jegliche Arbeit am Film untersagten. Die Gefahr einer Deportation überstand der Sohn einer jüdischen Mutter als Forscher in einem kleinen Laboratorium in Werder an der Havel. Dort arbeitete er zu fotochemischen Verfahren und meldete verschiedene Patente an. Noch im hohen Alter interessiert er sich für Technik – als über 80-Jähriger machte er sich noch mit Computer und Internet vertraut und korrespondierte per E-Mail.
Die ersten Jahre der DEFA-Filmproduktion verlangten viel technischen Einfallsreichtum und Improvisationstalent. Maetzig nahm die Herausforderung an und half, eine Filmindustrie aufzubauen. "In der Technik wie in der Kunst hat mich immer das Entdecken, das Erfinden, der erste Schritt interessiert, der Teil also, der Fantasie und kreativen Elan brauchte." Neugierig bewegte sich Maetzig im Laufe seines Filmschaffens durch verschiedenste Genre und wagte sich 1959 an das Experiment, den ersten Science-Fiction-Film der DDR zu realisieren. Nur zwei Jahre, nachdem der erste Sputnik ins All geflogen war, begann Maetzig nach dem Roman "Der Planet des Todes" von Stanislaw Lem den Streifen "Der schweigende Stern" zu drehen.
Utopie fordert Einsatz
Die Produktion des Films erreichte die Grenzen der planwirtschaftlichen Produktionsbedingungen, denn die Tricktechnik benötigte beispielsweise als intergalaktische Schleimrequisite die gesamte DDR-Leimproduktion eines Jahres. In einem Gespräch kommentierte Maetzig dieses Vorstoßen in die Welt der Science Fiction: "Mir tut es auch außerordentlich leid, dass dieses Genre nicht weiter- oder über diesen Film hinaus entwickelt worden ist. Ich sehe durchaus Möglichkeiten, es besser zu machen als im 'schweigenden Stern'." Bei seinem Ausflug ins Utopische profitierte Maetzig von seiner naturwissenschaftlichen Vorbildung. "Ich habe mir da auch zunächst erst einmal alles, was mir an Veröffentlichungen über Weltraumfahrt zugänglich war, herangeholt. Was Wernher von Braun damals in Amerika von sich gab, habe ich ebenso gelesen wie alle sowjetischen Quellen, die mir zugänglich waren." Viel Lob bekam der Film für die fantasievolle Gestaltung der Raumschiffe.
Internationaler Erfolg
Inhaltlich sah Maetzig inmitten des Kalten Krieges schon das internationale Zusammengehen in der Raumfahrt voraus. Die Besatzung seines Raumschiffes ist international – wie heute auf der ISS. "Der schweigende Stern" wurde 1960 als "Raumschiff Venus antwortet nicht" auch in der Bundesrepublik ausgestrahlt und als "First Spaceship on Venus" in Großbritannien sowie den USA. Dort allerdings erst nach umfangreichen Änderungen. So wurden etwa alle Bezüge auf Hiroshima herausgeschnitten.
Über dieses Thema berichtete der MDR im TV am: 18.04.2017 | 15.00 Uhr